27. Apr. 2018Digitalisierung

„Wir brauchen uns nicht vor der Telemedizin zu fürchten“

Die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung waren Thema einer hochkarätigen Diskussionsveranstaltung im Hauptverband. Die Präsidentin der Apothekerkammer strahlte Zuversicht aus. (Medical Tribune 17/18)

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen schreitet voran – mit weitreichenden Folgen für Ärzte und Patienten.

„Technologische Prozesse sind von einer exponentiellen Entwicklung geprägt: Am Anfang geht es recht langsam, aber dann schnellt die Kurve in die Höhe“, erklärt Dr. Thomas Czypionka, Leiter der Forschungsgruppe Health Economics und Health Policy am Institut für Höhere Studien (IHS). An diesem Punkt sei nun die Digitalisierung im Gesundheitswesen angelangt, analysiert der Ökonom. Als Beispiele nennt er die Künstliche Intelligenz – also Computerprogramme, die Daten in sinnvolle Zusammenhänge setzen und aus diesen Daten lernen können –, die gerade im Gesundheitswesen Einzug hält: Algorithmen, die Patientenakten durchgehen und stratifizieren, in welcher Versorgungsstufe der Patient am besten aufgehoben ist, oder die App des britischen Nationalen Gesundheitsdienstes NHS, über die Versicherte mit einer Künstlichen Intelligenz Kontakt aufnehmen, die sie an die richtige Stelle weiterverweisen.

Digitale Lösungen

Die Digitalisierung und ihre praktischen Folgen waren wohl der spannendste Punkt einer thematisch sehr breit angelegten Diskussionsveranstaltung namens „Patient Zukunft“ im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger in Wien. „Der Patient wird mündiger und handelt eigenverantwortlicher. Digitale Lösungen unterstützen ihn in seiner Eigenverantwortlichkeit – er ist sein eigener Gesundheitsmanager“, ist Gesundheitsministerin Beate Hartinger- Klein überzeugt. Auch mit Telemedizin, so die Politikerin, könnten künftig Arztbesuche oder Krankenhausaufenthalte entfallen und Medikamente schneller dem Krankheitsbild angepasst werden.

Dr. Alexander Biach
Vorstandsvorsitzender des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger

Auch dem Gastgeber, Hauptverbandsvorsitzenden Dr. Alexander Biach, ist die Bereitstellung neuer Technologien, die viele Leistungen leichter, schneller, individueller machen können, wichtig und er verweist auf die E-Card als „erstes großes Erfolgsprojekt“ sowie auf die E-Medikation, die bereits in Vorarlberg im Einsatz ist und gerade in der Steiermark ausgerollt wird. Im September 2019 soll die österreichweite Implementierung mit der Ausrollung in Wien abgeschlossen werden. „Die E-Medikation ist der eigentliche Startschuss für ELGA“, bekräftigt Biach: „Die nächsten Stationen auf der Modernisierungslinie heißen: E-Impfpass, E-Zuweisung, E-Überweisung, E-Verordnung.“

Die Technik nutzen

Die Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer, Dr. Ulrike Mursch-Edlmayr, sieht für Prävention und Gesundheitsversorgung eine engere Verknüpfung aller Akteure als zwingende Notwendigkeit: „Die Digitalisierung wird diesen Prozess begleiten und in Zukunft wesentlich effizienter gestalten. Ich gebe zu bedenken, dass derartige Dienstleistungen in Zukunft entsprechend honoriert werden müssen – nur so können wir das gewohnt hohe Niveau, das von den österreichischen Apothekern angeboten wird, auch weiterhin gewährleisten“, betont sie. In den Apotheken werden ja bereits laufend E-Services umgesetzt, stellt Mursch-Edlmayr fest: „Die Apotheker sind absolut technikaffin.“ Sie erinnert an das Projekt Arzneimittelsicherheitsgurt vor einigen Jahren, das einen ersten Schritt zur Entwicklung der E-Medikation darstellte.

Dr. Ulrike Mursch-Edlmayr
Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer

Neue Technologien müssten allerdings immer anwenderfreundlich, praktikabel und gut ins Alltagsgeschäft integrierbar sein, betont die Apothekerkammerpräsidentin: „Wir müssen die Technik nutzen, aber dürfen nicht zulassen, dass uns die Entwicklungen vor sich hertreiben.“ Daher habe sich die Apothekerschaft auch vorgenommen, neue Technologien selbst zu entwickeln und umzusetzen: „Dann müssen wir auch nicht jammern, dass etwas in der Praxis nicht anwendbar ist.“ „Wir brauchen uns nicht vor Telemedizin zu fürchten“, bekräftigt Mursch-Edlmayr schlussendlich: „Wir arbeiten eng und gut mit den Ärzten zusammen. Wenn Patienten in Österreich niederschwellig in die Apotheke kommen, so werden sie dort strukturiert und standardisiert beraten und betreut.“

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune