17. Juli 2015

Mikrosakkaden: Augen überwachen Umgebung

Auch wenn jemand seine Aufmerksamkeit auf einen Punkt fokussiert, überwachen die Augen mit winzigen Bewegungen die Umgebung.

(c) Physiology of Active Vision Laboratory
Scanning and fixational eye movements.
(c) Physiology of Active Vision Laboratory

Neurologen am Werner Reichardt Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN) und am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH) der Universität Tübingen versuchten dahinterzukommen, welche Auswirkungen unbewusste Aktivitäten auf die Kontrolle visueller Eindrücke im Gehirn haben, denn bislang war nicht klar, weshalb das Auge ständig winzige Korrekturen der Blickrichtung ausführt.

Die Wissenschaftler entdeckten schließlich einen engen Zusammenhang zwischen winzigen Augenbewegungen und der Konzentration von Aufmerksamkeit.

Da das menschliche Auge nur in einem kleinen Teilbereich des Gesichtsfelds wirklich scharf sieht, richten drei- bis fünfmal pro Sekunde auftretende Sakkaden den Blick auf verschiedene, interessant scheinende Punkte, aus denen das Gehirn ein geschlossenes Bild zusammensetzt.

Mikrosakkaden

Den Tübinger Forschern zufolge macht das Gehirn beim Fokussieren auf einen Punkt starken Gebrauch von Mikrosakkaden, kaum wahrnehmbar winzigen Augenbewegungen, die nur Bruchteile eines Grades messen – statt alle Augenbewegungen zu unterdrücken. Diese lenken die Aufmerksamkeit auf Sinnesreize in der Peripherie und werden nicht bewusst wahrgenommen. Dennoch bleibt sich das Gehirn der Umgebung bewusst. Daraus schließen die Neurowissenschaftler, dass Menschen über diesen Mechanismus auch bei konzentriertem Blick auf alles reagieren können, was im erweiterten Gesichtsfeld passiert.

Anders als bei normalen Sakkaden wird der Blick bei Mikrosakkaden nicht auf einen neuen Gegenstand oder Teile davon gerichtet. Die Blickrichtung wird lediglich leicht nachjustiert, sodass der Effekt beinahe vernachlässigbar erscheint. Mikrosakkaden folgen einem erkennbaren, schnellen Rhythmus, und heben auch Punkte hervor, die vom Fokus des Blicks weit entfernt sind. Dieser Mechanismus erlaubt es dem Gehirn, ein „Auge“ auf die Umgebung zu haben, selbst wenn die eigentlichen Augen beschäftigt sind. So behalten wir unsere Umwelt im Blick, werden vor Gefahren gewarnt und können unsere aktive Wahrnehmung schnell auf alles richten, was geschieht.

Ziad Hafed und sein Team konnten unmittelbar vor dem Einsetzen jeder Mikrosakkade einen Anstieg von Nervenaktivität nachweisen, was auf gesteigerte Aufmerksamkeit schließen lässt.

Chih-Yang Chen, Alla Ignashchenkova, Peter Thier, Ziad M. Hafed
Neuronal Response Gain Enhancement Prior to Microsaccades
Current Biology, Published online 2015, July 16, DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.cub.2015.06.022

Quelle: Universität Tübingen