8. Feb. 2017

Vegan und gut versorgt

VEGANE ERNÄHRUNG: Für die Gesundheit hat der Trend zu mehr pflanzlicherer Kost viele Vorteile. Ein ­vollständiger Verzicht auf tierische Lebensmittel in der Kindheit und Schwangerschaft wird aber kritisch gesehen. (Medical Tribune 6/2017)

Zur Supplementierung von Omega-3-Fettsäuren wie DHA erfreuen sich Mikroalgen-Produkte bei Veganern zunehmender Beliebtheit.
Zur Supplementierung von Omega-3-Fettsäuren wie DHA erfreuen sich Mikroalgen-Produkte bei Veganern zunehmender Beliebtheit.

Die vegane Ernährung erfreut sich auch in Österreich immer größerer Beliebtheit. Geschätzte ein Prozent der Bevölkerung ernähren sich heutzutage ausschließlich von pflanzlichen Lebensmitteln. Die Gründe dafür sind vielfältig: Meist sind es ethische, ökologische oder religiöse Gedanken, die Menschen dazu bewegen, keine Tierprodukte zu konsumieren. Aber auch der Wunsch nach Gesundheit oder Ästhetik lassen den Ernährungstrend immer populärer werden.

Und zu Recht: In puncto ökologischer Nachhaltigkeit hat die Pflanzenkost gegenüber einer Mischkost deutliche Vorteile und auch die ethischen Aspekte der heutige Produktion von tierischen Lebensmitteln dürfen durchaus kritisch gesehen werden. Was den gesundheitlichen Nutzen angeht, gibt es derzeit aber nur wenige gesicherte Daten. Die umfassende Forschung auf diesem Gebiet wird in den nächsten Jahren aber vermutlich einige interessante Fakten liefern.

Vegane ­Ernährung will gut geplant sein

Was sich aus vorhandenen Untersuchungen abzeichnet, ist, dass eine gut geplante vegane Ernährung durchaus Vorteile in der Prävention und Therapie bieten kann. Nämlich bei jenen Erkrankungen, bei denen auch durch eine allgemein gesunde und ausgewogen Mischkost eine Besserung erzielt werden kann. Dies sind zum Beispiel Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen und chronische Niereninsuffizienz ohne Nierenersatztherapie.

Was dabei jedoch nicht geklärt ist, ist die Frage, ob es der Verzicht auf tierische Produkte per se oder die dadurch allgemein ausgewogenere Kost ist, was die günstigen Effekte auslöst. Veganer nehmen nämlich tendenziell mehr Ballaststoffe und sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe sowie weniger gesättigte Fettsäuren und Protein als Mischköstler auf. Darüber hinaus muss auch berücksichtigt werden, dass Veganer oder Vegetarier tendeziell ein höheres Gesundheitsbewusstsein haben und somit nicht selten mehr Bewegung machen, weniger rauchen und schlanker sind als die Allgemeinbevölkerung.

Eine gute Planung und solides Wissen über die Ernährungsform ist das A und O, wenn die vegane Ernährung dauerhaft durchgeführt werden soll. Denn neben den Vorteilen, die eine rein pflanzliche Kost bieten kann, birgt sie nämlich auch das Risiko einer mangelnden Versorgung mit gewissen Nährstoffen. Dieses Risiko ist besonders groß, wenn ein erhöhter Bedarf vorliegt, wie es beispielsweise im Wachstum, in der Schwangerschaft und Stillzeit, bei konsumierenden Erkrankungen und im hohen Alter der Fall ist.

Die Brisanz dieses Themas zeigt sich darin, dass sich in dieser Diskussion die internationalen Fachgesellschaften alles andere als einig sind. Während beispielsweise die amerikanischen Leitlinien die vegane Ernährung als sicher für alle Lebensphasen einstufen, rät die Deutsche Gesellschaft für Ernährung von der Pflanzenkost bei Säuglingen, Kindern und Jugendlichen sowie bei Schwangeren und Stillenden ab.

In den USA ist das Angebot an Functional Food größer

Ein Grund für diese Diskrepanz mag sein, dass sich der Lebensmittelmarkt in Europa stark von dem in den USA unterscheidet. Denn bei genauerer Betrachtung der amerikanischen Leitlinien wird schnell klar, dass in diesen speziellen Lebensphasen eine vegane Ernährung nur mithilfe von angereicherten Lebensmitteln möglich ist. Eine derartige Vielfalt an sogenannten Functional Foods ist in vielen Teilen Europas jedoch gar nicht erhältlich.

Eine weitere Risikogruppe stellen Personen mit konsumierenden Erkrankungen wie etwa Krebs, chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, chronischer Niereninsuffizienz mit Nierenersatztherapie dar. Einerseits liegen kaum Daten zum Effekt der pflanzlichen Kost vor, andererseits gestaltet sie sich hier besonders schwierig, da der Bedarf an Nährstoffen zum Teil deutlich erhöht ist. Damit wird das schon im Allgemeinen erhöhte Risiko einer Mangelernährung weiter gesteigert.

Wegen der unklaren Datenlage und den nicht von der Hand zu weisenden Risiken sollte daher eine vegane Ernährung nicht dezidiert empfohlen werden. Wenn die Ernährung jedoch gut geplant ist, kann sie für Erwachsene ohne konsumierende Erkrankungen, denen der Verzicht auf Tierprodukte wichtig ist, durchaus nützlich sein. Generell ist für die Gesundheit der Allgemeinbevölkerung die Tendenz zu einer pflanzlicheren Kost in jedem Fall wünschenswert.

Vegane Teenies

Nicht selten stehen Eltern vor der Herausforderung, dass ihre jugendlichen Nachkommen beim Essen ihren eigenen Kopf haben. Gerade durch die steigende Popularität der veganen Ernährung kann es auch vorkommen, dass sich Teenager dazu entschließen, vegan leben zu wollen. Gerade diese Lebensphase wird durch das Wachstum und den damit einhergehenden erhöhten Nährstoffbedarf von den Fachgesellschaften auch als kritisch eingestuft. Hier gilt ebenso, dass in einer Ernährungsberatung im Einzelfall geklärt werden sollte, wie vielfältig die Ernährung umgesetzt wird und welche Supplemente oder angereicherten Lebensmittel notwendig sind. Speziell bei Teenagern ist hier viel Feingefühl gefragt und nicht zuletzt sollte vor allem bei Mädchen an die Möglichkeit einer damit kaschierten Essstörung gedacht werden.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune