Forschende Industrie beklagt Pharmabashing

Die forschende pharmazeutische Industrie in Österreich zeigt sich äußerst unzufrieden mit den politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Besonders beklagt wird die zunehmende Rechtsunsicherheit durch das undurchsichtige Handeln des Hauptverbandes. (Pharmaceutical Tribune 21/2017)

Die forschende pharmazeutische Industrie findet sich mit immer schwierigeren Rahmenbedingungen konfrontiert.
Die forschende pharmazeutische Industrie findet sich mit immer schwierigeren Rahmenbedingungen konfrontiert.

„Dramatisch“, „alarmierend“, „besorgniserregend“: Mit diesen Worten beschreibt Dr. Ronald Pichler, Generalsekretär des Forums der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich (FOPI), das Ergebnis einer Umfrage unter seinen insgesamt 27 Mitgliedsunternehmen über die Rahmenbedingungen, die forschende pharmazeutische Unternehmen in Österreich vorfinden. Zum dritten Mal in Folge zeugte der „FOPI Innovationsklima Index“ von einer ziemlich schlechten Stimmung innerhalb der forschenden pharmazeutischen Industrie Österreichs. „Es handelt sich nicht um eine Momentaufnahme, sondern um eine nachhaltige Verschlechterung, gegen die etwas getan werden muss“, betont Mag. Ingo Raimon, Präsident des FOPI. Eine Pressekonferenz der Interessenvertretung anlässlich dieser Befragung geriet zu einer wahren Brandrede.

Mehr Sachlichkeit nötig

Die Akzeptanz der Pharmaindustrie im Gesundheitssystem hat sich seit dem Frühjahr laufend verschlechtert und wird besonders schlecht bewertet. Die FOPI beklagt ein regelrechtes „Pharmabashing“. „Die forschende Pharmaindustrie wird von den Stakeholdern primär als Kostentreiber und nicht als Solution Provider dargestellt“, kritisiert Pichler. „Auch in anderen Ländern hat die Industrie sicher keinen optimalen Stellenwert. In vielen anderen europäischen Ländern ist aber zumindest eine sachlich geführte und lösungsorientierte Diskussion zwischen Behörden und Industrie möglich – was öffentlich-politisch in Österreich mittlerweile nicht mehr möglich ist“, fügt Raimon hinzu. Auch das politische Umfeld beurteilen die FOPI-Mitgliedsunternehmen äußerst negativ. „Es gibt keinen politischen Willen, eine sachliche Debatte zum Thema pharmazeutische Innovation und Forschung und zur Rolle der Industrie in gesundheitspolitischen Fragen zu führen. Vielmehr werden mit gesetzlichen Regelungen wie der AS VG-Novelle forschungs-, innovations- und wirtschaftsfeindliche Rahmenbedingungen ohne Diskurs einzementiert“, beklagt Pichler.

Heißes Thema Kosten

Raimon ärgert sich besonders über die seiner Meinung nach nicht faktenbasierten und nicht objektiven Diskussionen über die Arzneimittelkosten. „Führende Akteure sprechen von Kostenexplosionen, die nicht stattgefunden haben“, betont der FOPI-Präsident. Bei der rückblickenden Darstellung der Arzneimittelkosten durch die Budgetträger würden nicht die echten Nettobeträge – unter Berücksichtigung von Abschlägen und Rabatten – herangezogen, sondern Bruttobeträge. So habe etwa im Jahr 2016 das Bruttowachstum bei den Arzneimittelkosten zwei Prozent betragen, nach Abzug von Rabatten oder Zahlungen aus dem Arzneimittelrahmenvertrag jedoch habe ein „sattes Minus“ für die In dustrie herausgeschaut. „Auch kritische Aussagen führender Akteure zu den Themen ,Zulassung‘ und ,Patente‘ lassen Schlimmes befürchten“, ergänzt Raimon.

