22. Okt. 2018

Schön sprechen oder schönreden

Kürzlich kam von einem geschätzten Leser die Kritik, ich hätte eine Floskel aus der Nazizeit verwendet. Ich sage jetzt bewusst nicht, um welche Redewendung es sich dabei gehandelt hat, denn darum geht es nicht, und ich will auch keine Diskussion darüber entfachen. Selbige Redewendung ist übrigens überhaupt nicht aus der Nazizeit, sondern viel älter. Zumindest aus dem Mittelalter. Ich habe das sicherheitshalber noch einmal mit einem namhaften Grazer Mediävisten gegengecheckt. Das Mittelalter hat uns viele bunte und ausdrucksstarke Redewendungen beschert.

Und bei den meisten kennen wir den grausamen Hintergrund gar nicht. Wir verwenden diese Sätze, weil wir sie schon immer verwendet haben. Blöderweise haben die Menschen damals im Dritten Reich auch nicht nur in Zeichensprache kommuniziert. Deshalb hat so mancher Satz einen braunen Beigeschmack bekommen. Viele Dinge kann man deshalb nicht mehr aussprechen und sollte man auch nicht. Aber manche Redewendungen sind einfach nicht wegzudenken aus dem täglichen Gebrauch. Und ja, ich bin auch der Meinung, dass Wachsamkeit gefragt ist und dass wir mehr denn je achtgeben müssen, was gesagt wird und wie und von wem und in welchem Zusammenhang. Sprache verleiht unseren Gedanken und Ideen Ausdruck, macht sie konkret und greifbar, macht es möglich, sie zu teilen und zu verwirklichen.

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Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune