5. März 2018

Auch unauffällige Infarkte sind gefährlich

MRT-Studien weisen auf eine hohe Zahl subklinisch verlaufender und undiagnostizierter Myokardinfarkte hin. Gefährlich sind diese Ereignisse dennoch: Die Mortalität entspricht über zehn Jahre jener nach einem diagnostizierten Infarkt. (Medical Tribune 08/18) 

In Barcelona fand Anfang Februar das von der Europäischen Kardiologengesellschaft ESC veranstaltete CMR/ SCMR* Meeting zu neuen Entwicklungen in der kardialen Bildgebung statt. Die kardiale MRT kann relevante diagnostische Informationen zum Zustand des Herzens liefern. Vieles davon könnte schon in naher Zukunft den klinischen Alltag verändern. So weist eine im Rahmen des Kongresses präsentierte Studie auf die Bedeutung unerkannter, also gewissermaßen subklinischer Myokardinfarkte hin, die in klinischen Untersuchungen nicht auffallen, sondern nur mit dem EKG oder, noch zuverlässiger, mittels MRT entdeckt werden. Dennoch haben solche Ereignisse (unrecognized myocardial infarction, UMI) langfristig keine günstige Prognose, wie eine im Rahmen des Kongresses präsentierte Auswertung der ICELAND-MI-Studie zeigt. ICELAND MI ist eine Kohorten-Substudie der „Age, Gene/Environment Susceptibility–Reykjavik Study“, die ihre Probanden in den Jahren 2004 bis 2007 rekrutierte. Ziel von ICELAND MI war die Diagnose von UMI mittels EKG oder kardialer MRT (CMR).

MRT findet dreimal mehr subklinische MIs

Die ersten Ergebnisse dieser Studien wurden 2012 prominent publiziert.1 Sie zeigten, wie häufig UMI in der klinischen Realität sind. Von den 936 Teilnehmern hatten 91 einen bekannten Infarkt in der Anamnese. Mittels CMR wurden jedoch 157 zuvor unentdeckte Infarkte gefunden. Damit erwies sich die Bildung im Vergleich zum EKG als überlegen, das lediglich 46 UMI entdeckte. Die mittels MRT, nicht jedoch mit dem EKG diagnostizierten Infarkte waren bei diabetischen Teilnehmern besonders häufig. Die Studie zeigte weiters, dass die Prognose eines unentdeckten Infarktes nicht besser war als die eines entdeckten, dass Patienten mit nicht-entdeckten Infarkten jedoch seltener kardiologische Medikamente einnahmen. Im Rahmen des CMR/SCMR-Meetings wurden nun die Zehn-Jahres-Ergebnisse aus ICELAND MI präsentiert.2 Sie bestätigen das Bild der ersten Publikation: Entdeckte und nicht-entdeckte Myokardinfarkte sind auch langfristig mit einer vergleichbar hohen Mortalität assoziiert. Nach zehn Jahren lagen die Mortalitätsraten bei Patienten mit erkanntem bzw. mit nicht-erkanntem Myokardinfarkt bei 49 bzw. 51 Prozent und damit deutlich höher als bei den Studienteilnehmern ohne Myokardinfarkt, von denen (aufgrund des hohen Alters der Kohorte) 30 Prozent verstorben waren.

Motivation zur Lebensstiländerung

„Wir sehen nun, dass die Mortalität der Patienten mit subklinischem Myokardinfarkt ansteigt und langfristig jener nach einem klinisch auffälligen Infarkt entspricht“, kommentierte Studienautor Dr. Tushar Acharya vom National Heart, Lung, and Blood Institute, National Institutes of Health, Bethesda, US. Das ist klinisch relevant, denn „Patienten mit undiagnostiziertem Infarkt erhalten in der Regel nicht die gleiche Therapie wie Patienten nach einem diagnostizierten Infarkt. Das betrifft Aspirin, hochwirksame Statine, ACE-Inhibitoren und Betablocker. Sie werden auch nicht im selben Maß angehalten, Risikofaktoren wie Hypertonie oder Diabetes zu kontrollieren. Des Weiteren ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie eine Revaskularisierung erhalten. Und nicht zuletzt wirkt das Wissen um einen Infarkt auf viele Patienten motivierend und bringt sie dazu, ihren Lebensstil zu verändern.“ Damit stelle sich die Frage nach dem Stellenwert der MRT in der kardiologischen Diagnostik. Acharya sieht MRT-Screening zwar nicht als kosteneffektiv an, rät jedoch zu einem großzügigeren Einsatz bei Verdacht oder bei Risikopersonen: „Wenn wir MRT bei symptomatischen Patienten einsetzen, könnten wir vermutlich viele zusätzliche Infarkte erkennen. Wir haben heute gute therapeutische Optionen, also sollten wir die Chance der frühen und korrekten Diagnose nützen.“

