23. Sept. 2016Harninkontinenz

Wieder trocken durch Toilettentraining

Bei den verhaltenstherapeutischen Interventionen für geriatrische Patienten mit Harninkontinenz steht das Toilettentraining an erster Stelle. Dazu gehören:

Frau drückt ihre Hände auf den Unterleib
iStock/Dmitriy Sidor
  • festgelegte Entleerungszeiten
  • individuelle Entleerungszeiten
  • angebotener Toilettengang
  • Blasentraining

Angestrebt werden die wiedererlangte Kontinenz und normale oder verbesserte Entleerungsmuster. Das Toilettentraining eignet sich vor allem für Patienten mit überaktiver Blase oder Mischinkontinenz. Bei Überlaufblase oder extraurethraler Inkontinenz ist es kontraindiziert.

Zwar kann man das Training bei jedem Schweregrad der Inkontinenz versuchen, die Erfolgsaussichten liegen aber umso höher, je geringer sich die Störung präsentiert. Zudem brauchen die Patienten gewisse Kommunikations- und kognitive Fähigkeiten, um die Intervention zu verstehen.

Diese Maßnahmen sind in der praktischen Umsetzung personal- und zeitintensiv, was hohe Anforderungen an die Pflegekräfte stellt. Ganz wichtig: Den Erfolg der Maßnahmen regelmäßig kontrollieren. Bleibt der Effekt aus, sollte man die Therapie beenden oder umstellen. Leider gibt es zu dem Training insgesamt nur wenige Untersuchungen.

Biofeedback-Methoden wohl ohne Extranutzen

Zur Kräftigung des Beckenbodens und damit zur Reduktion der Inkontinenzsymptome kommen physiotherapeutische Verfahren zur Anwendung. Vor allem bei Belastungs- oder gemischter Inkontinenz wird häufig ein Beckenbodentraining angeboten. Frauen mit alleiniger Belastungsinkontinenz scheinen einer Cochrane-Analyse zufolge besonders zu profitieren. Obwohl insgesamt recht wenige Daten existieren, schätzen Therapeuten wie Patienten die fehlenden Nebenwirkungen. Biofeedbackmethoden, die den Betroffenen Information zur eigenen Beckenbodenaktivität vermitteln, bringen als Zusatz wohl keinen Extranutzen.

Bei Frauen verwendet man zudem Vaginalkonen zur Stärkung des Beckenbodens. Die Einsatzmöglichkeiten hängen aber von der Scheidenanatomie und dem manuellen Geschick der Patientin ab. Zudem zeigten Studien – wenn überhaupt – lediglich einen Einfluss auf subjektive Parameter.

Für Patienten, die ein aktives Beckenbodentraining nicht leisten können, kommt evtl. die passive Elektrostimulation infrage. Allerdings müssen die Bedingungen für eine Eigen- oder Fremdbehandlung vorliegen, d.h. geeignete Schleimhautverhältnisse – und die Frau sollte die vaginalen Manipulationen durchführen können bzw. dulden. Aufgrund fehlender Daten geben die Experten weder zu Magnetstimulationstherapien noch zur Akupunktur Empfehlungen ab.

Nicht mehr als zwei Tassen Kaffee pro Tag!

Die Gewichtsreduktion als eine weitere Interventionen zur Therapie der Harninkontinenz ist bei geria­trischen Patienten nicht speziell untersucht. Studiendaten weisen darauf hin, dass sie wohl eher bei jüngeren, sehr dicken Frauen Erfolg verspricht. Daher wird die Gewichtsabnahme als Therapie für diese Patientengruppe auch empfohlen. Auch einen hohen Kaffeekonsum bringen Forscher mit unwillkürlichem Urinverlust in Verbindung.

Allerdings gibt es dazu widersprüchliche Daten. Bei sehr hohem Koffeingenuss (über 200 mg/Tag, entsprechend 2 Tassen) könnte ein Zusammenhang zwischen Inkontinenz und Drangsymptomen bestehen. Daher raten die Leitlinienautoren nur zur Reduktion, wenn Patienten mit überaktiver Blase mehr als zwei Tassen Kaffee pro Tag trinken.

Rauchen scheint keinen generellen Einfluss auf die Harninkontinenz zu haben, dennoch sollte man im Einzelfall über einen möglichen Zusammenhang mit dem Patienten sprechen.

Toilettensitz erhöhen und Haltegriffe anbringen

Beim Einsatz schnell wirkender Schleifendiuretika wäre eine Assoziation zur Drangsymptomatik denkbar, daher raten die Autoren zu Substanzen in Retardform. Auch sollte die Medikation an die individuellen Miktionsmuster des Patienten angepasst werden. Besteht parallel eine Obstipation, empfiehlt sich flankierend die Stuhlregula­tion.

Die Optimierung der Umgebung heben die Experten als sinnvolle Maßnahme hervor. Sie umfasst eine Toilettensitzerhöhung und Haltegriffe im Bad, den Einsatz von Toilettenstuhl oder Urinflaschen sowie Gehhilfen, die Entfernung von Stolperfallen, die ausreichende Beleuchtung der Sanitärräume und die Anpassung der Kleidung des Patienten.

Für die Zufriedenheit der Patienten besonders wichtig ist die passagere oder auch dauerhafte Versorgung mit Inkontinenzhilfsmitteln (s. Kasten). Im geriatrischen Inkontinenzmanagement haben sie einen hohen Stellenwert, auch wenn es dazu kaum Daten gibt.

Quelle: Becher K et al. AWMF Leitlinie 2016; Nr. 084/001