Benchmarking: Aus Zahlen lernen

Foto: MarioGuti Gettyimages

Benchmarks helfen, die Ausrichtung der Ordination zu bestimmen. Die Zahlen liefern dabei die Maßgabe, ob Budgetprognosen für eine ärztliche Praxis realistisch sind.

Benchmarking ist eine von Ärzte- und Steuerberater:innen häufig angewandte Methode, die wirtschaftliche Performance einer Praxis darzustellen. Die besten, schlechtesten oder die durchschnittlichen Ertragswerte der fachgleichen Ordinationen werden mit den eigenen Zahlen verglichen. Vordergründig zeigt die Einordnung in die obere oder untere Hälfte des Fachspektrums, wo die Ordination steht. Diese Botschaft steht aber nicht allein: Die Benchmarkzahlen zeigen auch das Verhältnis aus eingesetzter Arbeitszeit und Ertrag. Iris Kraft-Kinz, Geschäftsführerin der Steuerberatungskanzlei MEDPlan, verweist auf verblüffende Rückschlüsse: „Es gibt Ordinationen, deren Teams mit 70 Prozent der Arbeitszeit genauso viel Ertrag erwirtschaften wie gleiche Praxen, in denen Chefs ständig am Rande des Burn-outs wandeln.“ Manche Ordis liegen im Umsatz weit über den ertragsstärksten Praxen, schießen aber bei den Personalkosten, den Immobilienkosten oder Kreditrückzahlungsverpflichtungen so weit über das Ziel hinaus, dass nur Teile des Ertrages der Vergleichspraxis übrig bleiben. Benchmarking lässt in diesen Fällen jene Kostenpositionen rot aufleuchten, in denen die unproduktiven Ordinationen ihre Ertragskraft verlieren.

Fehler sichtbar machen

Benchmarks machen für die einzelne Ordination sichtbar, wo die eigenen Immobilien- und Personalkosten im Vergleich zu den Ausgaben der Kolleg:innen liegen. Denn für den einzelnen Ordinationsinhaber:innen gehen diverse Kostenpositionen oft im Umsatz unter. Erst durch den Vergleich mit anderen Ordinationen werden problematische Entwicklungen sichtbar. „Es gibt immer wieder intensive Diskussionen mit den Klient:innen, die behaupten, ihre Praxis sei aus dem einen oder anderen Grund nicht mit dem Branchenschnitt vergleichbar“, verweist Kraft-Kinz auf eine „Kultur der Ausflüchte“. Ärzt:innen, die die Ertragskraft ihrer Ordination steigern wollen, dürfen keine Scheu haben, alte Zöpfe abzuschneiden. „Mit der Vergleichsmethode kann ich einem Ordinationsinhaber:innen aufzeigen, wo die Stellschrauben für ein besseres Ergebnis zu finden sind. Ob die notwendigen Maßnahmen dann getroffen werden, bleibt aber die Managemententscheidung der Ärzt:innen“, zeigt Kraft-Kinz die Grenzen einer Beratertätigkeit auf.

Verschiedene Quellen

Kraft-Kinz greift für das Benchmarking auf anonymisierte Vergleichsdaten aus ihrer Kanzlei zurück. Sie hat aus den über 400 Ordinations-Gewinn- und -Verlustrechnungen ihrer Klient:innen das entsprechende Zahlensubstrat destillieren lassen. Ihre Daten entstammen vor allem Praxen in Wien und Niederösterreich. Banken und Kreditschutzverbände nützen bei ihren Vergleichen ähnliche Datenbanken, die von wissenschaftlichen Instituten in Zusammenarbeit mit Steuerberatern gesammelt wurden (Atlas-Medicus) und die um eigene Analysen angereichert werden. Interessanterweise kommen sämtliche Datenbanken zu vergleichbaren Ergebnissen. Die – aus finanztechnischer Sicht – relativ simplen Gewinn- und Verlustrechnungen der einzelnen Ordinationen können gut miteinander in Beziehung gesetzt werden. Kraft-Kinz vergleicht ihre internen Berechnungen immer wieder mit den Datenbanken der Geldinstitute. „Da kann man das Lineal drüberlegen.“

Eine weitere Stärke von Benchmarks: Die Plausibilität des eigenen Budgets kann überprüft werden. Banken machen bei der Kreditprüfung nichts anderes. Ordinationsgründer:innen können von validen Benchmarkdaten profitieren. Die Kosten von Gründenden liegen durch die Gewerkeangebote, fachspezifische Equipment- und Personalausgaben sowie fixierte Immobilien- und Finanzierungskosten relativ präzise am Tisch. Fuhrparkkosten und die gewünschten Privatentnahmen werden hinzugefügt. So lässt sich mit hoher Präzision bestimmen, wo die Gesamtheit des Aufwandes zu liegen kommt und wie viel Umsatz notwendig ist. Kraft-Kinz: „Ein guter Steuerberater kann mit hoher Sicherheit sagen, ob der Zielumsatz einer bestimmten Ordination leicht, wahrscheinlich oder kaum erreicht werden wird.“ Dies gilt auch für Sanierungspläne.

Regionale Muster

Die Berufssituation von Allgemeinmediziner:innen differiert stark. „Es gibt ein gewaltiges Stadt-Land-Gefälle“, erklärt die Steuerberaterin. Der Allgemeinmediziner:innen in der Stadt sei eher klein strukturiert, die Konkurrenz von Fachärzt:innen überall spürbar. Landpraxen hätten es hier einfacher: Die Arbeitsbelastung stehe dabei freilich auf einem anderen Blatt. Aus Bundesländersicht ergeben sich klare Trends. Am schwierigsten haben es die Wiener Ärzt:innen, die bei ihren Kassenverträgen mit den schärfsten Restriktionen zu kämpfen haben. Auch die burgenländischen Kassenverträge gelten nicht gerade als Versorgungsgaranten. Kärntner, Vorarlberger und Tiroler Ärzt:innen geht es etwas besser. Salzburger:innen, Steirer:innen und Oberösterreicher:innen verfügen über akzeptable Bedingungen, die Poleposition wird unisono den Niederösterreicher:innen zugebilligt.

Fächer im Vergleich

Eine weiterer Schluss: Niedergelassene Ordinationen kennen keine Skaleneffekte. Während in einem Industriebetrieb die Stückkosten mit der Höhe der Produktion (in der Regel) fallen, bleibt der Aufwand pro Patient:in gleich – egal ob 600 Patient:innen im Quartal oder 1.500. Das hat zur Folge, dass der Kostenanteil am Umsatz nicht oder kaum sinkt. Eine allgemeinmedizinische Praxis hat Kosten zwischen 50 und 60 Prozent des Umsatzes. Dies bedeutet: Mehr Umsatz bedeutet durchaus mehr Gewinn. Aber die Ertragskraft nimmt bei großen Ordinationen nicht automatisch zu. Benchmarks zeigen aber noch etwas: Der Arztberuf kann in Österreich immer noch seinen Mann oder seine Frau ernähren.