9. Feb. 2018

Diabetes: Die Mittelmeerdiät bringt’s

Dass Ernährung im Krankheitsmanagement von Typ-2-Diabetikern eine bedeutende Rolle spielt, steht außer Frage. Doch welche Kostform soll man empfehlen? Eine aktuelle Metaanalyse liefert Antworten. (Medical Tribune 06/18)

Die Mittelmeerdiät wirkt natürlich nur, wenn man sie richtig versteht.
Die Mittelmeerdiät wirkt natürlich nur, wenn man sie richtig versteht.

Sämtliche Diabetes-Leitlinien messen der Ernährung als wesentlichem Teil der Lebensstilmodifikation eine große Bedeutung bei. Uneinigkeit herrscht jedoch nach wie vor darüber, welches Verhältnis von Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten – und damit welche Form der Diät – in dieser Patientengruppe am zielführendsten ist. Eine aktuelle Publikation bescheinigt nun der mediterranen Diät den günstigsten Einfluss auf die glykämische Kontrolle bei Diabetikern. Zeigen konnte das ein Team aus deutschen, französischen und österreichischen Wissenschaftlern mithilfe einer Netzwerk-Metaanalyse.

9 Diäten im Vergleich

Mit dieser Methode ließ sich die Wirkung mehrerer Kostformen auf den Blutzuckerspiegel vergleichen (siehe unten). In einer systematischen Literaturrecherche wurden 56 randomisierte Studien identifiziert, welche zwischen 1978 und 2016 publiziert wurden. In Summe wurden bei rund 5.000 Patienten folgende neun Diätansätze verglichen:

  • kohlenhydratarme Diät (< 25 % der täglichen Kalorienmenge aus Kohlenhydraten, hoher Proteinanteil)
  • moderate Kohlenhydratdiät (25– 45 % der täglichen Kalorienmenge aus Kohlenhydraten, 10–20 % aus Proteinen)
  • proteinreiche Diät (> 20 % der täglichen Kalorienmenge aus Proteinen, < 35 % Fett)
  • fettarme Diät (< 30 % der täglichen Kalorienmenge aus Fetten, 10–15 % aus Proteinen, hoher Konsum von Zerealien)
  • Diät nach glykämischem Index
  • vegetarische Ernährung
  • Mittelmeerdiät (Obst, Gemüse, Olivenöl, Hülsenfrüchte, Zerealien, Fisch, moderater Rotweinkonsum während des Essens)
  • Paläo-Diät
  • Kontroll-Diät mit geringer oder keiner Intervention

Als Einschlusskriterien für die Studien galten eine minimale Diätdauer von 12 Wochen sowie ein Durchschnittsalter der Patienten von ≥ 18 Jahren. Das Hauptziel der Analyse war es, den Einfluss der verschiedenen Diäten auf den Langzeit-HbA<sub>1c</sub> und der Nüchternblutzucker zu vergleichen. Der statistische Output dieser Studie wird als „surface under the cumulative ranking curves“ (SUCRA) in Prozent (0–100) angegeben, wobei hohe Werte eine hohe Effektivität bedeuten.

Wirksam ist jede Diät

Am häufigsten wurde in den Studien eine moderate Kohlenhydratdiät mit einer fettarmen Diät (13 Studien) oder eine fettarme Diät mit einer Kontrolldiät (10 Studien) verglichen. Verglichen mit der Kontrolldiät konnten alle Diäten sowohl den HbA1c (um –0,82 bis –0,47 %) als auch den Nüchternblutzucker (um –1,61 bis –1,00 mmol/l) senken. Am effektivsten in der Senkung des HbA<sub>1c</sub>-Wertes war die kohlenhydratarme Diät (SUCRA 84 %), gefolgt von der Mittelmeerdiät (80 %) und der Paläo-Diät (76 %). Im statistischen Vergleich der einzelnen Diäten miteinander waren die mediterrane und die kohlenhydratarme Diät effektiver in der Reduktion des Langzeitzuckers als eine fettarme Diät. Außerdem war die kohlenhydratarme Diät wirksamer als die proteinreiche Diät. Der Nüchternblutzucker wurde am effektivsten mit der Mittelmeerdiät (88 %) gesenkt, gefolgt von der paläolithischen Diät (71 %) und der vegetarischen Diät (63 %). Die Mittelmeerdiät war im statistischen Vergleich wirksamer in der Reduktion des Nüchternblutzuckers als die fettarme Diät und die Diät nach glykämischem Index.

Der Gewichtsverlust zählt

In einer Subgruppenanalyse wurde der Effekt von Studiendauer (≥ 12 Monate versus < 12 Monate), Stichprobengröße (≥ 100 versus < 100) und Alter (≥ 60 Jahre versus < 60 Jahre) untersucht. Die kohlenhydratarme Diät war effektiver in der Reduktion des Langzeitzuckers in kürzeren Studien mit weniger Patienten, welche über 60 Jahre alt waren. Im Gegensatz dazu waren die Mittelmeerdiät, die moderate Kohlenhydratdiät, die Diät nach glykämischem Index, die proteinreiche sowie die fettarme Diät in Bezug auf die Langzeitzuckerreduktion effektiver in längeren Studien mit hoher Teilnehmerzahl und Patienten unter 60 Jahren. Ebenfalls in dieser Studie wurde gezeigt, dass die mittlere Langzeitzuckerreduktion signifikant mit der mittleren Gewichtsänderung der verschiedenen Diäten in Zusammenhang steht.

Ein zentrales Ergebnis dieser Studie ist damit, dass alle analysierten Diäten den Langzeit sowie Nüchternblutzucker effektiv senken können. Die Mittelmeerdiät ist hier hervorzuheben, da sie bei der Senkung beider Parameter sehr effektiv ist. Die Wirksamkeit von Mittelmeerdiät, kohlenhydratarmer und paläolithischer Diät auf den Langzeitzucker könnte auf den vermehrten Verzehr von Nahrungsmittelgruppen wie Früchten, Gemüse und Vollkorn zurückzuführen sein, welche aufgrund der in ihnen enthaltenen Antioxidanzien und Ballaststoffe dafür bekannt sind, die Insulinsensitivität zu erhöhen, oder direkt die Entstehung von Glykierungsendprodukten verhindern. Der Effekt der Mittelmeerdiät auf den Nüchternblutzuckerspiegel könnte durch die Polyphenole in Olivenöl, Nüssen, Rotwein, Hülsenfrüchten, Früchten und Gemüse zu erklären sein. Zusätzlich spielt auch die Gewichtsabnahme eine große Rolle bei der Langzeitzuckerreduktion.

Methodische Schwächen

Eine Stärke dieser Studie ist sicherlich, dass sie eine hohe Anzahl an Studien, welche in einer umfangreichen Literaturrecherche identifiziert wurden, berücksichtigt und zusätzlich auf Konsistenz sowie Glaubhaftigkeit geprüft und in Sensitivitätsanalysen das Ergebnis bestätigt hat. Nichtsdesto trotz weist die Studie methodenspezifische Schwachpunkte auf, die bei der Interpretation der Ergebnisse bedacht werden müssen: Bei 7 von 56 Studien wurde das Risiko für Bias als hoch eingestuft. Allerdings wurde in einer Sensitivitätsanalyse, bei welcher diese 7 Studien ausgeschlossen wurden, das ursprüngliche Ergebnis bestätigt. Zusätzlich wurden in den einzelnen Studien verschiedene statistische Methoden angewandt. Außerdem wurde nur eine Studie mit paläolithischer Diät eingeschlossen. Ob die Diäten eingehalten wurden, konnte in der Netzwerk-Metaanalyse nicht berücksichtigt werden, und die Definitionen der einzelnen Diäten unterschieden sich je nach Studie; auch die Grenzen zwischen den Diäten waren nicht eindeutig. Die kohlenhydratarme Diät unterschied sich zudem in Hinblick auf Studiendauer, Stichprobengröße und Alter der Patienten signifikant von den anderen Diäten. Zusätzlich wurde die Glaubhaftigkeit der Resultate bei dieser Diätgruppe als gering eingestuft.

Schwingshackl L et al., European Journal of Epidemiology 2018; DOI: 10.1007/ s10654-017-0352-x

Was kann die Netzwerk-Metaanalyse?
Bei dieser Methode handelt es sich um eine Erweiterung der paarweisen Metaanalyse. Wenn mehr als eine Therapieoption oder Intervention bei einer Erkrankung zur Wahl stehen, können mithilfe der Netzwerk-Metaanalyse direkte (die Ergebnisse innerhalb einer Studie) sowie indirekte (die Ergebnisse verschiedener Studien) Vergleiche auf einmal gezogen werden. Zur Veranschaulichung ein Beispiel: In einer Studie wurde die Therapieoption A mit der Standardtherapie C verglichen, in einer weiteren die Therapieoption B ebenfalls mit der Standardtherapie C.
Die relative Wirksamkeit der beiden Therapieoptionen A und B gegenüber dem gemeinsamen Vergleichsarm C kann nun miteinander verglichen werden. Dem großen Vorteil, dass sich direkte und indirekte Gegenüberstellungen in einem Netzwerk verbinden und somit mehrere Studien zeitgleich relativ miteinander vergleichen lassen, stehen einige methodenspezifische Nachteile gegenüber: Zum einen gibt es bei Studien immer das Risiko der systematischen Verzerrungen (Bias) und unterschiedlicher Qualitätsniveaus. Zum anderen werden in den einzelnen Studien verschiedene statistische Methoden angewandt, was sich ebenfalls auf das Ergebnis der NetzwerkMetaanalyse auswirken kann.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune