25. Juni 2020Aufruf an COVID-19-Genesene

Rekonvaleszenten-Blut ist ein ganz besonderer Saft

Arm des Blutspenders, der büscheligen Ball drückt. Blutspende.

Die Ärztekammer startet eine bundesweite Aufklärungsaktion zur passiven Immunisierung von COVID-19-Erkrankten und ruft ehemalige Corona-Patienten zur Spende von Rekonvaleszenten-Plasma auf. Idealerweise sollen die Genesenen 28 Tage nach Ende der klinischen Symptome spenden. Gesucht werden insbesondere auch Männer mit stattgehabten hoch fieberhaften Krankheitsverläufen, gerade Ärzte könnten hier bei der Suche helfen. Möglich sind die Spenden unter anderem beim Roten Kreuz, am AKH Wien und anderen MedUnis sowie etwa in Plasmapherese-Instituten im Rahmen der „CoVIg-19 Plasma Alliance“ zur Entwicklung von COVID-19-Therapien.

Die Idee stammt zwar nicht aus der Zeit Goethes mit seinem berühmten Blutsaft-Sager des Mephistopheles in der Tragödie erster Teil, ist aber dennoch mehr als hundert Jahre alt: Der deutsche Mediziner, Immunologe und Serologe Emil von Behring begründete die passive antitoxische Schutzimpfung und hat das Blut von Überlebenden erfolgreich gegen Diphtherie und Tetanus eingesetzt, was ihm 1901 den Nobelpreis bescherte.

„Durch neuere spezifische Therapien und aktive Immunisierung ist diese Strategie jedoch in den letzten Jahrzehnten in den Hintergrund geraten“, sagt ao. Univ.-Prof. Dr. Dieter Schwartz, Universitätsklinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin, MedUni Wien, am 22.06.2020 bei der Präsentation der Aufklärungsaktion der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK).

Pandemiepläne überarbeiten

Diese Strategie, die unter Umständen den wesentlichen Vorteil habe, sehr frühzeitig anwendbar zu sein, sei in den weltweit abgestimmten Pandemieplänen „offensichtlich“ nicht berücksichtigt worden, konstatiert Schwartz, der auch ÖÄK-Bundesfachgruppenobmann für Transfusionsmedizin ist. Daher sei zu fordern, die Pandemiepläne dahingehend zu überarbeiten, „dass im Falle eines Wiederaufflammens oder einer weiteren Pandemie durch einen neuen Erreger Rekonvaleszenten-Plasma möglichst frühzeitig und länderübergreifend zur Anwendung kommen kann.

In Österreich ergreift nun die ÖÄK die Initiative und startet eine bundesweite Aufklärungsaktion in Kooperation mit dem ORF. Im Fernsehen und Radio weist Aufklärer Dr. Peter Resetarits, bestens bekannt vom „Schauplatz Gericht“ und als „Bürgeranwalt“, auf die Blutplasmaspenden hin – kostenfrei. Die Botschaft von ÖÄK-Präsident ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres dazu: In Österreich sind derzeit mehr als 16.000 Menschen von COVID-19 genesen, „diese Menschen können einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, Leben zu retten“.

Appell an Ärzte: Patienten über Plasmaspende informieren

Es sei wichtig, Patienten zu informieren, unterstreicht Szekeres gegenüber medonline, auch dann, wenn diese nicht selbst erkrankt waren, aber womöglich jemanden kennen, der von COVID-19 genesen ist. Gerade jetzt, wo Vorsorge-, Nachsorge- und Routineuntersuchungen wieder wie gewohnt durchgeführt würden, steige wieder der Patientenkontakt: „Nutzen Sie das Gespräch mit Ihren Patientinnen und Patienten, um über die Möglichkeit einer Plasmaspende zu informieren“, wendet sich der ÖÄK-Präsident speziell an die Ärzte.

Die Verbreitung dieser Information könne helfen, für eine mögliche nächste Welle noch besser gerüstet zu sein. „Solange wir keine anderen Therapiemöglichkeiten haben, bleibt uns nur die Plasmaspende als gezielte Therapieoption für Patientinnen und Patienten, die besonders schwer an COVID-19 erkrankt sind. Besonders Ärztinnen und Ärzte können hier als Multiplikatoren agieren und so maßgeblich zur Information beitragen“, betont Szekeres.

COVID-19-Genesene sollten idealerweise 28 Tage nach Ende der klinischen Symptomatik spenden, da dann die gebildeten Antikörper qualitativ und quantitativ am hochwertigsten seien, hieß es auf der Pressekonferenz. COVID-19-Erkrankte wiederum sollten das Rekonvaleszenten-Plasma so frühzeitig wie möglich erhalten, um eine weitere Virusvermehrung einzudämmen und den Krankheitsverlauf zu verkürzen.

Fallberichte aus China und Italien, offene Fragen

Auch im Rahmen des letzten Ebola-Ausbruchs sei Plasma von Überlebenden zum Teil erfolgreich angewendet worden. „Die Logik hinter dieser Therapieform ist nachvollziehbar und berechtigt zur Annahme, dass der Einsatz von sogenanntem ‚convalescent plasma‘ auch in der COVID-19-Erkrankung eine positive (heilende) Wirkung hat“, sagt Ass.-Prof. Dr. Gerda Leitner, Interimistische Klinikleitung, Universitätsklinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin, MedUni Wien.

Fallberichte aus China und Italien würden diesen Rückschluss zulassen, fährt Leitner fort. Mittlerweile gebe es validierte Antikörper-Tests, auch sei die Anwendung von Plasma vielfach erprobt und gelte als sicher, da es in vielen Indikationen eingesetzt wird. Eventuell auftretende Nebenwirkungen seien gut beherrschbar, weiß Leitner, „auch die Spende ist Routine und stellt für den Spender kein Risiko dar“. Eine Herausforderung gebe es aber schon: Sowohl die wirksame Konzentration an Antikörpern als auch die Art der Antikörper, z.B. neutralisierende Antikörper, bzw. das Kombinationsmuster seien noch unbekannt.

EU-weite Database, in Österreich bisher rund 35 Patienten behandelt

„Diesbezüglich gibt es eine EU-weite Database, die unter anderem Details der Plasmasammlungen und Bearbeitungen sowie die Transfusionen und das Outcome der Patientinnen und Patienten sammelt und so konsistente Aussagen über diese Therapieform und auch Antworten auf die offenen Fragen ermöglicht“, informiert Leitner. Notwendig seien auch groß angelegte randomisierte multizentrische Studien zur Therapieoptimierung hinsichtlich Plasmaspezifikation sowie Frequenz und Intervall der Behandlung.

Bis dato hätten sich einige hundert Menschen für diese besondere Spende gemeldet, informiert Dr. Christof Jungbauer, Medizinische Leitung der Blutspendezentrale für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Österreichisches Rotes Kreuz (ÖRK), die Blutplasma von COVID-19-Genesenen, die schwer erkrankt waren, sammelt. „Mit dem Plasma konnten in etwa 35 schwerstkranke Personen in Österreich behandelt werden“, berichtet Jungbauer. Nun sei es wichtig, auch für eine zweite Welle vorbereitet zu sein und den Ärzten in den Spitälern dieses Produkt „unmittelbar“ für die Therapie Schwererkrankter zur Verfügung zu stellen.

„Wir brauchen jetzt insbesondere noch Spender, die hoch fieberhafte Krankheitsverläufe hatten“, betont Jungbauer, da diese große Mengen an Antikörpern bilden. Außerdem rufe man besonders Männer auf zu spenden sowie Frauen, die noch nie schwanger waren. Als Grund nennt er den Umstand, dass Frauen im Rahmen von Schwangerschaften zusätzliche Antikörper bilden, die in bestimmten Fällen für Plasmaempfänger unverträglich sein können.

Spende dauert weniger als eine Stunde

Und so funktioniert die Spende beim ÖRK: Nach der Anmeldung beim ÖRK-Blutspendedienst (0800/190190) ist eine Voruntersuchung notwendig, die Spende selber dauert dann eine knappe Stunde: Via Zellseparatoren wird aus dem Blut das Plasma mit den darin enthaltenen Antikörpern gesammelt und die restlichen Blutbestandteile wieder zurück in die Armvene geleitet. Die Spende per Zellseparator sei nur an Blutspende-Fixstandorten, wie etwa der Blutspendezentrale im 4. Wiener Gemeindebezirk, möglich, informiert Jungbauer. Bei mobilen Blutspendeaktionen könnten COVID-19-Genesene aber auch Vollblut spenden (ebenfalls mit Anmeldung unter 0800/190190). Zudem besteht auch die Möglichkeit, an den Transfusionsmedizinischen Instituten der Medizinischen Universitäten Wien (AKH Wien: 01/40400-53030), Graz, Salzburg und Innsbruck oder bei Plasmapherese-Instituten wie z.B. Takeda (BioLife Plasmazentrum: 01/120 609 2538, plasmaspende@takeda.com, siehe auch Kasten) Rekonvaleszenten-Plasma zu spenden.

Die CoVIg-19 Plasma Alliance

Rekonvaleszenten-Plasma kann sowohl für eine direkte Transfusion zur Behandlung schwer erkrankter COVID-19-Patienten als auch zur Herstellung eines potenziellen Arzneimittels verwendet werden. Die “CoVIg-19 Plasma Alliance” entwickelt ein hyperimmunes Globulin (H-Ig) namens CoVIg-19.

Dazu erläutert Dr. Matthias Gessner, Head of Biolife EU Operations, Takeda, auf Nachfrage von medonline:
„Es ist ermutigend zu sehen, dass Organisationen, die Plasma sammeln, zusammenarbeiten, um die Spende von COVID-19-Genesenen zu fördern und die Entwicklung potenzieller Behandlungen zur Bekämpfung von COVID-19 zu ermöglichen. Wir leben in beispiellosen Zeiten. Durch Zusammenarbeit und das Zurückstellen individueller Interessen schaffen wir die Möglichkeit, die Entwicklung von Behandlungen schneller und möglicherweise in größerem Umfang voranzutreiben. Wir setzen uns nach Kräften für eine Partnerschaft ein, wo immer dies möglich ist, und begrüßen alle diesbezüglichen Bemühungen.

Das Handeln im besten Interesse der öffentlichen Gesundheit war auch der Hauptgrund für Takedas Entscheidung, die CoVIg19-Plasma-Allianz mit neun anderen Plasmaunternehmen zu gründen, anstatt separate Programme zu verfolgen. Da alle Mitgliedsunternehmen Plasma für ein einziges Entwicklungsprogramm sammeln, erhöhen wir die Spendemöglichkeiten in Österreich, den USA und in anderen europäischen Ländern erheblich. Dies wird durch eine gemeinsame Website und gemeinsame Sensibilisierungsaktivitäten unterstützt.“