MR-Angiographie trotz Klaustrophobie

Ein Problem beim Einsatz kardialer MRT liegt jedoch im Prozedere: Personen, die unter Klaustrophobie leiden, ertragen längere Untersuchungszeiten im Scanner, wie sie beispielsweise für eine MR-Angiographie (MRA) erforderlich sind, nur schlecht. Die Untersuchungszeiten liegen bei der MRA zwischen 30 Minuten und einer Stunde. „So lange Untersuchungszeiten sind selbst für Patienten mit minimaler Klaustrophobie ein Problem. Das führt dazu, dass die Untersuchung abgelehnt wird oder abgebrochen werden muss“, sagt dazu Dr. Puja Shahrouki von der David Geffen School of Medicine an der University of California, Los Angeles. Die Lösung könnte in einem neuen Kontrastmittel liegen, das das etablierte Gadolinium ersetzt. Eine an der UCLA durchgeführte Studie3 zeigt, dass Ferumoxytol die Untersuchungszeit so weit verkürzen kann, dass sie für klaustrophobe Patienten akzeptabel wird. Der Vorteil von Ferumoxytol liegt in einer längeren Verweildauer im Gefäßsystem, die das Protokoll insgesamt einfacher macht. Im Gegensatz dazu entfällt beim Standard-Protokoll die meiste Zeit im Scanner auf Wartezeit, weil das Kontrastmittel an den Zielort gelangen muss und dort jeweils nur kurz verfügbar bleibt.

Ferumoxytol ist in den USA zugelassen und wird bei niereninsuffizienten Patienten als Alternative zu Gadolinium eingesetzt. Hypersensitivitätsreaktionen wurden beschrieben, weshalb das MRA-Protokoll auf einer langsamen Infusion außerhalb des Scanners unter Überwachung beruht. Die Autoren betonen allerdings, dass zusätzliche Sicherheitsdaten generiert werden müssen, bevor diese Methode Einzug in den klinischen Alltag finden kann. In der in Barcelona präsentierten Studie erwies sie sich jedenfalls als erfolgreich. Bei sieben klaustrophoben Patienten konnten alle erforderlichen MRA-Scans durchgeführt werden. Die Untersuchungszeiten lagen zwischen vier und zehn Minuten. Die Qualität der generierten Bilder entsprach zumindest jener, die in den üblichen Scans mit Gadolinium als Kontrastmittel erreicht wird. Shahrouki: „Diese Ergebnisse sind klinisch relevant. Unser Protokoll ermöglicht es klaustrophoben Menschen, wichtige Untersuchungen durchführen zu lassen, die bislang für sie unerträglich waren. Darüber hinaus ist die Verkürzung der Untersuchungszeiten aber auch wünschenswert, weil sie zudem das Potenzial hat, Wartelisten abzubauen und das Kosten-Nutzen-Verhältnis der MR-Angiographie zu verbessern.“

* Societ y for Cardiovascular Magnetic Resonance

Referenzen:
1 Schelber t EB et al. Prevalence and Prognosis of Unrecognized Myocardial Infarction Determined by Cardiac Magnetic Resonance in Older Adults. JAMA. 2012; 308(9): 890-96
2 Achar ya T et al. Long-term outcomes of unrecognized myocardial infarction in the elderly – Findings from the ICELAND MI study. CMR/SCMR 2018; ID#: 371604
3 Shahrouki P et al. Focused, Whole Body Vascular MR Imaging in Less than Five Minutes with Ferumoxy tol. CMR/SCMR 2018; ID#: 378380

CMR 2018 – A Joint EuroCMR/SCMR Meeting; Barcelona, 31. Jänner – 2. Februar 2018

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune