13. Nov. 2013Harnsteinpatienten

Stummer Nierenstein: Wie viel Therapie ist nötig?

Nachdem die Inzidenz von Harnsteinen in den Jahren 1984 bis 2000 deutlich angestiegen war, ist sie jetzt offensichtlich wieder gesunken berichtete Dr. Michael Straub von der Urologischen Klinik am Klinikum rechts der Isar in München. Eine aktuelle Studie (INFAS) zum Auftreten von Harnsteinen ergab: Die Inzidenz liegt wieder auf dem Niveau von 1984, auch die Prävalenz hat tendenziell abgenommen.

Röntgenbild eines Patienten mit Nierensteine
iStock/Sopone Nawoot

Ein Viertel der Harnsteinpatienten entwickeln Rezidive

Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung, bei der 10 000 Personen befragt worden waren: Etwa ein Viertel der Harnsteinpatienten entwickelt Rezidive – oft mehrmals und häufig schon im ersten Jahr. Bei der großen Mehrheit (70 %) liegt keine positive Familienanamnese vor.

In etwa 50 % der Fälle gingen die Harnsteine von allein ab, so die Resultate der Untersuchung. Bei etwa einem Drittel der übrigen Patienten erfolgte eine extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL) und jeder vierte absolvierte eine Ureterorenoskopie (URS).

Harnsteine mit Lebensstil-Veränderungen vorbeugen

Eine Harnsteinprophylaxe führten 48 % der Patienten durch. Dabei handelte es sich meist um Allgemeinmaßnahmen, etwa Erhöhung der Trinkmenge, Ernährung und Bewegung. Nur 8,6 % der Betroffenen nahmen entsprechende Metaphylaxe-Medikamente ein, doch etwa 25 % hätten diese benötigt.

Wenn Nierenkoliken schmerzhaft sind, zwingt oft schon die Symptomatik zum Handeln. Aber wie sollte man bei asymptomatischen Steinleiden vorgehen? Diese Konkremente werden häufig zufällig sonographisch entdeckt. Eine generelle Indikation zur Entfernung symptomloser Nierensteine gibt es nicht, betonte der Urologe Professor Dr. Dirk Fahlenkamp von den Zeisigwaldkliniken Bethanien in Chemnitz.

Als Vorgehen bietet sich „watchful waiting“ an. Dabei sollte eine regelmäßige urologische Überwachung erfolgen. Diese umfasst Harnwegsinfektionen, Nierenfunktionseinschränkungen und Harntransportstörungen. Außerdem achtet man auf Steinwachstum und Hämaturie und erfragt subjektive Symptome wie Schmerzen und Koliken. Auch prophylaktische Maßnahmen sind wichtig: Trinkmenge erhöhen, Übergewicht vermeiden und regelmäßig bewegen!

Regelmäßige Kontrolle statt Ureterabriss

Zu bedenken ist zudem, dass auch die heute möglichen, mit geringer Invasivität verbundenen Verfahren wie ESWL, perkutane Nephrolitholapaxie (PNL) oder URS nicht frei von Komplikationen sind. So kann es bei der ESWL zu renalen oder perirenalen Hämatomen (< 1 %) kommen.

Bei URS gelten Ureterperforation und Ureterabriss (3–11 %) als mögliche Komplikationen. Und die perkutane Nephrolitholapaxie kann ggf. zu Blutungen, Sepsis, Nierenverlust und Verletzung von Nachbarorganen wie Darm oder Blase (insgesamt bis zu 20 %) führen. Die Zahl der Komplikationen nimmt mit der Zahl der Anwendungen deutlich zu, wie aus Studiendaten hervorgeht.

Therapiebedarf hängt auch vom Beruf ab

Der Urologe berichtete über eine eigene prospektive Untersuchung, an der 104 Patienten mit „ruhenden“ Kelchsteinen teilgenommen hatten. Immerhin 63,1 % der Probanden erwiesen sich durchschnittlich 25 Monate lang als asymptomatisch. Bei jeweils etwa einem Drittel der Studienteilnehmer wurde ein Konkrementwachstum oder eine Parenchymschädigung beobachtet. Knapp 27 % der Probanden entwickelten Symptome wie Schmerzen, Koliken oder Hämaturie.

Bei der Entscheidung zur Therapie sollte neben klinischen Parametern wie Steincharakteristika, Symptomatik und Harntransportstörungen auch die Gesamtsituation des Patienten berücksichtigt werden, betonte der Urologe. So kann zum Beispiel bei einem Lastwagenfahrer oder Piloten eine plötzliche Nierenkolik unkalkulierbare Folgen haben, was gegebenenfallls eine Therapie auch asymptomatischer Steine nahelegt.

Quelle: 65. Kongress der deutschen Gesellschaft für Urologie in Dresden