29. Juni 2022

Neue Erkenntnisse zum Infektionsmechanismus; angepasste Impfstoffe in Vorbereitung

+++ Corona schleicht sich über Immunzellen in Lungenbläschen ein FDA-Gremium will für den Herbst angepasste Covid-Impfstoffe – Quarantäne-Änderungen sind laut Rauch "in Prüfung" – Empfehlung für den vierten Stich für Über-65-Jährige – Alzheimer-Symptome nach Infektion häufiger entdeckt Covid-19-Impfstoff von Valneva von EU-Kommission zugelassen – Corona-Welle laut Abwasseranalysen größer als Fallzahlen – Xi verteidigt Null-Covid-Strategie Chinas – Untersuchung zum Corona-Umgang der britischen Regierung +++

Coronavirus Warnung
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Corona schleicht sich über Immunzellen in Lungenbläschen ein

SARS-CoV-2 selbst kann kaum in das Gewebe von Lungenbläschen eindringen. Die Covid-19-Erreger benutzen dafür offenbar Makrophagen-Immunzellen als "Trojanisches Pferd", um durch eine überschießende Abwehrreaktion Schaden anzurichten. Dies hat eine jetzt von Berliner Wissenschaftern durchgeführte Studie ergeben.

"Einer Berliner Forschungsgruppe unter Leitung der Charité (...) ist es gelungen, die Infektion mit SARS-CoV-2 an menschlichen Lungen zu simulieren und somit zentrale Erkenntnisse zum Infektionsmechanismus zu generieren. Anhand von im Labor kultivierten, lebenden Lungenproben zeigt sie, dass der Covid-19-Erreger in nur sehr begrenztem Maß in der Lage ist, die Zellen der menschlichen Lungenbläschen direkt zu infizieren. Hingegen wird der überwiegende Teil der in die Lunge gelangten Viren von Makrophagen – Zellen der angeborenen Immunabwehr – direkt aufgenommen und löst in diesen eine gezielte Immunaktivierung aus. Die Ergebnisse sind jetzt im Fachmagazin 'European Respiratory Journal' erschienen", teilte die Universitätsklinik am Mittwoch, 29.6., mit (doi: 10.1183/13993003.02725-2021).

Unter der Leitung von Andreas Hocke von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité hat das Forschungsteam zum Teil völlig neue Erkenntnisse gesammelt. Dabei stellte sich in den Laboruntersuchungen heraus, dass die Zellen der Alveolaren der menschlichen Lunge nur selten ACE2-Rezeptoren aufweisen, welche SARS-CoV-2 benötigt, um anzudocken.

"Wir konnten die direkte Abhängigkeit von SARS-CoV-2 zu seinem Rezeptor in menschlichen Lungen sowie in Lungenorganoiden – das sind Modelle menschlicher Lungenbläschen, die wir aus Stammzellen des Lungengewebes gewonnen haben – zeigen und damit andere, alternative Rezeptoren ausschließen", erklärt die Erstautorin der Studie, Katja Hönzke (Charité). Gelangen große SARS-CoV-2-Virusmengen aus dem oberen Atemweg in die Lungenbläschen, so vermehren sich diese demnach nicht in hohem Maß in den ansässigen Epithelzellen der Lunge, wie das bei anderen schweren Virusinfektionen oft der Fall ist, sondern werden direkt von den Fresszellen (Makrophagen) aufgenommen.

"Wir haben mit detaillierten bioinformatischen Analysen sowie anhand von Autopsiegewebe von an Covid-19 verstorbenen Personen gesehen, dass sich die Fresszellen durch die Aufnahme der Coronaviren verändern", sagte der zweite Erstautor der Studie, Benedikt Obermayer-Wasserscheid. Diese Veränderungen lösen wiederum unterschiedliche Reaktionen im Rahmen der Lungenentzündung aus: Die Fresszellen geben Entzündungsbotenstoffe ab und können zum Teil sehr starke Entzündungskaskaden starten. Ebenso beobachteten die Wissenschafter, dass sich das Virus in den Immunzellen nicht vermehrt.

Hocke: "Unsere Studie deutet darauf hin, dass schwere Lungenschäden bei Covid-19 eher auf eine durch Makrophagen ausgelöste Immunaktivierung als auf eine direkte Zerstörung der Lungenbläschen durch das Virus zurückzuführen sind. Damit trägt sie wesentlich zum Verständnis der Entstehung von Covid-19 in der Frühphase einer möglichen Lungenentzündung bei und zeigt, warum SARS-CoV-2, im Gegensatz zu MERS-Coronaviren, in der Mehrzahl der Fälle einen eher moderaten Verlauf aufweist."

Man könne davon ausgehen, dass die lokalen Immunmechanismen im Atemgewebe die SARS-CoV-2-Viren in den allermeisten Fällen sehr effizient beseitigen und die Entzündungsreaktion begrenzen. Geschieht das nicht, was möglicherweise durch individuelle Risikofaktoren beeinflusst wird, können in seltenen Fällen schwere und tödliche Verläufe entstehen. Im Zentrum nachfolgender Arbeiten sollen nun Untersuchungen an patientenindividuellen Organoidmodellen folgen, um so den Einfluss von allgemeinen Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht, Begleiterkrankungen und anderen Medikationen auf die Aktivierung der Entzündungsantwort zu analysieren. Mit diesen Kenntnissen ließen sich dann mögliche Therapieansätze, die auf das Immunsystem abzielen, identifizieren. (APA)

FDA-Gremium will für den Herbst angepasste Covid-Impfstoffe

Berater der US-Arzneimittelbehörde FDA haben für den Herbst Änderungen bei den Covid-19-Impfstoffen empfohlen, mit denen die aktuell zirkulierenden Varianten des Virus abgedeckt werden können. Mit großer Mehrheit sprach sich das Beratungskomitee der Behörde dafür aus, dass die neue Generation von Booster-Impfungen vor der Omikron-Variante des Virus schützen solle.

Die FDA will nun bis Anfang Juli über die Zusammensetzung der Covid-19-Impfstoffe für den Herbst entscheiden. Mit der Verabreichung von angepassten Auffrischungsimpfungen könne dann bis Anfang Oktober begonnen werden, sagte Peter Marks, Leiter des FDA-Zentrums für die Bewertung und Erforschung biologischer Produkte, am Rande des Treffens mit den Experten. "Je besser die Impfstoffe auf den zirkulierenden Stamm abgestimmt sind, desto höher ist unserer Meinung nach die Wirksamkeit des Impfstoffs und desto dauerhafter ist der Schutz."

Das US-Biotechunternehmen Moderna sowie die Partner Biontech und Pfizer stehen mit ihren an die hochansteckende Omikron-Variante angepassten Impfstoffen bereits in den Startlöchern. Beide hatten erst kürzlich erste Daten zu den Vakzinen veröffentlicht. Der Omikron-Booster von Moderna, eine Kombination aus dem ursprünglichen Moderna-Vakzin Spikevax und einem gegen die Omikron-Variante gerichteten Impfstoffkandidaten, erzielte demnach eine bessere Antikörperreaktion als Spikevax.

Biontech und Pfizer legten Ergebnisse zu zwei Impfstoffkandidaten vor: einem an die Omikron-Variante angepassten Vakzin sowie einem, bei dem es sich um eine Kombination aus dem bestehenden Biontech-Vakzin Comirnaty und einem gegen das Spike-Protein der Omikron-Variante BA.1 gerichteten Impfstoff handelt. Eine Auffrischungsdosis mit einem der angepassten Vakzine löste den Angaben zufolge eine deutlich höhere Immunantwort aus als der bestehende Impfstoff der beiden Unternehmen.

Die angepassten Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer haben gemeinsam, dass sie zwar auch gegen die in letzter Zeit vorherrschenden Omikron-Untervarianten BA.4 und BA.5 gut abschnitten – allerdings in geringerem Maße als gegen die Variante BA.1, die im vergangenen Winter dominierte und gegen die die Impfstoffe speziell entwickelt wurden. Die Studienergebnisse wurden der FDA im Vorfeld ihres Treffens vorgelegt und auch mit der Internationalen Koalition der Arzneimittelzulassungsbehörden (ICMRA) vor anstehenden Gesprächen am 30. Juni geteilt.

Moderna geht davon aus, dass seine neue Impfung einen "dauerhaften Schutz gegen die gesamte Familie der Omikron-Varianten" bieten kann. "Omikron verfügt über sich kontinuierlich weiterentwickelnde Subvarianten, die BA.1 verdrängt und tendenziell ein erhöhtes Potenzial haben, das Immunsystem zu umgehen. Wir werden daher weiterhin wachsam sein und sind bereit, unsere Omikron-basierten Impfstoffkandidaten rasch an neu auftretende Subvarianten anzupassen, falls epidemiologische und Labordaten darauf hindeuten", hatte Biontech-Chef Ugur Sahin bei Vorlage der Studiendaten gesagt. Beide Unternehmen rechnen mit einer Zulassung ihrer Omikron-Booster bis zum Herbst. (APA/Reuters)

Quarantäne-Änderungen laut Rauch "in Prüfung"

Angesichts der milderen Corona-Verläufe durch Omikron (und der durch die vielen Absonderungen verursachten Probleme) gibt es auch in Österreich Überlegungen, die Quarantäne- und Absonderungsregeln zu ändern. Zwar seien ad hoc keine Schritte geplant, hieß es am Dienstag, 28.6., auf APA-Anfrage aus dem Gesundheitsressort. Allerdings erarbeite man derzeit Pläne für die kommenden Monate und mache sich Gedanken auch zu diesem Thema.

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) bestätigte dazu im Ö1-"Mittagsjournal", dass es derartige Überlegungen gibt: "Wir bereiten uns seit Monaten vor auf Sommer, auf den Herbst. Teil dieser Vorbereitung ist auch zu prüfen, wie gehen wir um mit Absonderung von Infizierten und Kontaktpersonen. Wir bereiten verschiedene Möglichkeiten vor, je nach Virusvariante." Und man schaue sich natürlich auch an, ob man Möglichkeiten habe, mit Absonderungsmaßnahmen und Verkehrsbeschränkungen anders umzugehen; dies sei noch "in Prüfung".

Gleichzeitig betonte Rauch, dass bei Quarantäne und Absonderung vorerst alles beim Alten bleibt: "Das ist richtig so, weil aus der Hüfte schießen immer schlecht ist – und wir werden auch keinen nationalen Alleingang in dieser Frage veranstalten, sondern schauen, wie machen es andere." (APA)

Empfehlung für den vierten Stich für Über-65-Jährige

Das Nationale Impfgremium (NIG) gibt auch weiterhin keine generelle Empfehlung für eine vierte Corona-Schutzimpfung ab. Allerdings wird das Alterslimit für eine solche nun von 80 auf 65 Jahre gesenkt, berichtete das "Ö1"-Mittagsjournal am Dienstag, 28.6. Für Risikopersonen und Vulnerable wird ein Viertstich empfohlen. Auf persönlichen Wunsch ist die Auffrischungsimpfung derzeit für alle Personen vier Monate nach der Drittimpfung möglich, geraten wird zu einem Abstand von sechs Monaten.

Impf-Experte Herwig Kollaritsch empfiehlt eine Auffrischungsimpfung auch vier bis sechs Monate nach einer Infektion, sagte er gegenüber "Ö1". Wer sich ohne Symptome mit Corona infiziert hat, soll sich vier bis sechs Monate nach dem Drittstich eine weitere Impfung geben lassen.

Die aktuelle Anwendungsempfehlung des NIG liegt derzeit zur Begutachtung im Gesundheitsministerium. Sie soll diese Woche veröffentlicht werden, wann genau, ist noch unklar. (APA)

Alzheimer-Symptome nach Infektion häufiger entdeckt

Eine Corona-Infektion steigert einer dänischen Studie zufolge das Risiko einer Alzheimer-Diagnose in den darauffolgenden zwölf Monaten deutlich. Im Vergleich zu Nicht-Infizierten hatte bei Infizierten 3,5-mal so häufig ein Arzt Alzheimer festgestellt, schreiben Pardis Zarifkar und ihr Team im Fachblatt "Frontiers in Neurology" (https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fneur.2022.904796/full).

Zwei deutsche Experten betonen aber, dass aus ihrer Sicht die Corona-Infektion Alzheimer bei den untersuchten Fällen nicht ausgelöst, sondern lediglich Symptome einer schon bestehenden Erkrankung zutage gefördert hat. Zuvor hatten andere Medien über die Studie berichtet.

Das Team um Zarifkar von der Uniklinik Kopenhagen hatte dänische Gesundheitsdaten ausgewertet und verglichen, wie häufig bestimmte neurodegenerative Erkrankungen im Zeitraum eines Jahres bei Menschen mit und ohne Corona-Infektion auftraten. Dabei stellten sie einen ähnlichen Zusammenhang wie bei Alzheimer auch beispielsweise bei Parkinson und Hirninfarkt fest. Die Forschenden betonen aber, dass bei den meisten untersuchten Erkrankungen - einschließlich Alzheimer - der Effekt nicht größer war als nach einer Grippe oder bakteriellen Lungenentzündungen.

Es ist bereits länger bekannt, dass solche Atemwegserkrankungen zu Entzündungsreaktionen führen, die einen schädigenden Einfluss auf Nervenzellen im Gehirn verstärken können, wie Anja Schneider,

Forschungsgruppenleiterin am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Bonn erklärte. Das in der Studie gezeigte erhöhte Risiko einer Diagnose könnte möglicherweise daran liegen, dass durch eine coronabedingte Entzündungsreaktion die Schädigung von Nervenzellen beschleunigt und Symptome schneller sichtbar werden.

Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), sagte, dass man aus der Studie nicht ableiten könne, dass ein Mensch nach einer Corona-Infektion ein erhöhtes Risiko habe, zu einem späteren Zeitpunkt Alzheimer zu entwickeln. Es sei lediglich gezeigt worden, dass nach einer Infektion häufiger Symptome diagnostiziert werden. Er verweist darauf, dass auch äußere Faktoren - zum Beispiel das Verlieren des gewohnten Umfeldes, weil man in eine Klinik muss - dazu führen können, dass eine bereits bestehende Alzheimer-Erkrankung symptomatisch wird. (APA/dpa)

Covid-19-Impfstoff von Valneva von EU-Kommission zugelassen

Das französisch-österreichische Biotechunternehmen Valneva hat am Freitag, 24.6., die Marktzulassung seines Covid-19-Impfstoffs durch die EU-Kommission bekannt gegeben. Die Kommission folgt damit der gestrigen Empfehlung des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA). Dieser empfahl den Impfstoff zur Verwendung als Erstimpfung bei Menschen von 18 bis 50 Jahren. Die Zustimmung der EU-Kommission galt als Formsache.

In der Europäischen Union ist es damit der sechste zugelassene Covid-19-Impfstoff und der erste sogenannte Totimpfstoff. Das Vakzin enthält das inaktivierte SARS-CoV-2-Virus sowie zwei Wirkverstärker. Valneva hatte erst vor kurzem die Zukunft seines Totimpfstoffs infrage gestellt, nachdem die EU-Kommission angekündigt hatte, den Vorabkaufvertrag für das Vakzin wegen Verzögerungen im Zulassungsprozess möglicherweise zu kündigen.

Bei Valnevas Covid-Vakzin VLA2001 handelt es sich um den einzigen Ganzvirus-Impfstoffkandidaten ("Totimpfstoff"), der in Europa entwickelt wurde. Die Marktzulassung gilt für alle 28 Mitgliedstaaten der EU sowie für Island, Liechtenstein und Norwegen. VLA2001 ist bereits in Großbritannien, Bahrain und in den Vereinigten Arabischen Emiraten zugelassen.

"Nachdem wir jetzt die vollständige Marktzulassung erhalten haben, hoffen wir, dass die Europäische Kommission und ihre Mitgliedstaaten Bestellungen platzieren werden, die diese Nachfrage widerspiegeln", hieß es am Freitag in einem Statement von Thomas Lingelbach, Chief Executive Officer von Valneva. 15 Prozent der Europäer über 18 Jahren seien noch nicht geimpft, man glaube, mit dem inaktivierten Impfstoff könne die Durchimpfungsrate erhöht werden. (APA/Reuters)

Corona-Welle laut Abwasseranalysen größer als Fallzahlen

Dass die derzeitige Corona-Welle immer mehr ansteigt, zeigen die täglichen Neuinfektionszahlen. Doch die Welle ist laut Abwasseranalysen viel größer, als die Fallzahlen wiedergeben. Wie der "Kurier" am Freitag, 24.6., berichtete, zeigen die Daten über die Virenbelastung von Proben aus 108 Kläranlagen, dass die tatsächliche Zahl der Infektionen zumindest eineinhalb Mal so hoch ist wie die der nachgewiesenen Fälle.

"Die Welle ist ganz klar größer, als die Zahlen vermitteln", berichtete der Mikrobiologe Heribert Insam von der Universität Innsbruck. Er ist Projektleiter des SARS-CoV-2 Schulstandortmonitoring Österreich. Dieses wird in 108 Kläranlagen durchgeführt, in deren Einzugsgebiet mehr als 3.000 Schulstandorte liegen. Derzeit testen sich hauptsächlich Menschen, die Symptome haben. "Deshalb zeigen uns die Inzidenzen nicht die Wahrheit, sondern führen derzeit zu einer groben Unterschätzung des Infektionsgeschehens", erläuterte Insam dem "Kurier". Denn auch Infizierte ohne Symptome scheiden Virenfragmente aus, die ins Abwasser gelangen.

Die Belastung des Abwassers mit viraler RNA geht laut dem Experten eindeutig in den Bereich der Delta-Welle im Herbst. Bei Delta gab es aber einen schwereren Erkrankungsverlauf. Die derzeit dominanten Omikron-Subvarianten BA.4/BA.5 sind wiederum infektiöser.

Das Schulmonitoring wird laut "Kurier" mit Ende August beendet, übrig blieben dann nur 24 Kläranlagen im Rahmen der Abwasseruntersuchungen des Gesundheitsministeriums. Isam gab sich aber zuversichtlich, dass es gute Gespräche gebe, dass die Tests weitergeführt werden. (APA)

Xi verteidigt Null-Covid-Strategie Chinas

Der chinesische Präsident Xi Jinping verteidigt trotz hoher wirtschaftlicher Kosten den Null-Covid-Ansatz im Kampf gegen die Pandemie. Die Volksrepublik würde eher vorübergehende negative Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung in Kauf nehmen, als zuzulassen, dass das Leben und die Gesundheit der Menschen Schaden nehmen. China mit seiner großen Bevölkerung hätte "unvorstellbare Konsequenzen" aushalten müssen, wenn eine Strategie des "Stillhaltens" verfolgt worden wäre.

Diese Strategie sei "richtig und wirksam" und solle unbedingt beibehalten werden, zitierte ihn die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua am Mittwoch, 29.6. Xi hatte zuvor die zentral gelegene Stadt Wuhan besucht, wo das Virus Ende 2019 erstmals entdeckt wurde.

China hat in den vergangenen Monaten beispielsweise die Finanzmetropole Shanghai mit ihren mehr als 25 Millionen Einwohnern in einen harten Lockdown geschickt, was zu geschlossenen Fabriken und Geschäften sowie Staus in den Häfen führte. Ökonomen zufolge dürfte die Regierung es deshalb schwer haben, ihr Wachstumsziel zu erreichen. Sie strebt einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes von etwa 5,5 Prozent in diesem Jahr an.

Bei ausländischen Handelspartnern wird die chinesische Corona-Politik kritisch gesehen. So befürchtet der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) schwierige Monate mit anhaltenden Versorgungsengpässen, nicht zuletzt wegen der Probleme in China. Die Volksrepublik ist der mit Abstand wichtigste Handelspartner mit einem Warenaustausch von zuletzt 245 Milliarden Euro im Jahr 2021. (APA/Reuters)

Untersuchung zum Corona-Umgang der britischen Regierung

Nach erheblichem Druck von Angehörigen von Corona-Toten soll nun eine unabhängige Untersuchung des Umgangs der britischen Regierung mit der Pandemie beginnen. Das kündigte Premierminister Boris Johnson am Dienstag, 28.6., in einem schriftlichen Statement an. Die Organisation "Covid-19 Bereaved Families for Justice", in der sich die Angehörigen zusammengeschlossen haben, hatte vor wenigen Tagen mit einer Klage gedroht, weil die Aufarbeitung bisher nicht begonnen hatte.

Johnson hatte bereits im vergangenen Jahr einer solchen Untersuchung zugestimmt. Entsprechende Forderungen gab es schon deutlich früher.

Am Themse-Ufer gegenüber dem britischen Parlament haben die Hinterbliebenen der britischen Corona-Todesopfer auf eine kilometerlange Mauer Tausende rote Herzen in Gedenken an die Gestorbenen gemalt. Der offiziellen Statistik zufolge sind im Vereinigten Königreich bereits fast 200.000 Menschen gestorben, bei denen Covid-19 auf dem Totenschein verzeichnet ist. Die Dunkelziffer dürfte höher liegen.

Die britische Regierung in London hatte sich während der Hochphase der Pandemie schwere Vorwürfe gefallen lassen müssen, weil sie nur zögerlich Lockdown-Maßnahmen verhängt und es an Schutzausrüstung und Beatmungsgeräten gemangelt hatte. Die Impfkampagne gilt jedoch als Erfolg.

"Covid-19 Bereaved Families for Justice" begrüßte die Ankündigung, kritisierte aber die lange Verzögerung und den Zeitpunkt kurz nach der Androhung rechtlicher Schritte. Es sei wichtig, nun endlich aus den Fehlern lernen zu können, schrieb die Organisation auf Twitter. (APA/dpa)