14. Apr. 2016

Dr. Stelzl: Wo ist der Sinn meiner Arbeit?

Es ist kurz vor halb acht in der Früh, ich sitze bei meiner ersten Gesunden­untersuchung und genieße die Stille in der Ordination. Ich mag diese Zeiten, in denen ich offiziell gar nicht da bin und in denen ich in Ruhe meiner Arbeit nachgehen kann, ohne dass vor der Sprechzimmertüre jemand handyfoniert oder ein paar verhaltenskreative Eltern ihren Kindern dabei zusehen, wie sie das Wartezimmer auseinandernehmen. Nennen Sie mich ruhig Spaßbremse, aber ich finde es weder bewundernswert, den höchsten Schuh­abdruck an der Wand zu hinterlassen noch den Kindersesseln die Haxen auszureißen, und habe auch etwas gegen kreative Malspielchen auf den hellen Sesseln. Und Picknick im Wartezimmer mag ich schon gar nicht.

Die meisten meiner Kinder und Eltern sind eh total lieb und unkompliziert, aber es gibt einige, wenn ich die auf der Warteliste sehe, wird der aktuelle Patient in Sekundenschnelle abgefertigt und zur Tür hinausgeschoben, nur damit die nicht warten und ich nicht renovieren muss. Ich rede also gerade mit einer jungen Patientin über Muttermalveränderung und UV-Schutz, als ich im Vorzimmer laute Stimmen höre. Dann Rennen von Kinderfüßen, dann Rennen von offenbar bestöckelten Damenfüßen. Dann ein Krachen und ein Kreischen. Ich überlege kurz, mir das persönlich anzusehen, verzichte dann aber. Meine Mitarbeiter werden mich sicher holen, wenn jemand erstzuversorgen ist. Als ich mit der VU fertig bin und aus dem Sprechzimmer gehe, ist wieder selige Ruhe und niemand zu sehen.

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Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune