22. Juni 2015

Europäischer Neurologiekongress in Berlin

Beim 1. Kongress der European Academy of Neurology (EAN) diskutieren von 20. bis 23. Juni 6.230 Neurologen in der Messe Berlin neueste Entwicklungen ihres Fachgebiets.

1st Congress of the European Academy of Neurology, Berlin 2015
Von 20. bis 23. Juni findet in Berlin Europäische Neurologiekongress statt. Die EAN entstand im Vorjahr durch eine Zusammenführung der beiden europäischen neurologischen Fachgesellschaften, der European Federation of Neurological Societies (EFNS) und der European Neurological Society (ENS).
Günther Deuschl
Günther Deuschl

Da mittlerweile mehr als 220 Millionen Menschen in Europa an einer neurologischen Erkrankung leiden und viele der Erkrankungen wie Schlaganfall, Parkinson oder Alzheimer in einer alternden Gesellschaft massiv zunehmen werden, appellierte der Präsident der European Academy of Neurology (EAN), Prof. Günther Deuschl vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, beim Europäischen Neurologiekongress in Berlin an die Gesundheitspolitik, der Neurologie endlich die Priorität zukommen zu lassen, die ihrer Bedeutung angemessen sei. Es sei das Gebot der Stunde, europaweit ausreichend Therapie- und Forschungsressourcen sicherzustellen, so Deuschl.

Dem EAN-Präsidenten zufolge habe ein Drittel der Bevölkerung zumindest einmal im Leben Kontakt mit einem Neurologen. Daten des European Brain Council würden belegen, dass 220,7 Millionen Menschen in Europa an zumindestens einer neurologischen Erkrankung Erkrankung leiden. Diese große Patientenanzahl werrde im EU-Raum von rund 25.000 Neurologen betreut, die geographisch allerdings ungleich verteilt seien: Je nach Land kämen zwischen vier und 13 Neurologen auf 100.000 Einwohner. Deuschl zufolge reiche die Neurologendichte schon jetzt kaum aus und werde perspektivisch – vor allem bedingt durch die Alterskomponente vieler neurologischer Erkrankungen – immer mehr zum Problem.

Neurologie auf Hochgeschwindigkeitskurs

Die Neurologie sei ein Fach auf Hochgeschwindigkeitskurs, erklärte der EAN-Präsident. Denn kaum ein anderes Fachgebiet entwickle sich in einem derart rasanten Tempo. Vor allem die große Zahl der Subdisziplinen würden zu diesem Fortschritt beitragen. Die Neurologie nehme die wachsende Herausforderung ernst und entwickle immer mehr präventive, diagnostische, therapeutische und rehabilitative Antworten, do Deuschl.

Investition in neurologische Forschung und Neurowissenschaften

Europa sei aufgefordert, im Bereich der neurologischen Erkrankungen mehr zu unternehmen. Ein erster wichtiger Schritt wäre es, einen angemessenen Anteil der rund acht Milliarden Euro, die im Rahmen des EU-Programms “Horizon 2020” für medizinische Forschung zur Verfügung stehen, in neurologische Forschung und Neurowissenschaften zu investieren. Eine ausreichende Dotierung der Neurologie sei nicht zuletzt schon deshalb indiziert, da viele neurologische Erkrankungen zu großem menschlichen Leid und zu einer Beeinträchtigung der Unabhängigkeit, nicht zuletzt durch Behinderung und Pflegebedürftigkeit, und dadurch auch zu enormen volkswirtschaftlichen Kosten führen würden.

Kosten neurologischer Erkrankungen

Die direkten und indirekten Kosten neurologischer Erkrankungen beliefen sich auf mehr als 336 Milliarden Euro pro Jahr. Davon entfielen 105 Milliarden Euro auf Demenzerkrankungen, gefolgt von Schlaganfällen mit 64 Milliarden und Kopfschmerzen mit 43 Milliarden Euro. 122 Milliarden Euro entfielen jeweils auf Behandlungs- und direkte nichtmedizinische Kosten, 93 Milliarden auf indirekte Kosten, die beispielsweise durch Krankenstände und Frühpensionierungen entstehen.

Gemessen in “Disability Adjusted Life Years” (DALYs), der Zahl verlorener Lebensjahre durch vorzeitigen Tod, kombiniert mit dem Verlust an Lebenszeit durch Behinderung, seien neurologische Erkrankungen ein erheblicher Faktor. 2,2 Millionen DALYs in den Ländern der EU-27 gingen auf das Konto von Demenzerkrankungen, 1,6 Millionen seien durch Schlaganfälle verursacht, 640.000 durch Parkinson und 260.000 durch Epilepsie. Die WHO prognostiozierte, dass die DALYs aufgrund neurologischer Krankheiten weltweit von 95 Millionen im Jahr 2015 auf 103 Millionen bis zum Jahr 2030 ansteigen werden. Für die Steigerung seien vor allem Morbus Alzheimer und andere demenzielle Erkrankungen (plus 37 Prozent) oder zerebrovaskuläre Erkrankungen (plus 13 Prozent) verantwortlich.

EAN koordiniert Forschung und Versorgung

6230 Teilnehmer registrierten sich ebim Kongress der European Academy of Neurology
6.230 Teilnehmer registrierten sich beim Kongress der European Academy of Neurology

Da die europäischen Gesundheitssysteme zunehmend harmonisiert werden, könne die neue European Academy of Neurology einen wichtigen Beitrag zur hochwertigen neurologischen Versorgung in Europa leisten, so der EAN-Präsident. Die euopäische Neurologengesellschaft sorge für eine Koordination in der neurologischen Praxis, Aus- und Fortbildung und die Definition von einheitlichen diagnostischen und therapeutischen Standards, darüber hinaus habe die EAN auch großes Potenzial, was die Förderung von Wissenschaft und Forschung in der Neurologie und der Neurowissenschaften im Allgemeinen betreffe.

Der Zusammenschluss der beiden europäischen Fachgesellschaften zur EAN habe laut Deischl die europäische Neurologie in eine Pole-Position befördert: “Gemeinsam wird es uns noch besser gelingen, die wichtigen Aufgaben in Angriff zu nehmen. Wir bieten einen Rahmen, um alle Subfächer der Neurologie unter einem Dach zusammenzufassen und die gemeinsamen Anliegen zu vertreten. So ziehen alle Spezialisten an einem neurologischen Strang.“

>> 1st Congress of the European Academy of Neurology, Berlin 2015