Noch einmal sprechen von der Wärme des Lebens

Diese Gedichtzeilen von Erich Fried kamen mir in den Sinn nach der Wiener Nestroygala mit Verleihung der Nestroy-Theaterpreise. Eine improvisierte Feier – weil offensichtlich manches politisch nicht sein durfte, was ursprünglich geplant gewesen war. Und es wurde eine zu Herzen gehende Demonstration der Menschlichkeit, eine Präsentation von Haltung, Würde und Werten. Das heißt, wir sind mit der Kunst mitten im wahren Leben. Und Rilke schreibt, „Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen“ – ja, auch das. Es liegt so nahe beisammen, wir alle wissen es. Leben und Sterben, Wunder und Tod.

Es ist in Blüte und in Gefahr – genau das ist das Leben

„Noch einmal sprechen / von der Wärme des Lebens / damit doch einige wissen: / Es ist nicht warm / aber es könnte warm sein“, davon spricht Erich Fried. Gerade jährt sich sein Todestag. „Bevor ich sterbe / noch einmal sprechen / von Liebe / damit doch einige sagen: / Das gab es / das muss es geben.“ Ja, es gibt Leben – wir haben es, wenn wir es wollen. Es ist in Blüte, jederzeit. Und es ist in Gefahr, jederzeit. Genau das ist das Leben. Wir als Professionelle im Gesundheitssystem können ja immer wieder in Versuchung kommen, vor allem „das Kranke“ zu sehen, „die Krankheit“ – und können leicht den Menschen dabei aus den Augen verlieren. Die Krankheit im Fokus? – Im Mittelpunkt der Mensch? Wo wollen wir hin? Was treibt uns an? Bei einer Fortbildung vor einigen Tagen hörte ich und lernte den Begriff „supererogatorisch“ kennen. Das bezeichnet in der Ethik Handlungen, mit denen jemand mehr tut, als seine Pflicht verlangt. Lange Zeit ist es auf diese Art gelungen, Menschen und die Menschlichkeit zu pflegen. Die Würde und den Wert jedes Menschen zu sehen! Wie gelingt uns das auch weiterhin? Das müssen wir uns immer wieder fragen! Manches kann uns im aktuellen politischen Diskurs Angst machen – wir müssen höchst wachsam sein, in jeder Hinsicht! Und mit Erich Fried: „Noch einmal sprechen / vom Glück der Hoffnung auf Glück / damit doch einige fragen: / Was war das / wann kommt es wieder?“ Es liegt an uns, immer wieder.

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Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune