10. Apr. 2018

„Es geht in erster Linie um die Menschen, die uns besuchen“

Ausgefallenes Design, spezielle Kundenansprache und ein freundliches Team, das stolz auf die Marke ist. In puncto Marketing setzt Mag. Karin Simonitsch von der Marien Apotheke im sechsten Wiener Bezirk auf ein einfaches Prinzip: den Menschen zuhören. (Pharmaceutical Tribune 05/2018)

Nebelschwaden durchziehen die Schmalzhofgasse, dicke Schneeflocken fallen vom Himmel. Ich hetze zu meinem letzten Termin an diesem Tag, die Nacht ist bereits hereingebrochen. Aus den Augenwinkeln nehme ich auf der gegenüberliegenden Straßenseite hell leuchtende Sterne, Herzen und rote Bänder wahr. Sie zwingen mich zum Innehalten – der Blick wandert nach unten zu den hell erleuchteten Geschäftsräumlichkeiten, in denen reges Treiben herrscht. Ziemlich bunt denke ich mir – erst dann fällt mir auf, dass es sich bei dem Ecklokal um eine Apotheke handelt. Schauplatzwechsel. What’s that? Der erste Blick auf die Internetseite der Wiener Marien Apotheke hinterlässt einen bleibenden Eindruck. In der vor Bildern strotzenden Welt des modernen Internets kommt die Seite ziemlich nüchtern daher.

Ein Bild aus dem Inneren der Apotheke und darüber die Navigation in einer mehr als auffälligen Schrift. Aspirin heißt die Schrift, entwickelt wurde sie von den beiden in Wien ansässigen Designern Karl Emilio Pircher und Fidel Peugeot vom Walking Chair Design Studio. Ihren Ursprung hat sie in einer Textura des 16. Jahrhunderts, aus dem „Confect Büchlein vnd Hauß Apoteck“ von Walter Ryff ( 1544). Die Schrift ist so etwas wie die Hausschrift der Marien Apotheke. Doch nicht nur die Schrift ist ein Werk des Designduos, mittlerweile ist die ganze Marien Apotheke von ihnen gestaltet. Die hellen Räume mit den auffallend bunten Verkaufsinseln, die mir bei meinem abendlichen Spurt durch Wien ins Auge gestochen sind, wurden ebenso von ihnen gestaltet wie die aus Blistern gefertigten Lampen. Die einzigartigen Leuchtkörper fanden sogar ihren Weg auf eine Designmesse in Berlin.

Wie es zu der doch ungewöhnlichen Zusammenarbeit kam, erklärt Mag. Karin Simonitsch, Besitzerin der Marien Apotheke, mit einem Wort: Zufall. „Ich wollte immer schon eine eigene Schrift und habe zufällig bei einer privaten Veranstaltung Fidel Peugeot kennengelernt.“ Eigent- lich heißt er ja Sebastian Rudolf Baumgartner, wie Wikipedia weiß, stammt aus Basel und zeichnet im Duett mit dem Südtiroler Karl Emilio Pircher unter anderem auch für CI und Logo der Albertina verantwortlich. „Ich hab dann einfach angerufen und gefragt, ob er Interesse hätte.“ Ein Anruf, der in eine mittlerweile mehr als ein Jahrzehnt währende Partnerschaft mündete. Doch zurück zum Thema: Marketing für Apotheken. Braucht eine Apotheke überhaupt Marketing? „Das kann ich nicht sagen, meine braucht es jedenfalls“, meint Simonitsch. „Wir haben so viele Nischenprodukte und für die braucht es natürlich die entsprechende Aufmerksamkeit.“ Sie hat immer schon nach ihrem Blue Ocean gesucht – ihrem Alleinstellungsmerkmal. Gefunden hat sie es schließlich unter anderem in ihrem Spezialangebot für gehörlose Menschen. Ziemlich durchdacht, oder? „Ich habe zwar nach meinem Blue Ocean gesucht – das Spannendste dabei war aber, dass ich ihn eigentlich instinktiv gefunden habe.“ Am Anfang standen also keine großartigen strategischen Überlegungen.

Mit Strategie oder ohne?

Und wie sieht es in puncto Marketing aus? Hat sie sich da vorher einen umfassenden Strategieplan überlegt? Nicht wirklich, meint die Apothekerin, die im November 2017 mit dem renommierten ALCPreis der Tageszeitung „Die Presse“ ausgezeichnet wurde. „Marketing ist ja etwas höchst Lebendiges, das laufend betrieben wird.“ Vieles passiert situationsbezogen, aber schön langsam entwickelt sich das Ganze etwas mehr in Richtung Planung. Und die Mitarbeiter – wie stehen die ihren Marketingmaßnahmen gegenüber, wurden sie mit einbezogen? „Natürlich gab es spezielle Schulungen.“ Und irgendwie ist die Marke Marien Apotheke mittlerweile zu etwas geworden, auf das die Mitarbeiter stolz sind – die Marke ist „identitätsstiftend“, wie die Chefin es ausdrückt.

Xundheitspackerl

Was nicht weiter verwundert, denn in erster Linie „geht es um die Menschen, die uns besuchen“, weshalb auch die meisten Aktionen und Maßnahmen vor Ort in der Apotheke stattfinden. So wie etwa das „Xundheitspackerl“, das jeden Monat den Kundinnen und Kunden ‚verabreicht‘ wird: „Ich habe jahrelang eine Kundenzeitung gemacht, und irgendwann habe ich mir gedacht, es muss doch etwas anderes geben. Ich habe nach etwas gesucht, das gleich viel kostet und den Kunden eine Freude macht,“ erzählt die Apothekerin. Am Ende kam ein kleines Packerl heraus, das ein Geschenk und eine pharmazeutische Information enthält. Im Februar etwa gab es eine sibirische Handcreme, als Pflegeutensil in der Grippezeit, in der man sich ja öfter die Hände waschen soll. 1.000 Stück des Packerls liegen jeden Ersten des Monats auf. Wenn „es aus ist, dann ist es aus“.

Auch auf Facebook ist die Marien Apotheke präsent und hat dort mittlerweile mehr als 1.800 Fans um sich geschart. Warum Facebook? „Ich habe meine Mitarbeiter gefragt und die meinten, Facebook muss man bespielen. Vor allem auch, um Aktionen unters Publikum zu bringen. Man darf sich allerdings nichts vormachen. Facebook zu bespielen ist eine Menge Arbeit, das geht nicht nur so nebenbei.“ Außerdem „muss da ja eh schon jeder sein“, wenngleich sie selbst auf ihrer privaten Seite nur mehr selten zu finden ist, wie die Apothekerin eingesteht. „Jedem das Seine“, ergänzt sie. Und Kundenbefragungen? Die werden eher anlassbezogen eingesetzt. Denn auch die kosten Zeit und natürlich Geld.

Conclusio: Marketing muss in der Praxis nicht immer einem strategischen Masterplan folgen. Wichtig ist vor allem eines: „Wenn man sich an eine bestimmte Zielgruppe wendet, dann fragt man am besten zuerst, was die Menschen brauchen“, wie es Simonitsch formuliert.

www.marienapo.eu