Schwieriger Marktzugang

Die Vertreter des FOPI sehen auch das Thema Marktzugang in Österreich äußerst kritisch. „Wir nehmen eine zunehmende Rechtsunsicherheit durch das undurchsichtige Handeln des Hauptverbands wahr, die sich in zahlreichen Antworten der Umfrage abbildet“, unterstreicht Pichler, wobei er ein Missverhältnis zwischen der positiven wirtschaftlichen Lage in Österreich und dem enormen Preisdruck sieht. Der Marktzugang für die forschende pharmazeutische Industrie in Österreich sei zwar noch immer besser als im EU-Durchschnitt, aber von Indikation zu Indikation unterschiedlich, analysiert Raimon: „Bei lebenserhaltenden Therapien, etwa bei Krebserkrankungen, haben wir in Österreich eine überdurchschnittlich gute Versorgung. Bei die Lebensqualität verbessernden Therapien von nicht lebensbedrohlichen Indikationen, etwa bei Impfungen oder der bei Diabetes, ist die Versorgung schlecht.“

Pichler: „Die Pharmaindustrie wird von den Stakeholdern primär als Kostentreiber und nicht als Solution Provider dargestellt.“
Pichler: „Die Pharmaindustrie wird von den Stakeholdern primär als Kostentreiber und nicht als Solution Provider dargestellt.“

Zwar herrschten in Österreich generell eher positive Bedingungen für Forschung und Entwicklung, doch unter den schlechten Rahmenbedingungen im Bereich Marktzugang leide auch die Attraktivität des Forschungsstandortes Österreich, bekräftigt Raimon. In Österreich gebe es in der Pharmabranche immer mehr reine Handelsfirmen mit geringer landesinterner Wertschöpfung. „Das ohnehin schwierige Umfeld – in Bezug auf Lohnkosten oder Steuern – wird durch das De-facto-Negieren sachlicher Gespräche und lösungsorientierter Ansätze weiter verschlechtert“, sagt der FOPI-Präsident. Zu den wenigen Pluspunkten, die den FOPI-Mitgliedsunternehmen aufgefallen sind, gehört ein grundsätzlich gutes Angebot an Forschern und gut ausgebildeten Fachkräften. Auch die Ausund Weiterbildung in Österreich wird von den forschenden Pharmaunternehmen positiv beurteilt.

Sieben Forderungen

Vor dem Hintergrund der Umfrageergebnisse hat das FOPI sieben Forderungen an die künftige Bundesregierung ausgearbeitet. Die erste lautet: Bei der Evaluierung von Arzneimitteln solle über den rein klinischen Nutzen hinaus auch der individuelle Patientennutzen sowie volkswirtschaftlich relevante Nutzenkategorien herangezogen werden. „Der ökonomische Nutzen einer medizinischen Behandlung wird oft bei einem anderen Budgetträger realisiert“, gibt Raimon zu bedenken. Weiters fordert die FOPI unter anderem eine im ASVG verankerte volkswirtschaftliche Nutzenbewertung von innovativen Arzneimitteln, die Zweckwidmung von eingesparten Mitteln im Gesundheitssystem für die Finanzierung von Innovationen im Arzneimittelsektor sowie die Errichtung einer Koordinationsstelle auf Bundesebene, um die Potenziale der heimischen Zentren für klinische Studien zu bündeln und um damit eine starke Stellung Österreichs im internationalen Wettbewerb zu erhalten.

Reimon: „Führende Akteure sprechen von Kostenexplosionen, die nicht stattgefunden haben.“
Reimon: „Führende Akteure sprechen von Kostenexplosionen, die nicht stattgefunden haben.“

„Mit diesen konkreten Vorschlägen wollen wir von unserer Seite einen konstruktiven Beitrag zur Verbesserung des Innovationsklimas in Österreich leisten“, unterstreicht FOPI-Präsident Raimon: „Wir haben schon bisher immer die Hand zum Dialog ausgestreckt und hoffen, dass wir bei den neuen Entscheidungsträgern auf offene Ohren stoßen.“ Die FOPI-Mitgliedsunternehmen jedenfalls, so Generalsekretär Pichler, legten „große Hoffnungen und Erwartungen“ in die neue Bundesregierung.