LSE-Studie: Apotheker aufwerten

Abb.: gemeinfrei

STUDIE – Die 1400 Seiten lange Studie der London School of Economics (LSE) liefert viele durchdachte Vorschläge zur Effizienzsteigerung des Gesundheitssystems. (Pharmaceutical Tribune 14-15/2017)

Endlich liegt sie auf dem Tisch! Die lang erwartete Studie zur Effizienz der Sozialversicherungen – 1393 Seiten mit dem Titel „Efficiency Review of Austria’s Social Insurance and Healthcare System“. „Lustigerweise“ sei das Werk großteils „immer noch auf Englisch“, konnte sich Hauptverbands-Chef Dr. Alexander Biach einen Tag nach Veröffentlichung einen Seitenhieb ob der kolportierten Verzögerungen durch Übersetzungsprobleme nicht verkneifen. Trotzdem: In seiner Ersteinschätzung sei die Studie „wirklich eine der profundesten Analysen unseres Gesundheitssystems“. Biach interpretierte die vierteilige Studie* so: Es seien keine großen Strukturänderungen nötig, nur da und dort Verbesserungen, der bisher eingeschlagene Weg – Leistungsharmonisierung, stärkere Aufgabenbündelung und Beitragsvereinfachung – werde bestätigt.

Alexander Biach: „Die Studie ist wirklich eine der profundesten Analysen unseres Gesundheitssystems.“
Alexander Biach: „Die Studie ist wirklich eine der profundesten Analysen unseres Gesundheitssystems.“

Ähnlich Sozialminister Alois Stöger, Auftraggeber der 630.000 Euro teuren Analyse, und Gesundheitsministerin Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc: Für die beiden SP-Politiker ist das Modell 4 („insurance coordination“) wie aufgelegt. Und das, obwohl sich Studienautor Elias Mossialos explizit nicht auf ein Modell festlegen wollte: Es gebe „nicht die eine richtige Lösung“. Das Autorenteam schlug sehr wohl Modelle mit einer Zusammenlegung der Kassen vor (siehe Kasten). Je nach Modell und weiteren effizienzsteigernden Maßnahmen, insbesondere einer Verlagerung von Leistungen aus dem Spitalssektor in den extramuralen Bereich, ergäben sich Einsparungen von 692 Mio. bis 845 Mio. Euro pro Jahr, so Mossialos’ Berechnungen.

Japan doppelt so gut

Die Befürworter der Studie loben undifferenziert, dass endlich der Mythos der hohen Verwaltungskosten widerlegt werde. Ein genauer Blick zeigt aber, dass die Autoren auch auf die begrenzte Vergleichbarkeit zwischen den Ländern hinweisen. Im Ländervergleich mit ähnlichem Krankenversicherungssystem wie Frankreich und Japan hat Österreich mit 3,7 Prozent mehr als doppelt so hohe Verwaltungskosten wie Japan. Die Studie führt auch enorme Unterschiede zwischen den Kassen an: Die Verwaltungskosten pro Versichertem variieren von 13 (BKK) bis 138 Euro (VAEB), mit deutlichen Unterschieden zwischen den GKKs (Burgenland und Kärnten am höchsten, Steiermark, Tirol und NÖ am niedrigsten). Doch auch beim Effizienzpotenzial im gesamten Gesundheitssystem ist für jeden Geschmack etwas dabei: Es bedürfte einer „nachhaltigen Verknüpfung von ambulantem und stationärem Bereich“ insbesondere durch Finanzierung und Steuerung „aus einer Hand“. Auch gehe es darum, die „Differenzierung zwischen Gruppenpraxen und Ambulatorien“ zu überwinden.

Gesundheitsberufe

Der von der Studie vorgeschlagene Ausbau der Primärversorgung wurde von den Ministerien bei der Präsentation zwar kommuniziert. Was aber nicht dazugesagt wurde: Das Gesundheitsreformumsetzungsgesetz (GRUG) 2017, heißt es in der Studie weiter, sei dazu ein wichtiger Schritt, jedoch ein „freilich höchstens erster“. Hier bedürfe es „wohl einer stärkeren Erweiterung des Spektrums vom bisher dominierenden kurativen Ansatz in Richtung Gesundheitsförderung, Prävention und Vorsorge sowie einer weitergehenden Einbindung von Angehörigen nichtärztlicher Gesundheitsberufe“. Mehrmals verweisen die Autoren auch im ersten Teil (dem ausführlichsten) auf die Apotheker: Zur Verbesserung der Generikaquote schlagen sie vor, die Rolle der Apotheker innerhalb des Gesundheitswesens zu stärken („increasing the role“), was die Effizienz verbessern und die Last für die Ärzte reduzieren würde. Unmissverständlich die Empfehlung hinsichtlich Gesundheitskompetenz, Prävention und Gesundheitsförderung: „Pharmacists could be further trained to identify and manage patients with lower literacy levels.“

* Teil 1 (S. 1–671): International Comparisons and Policy Options (LSE Health); Teil 2 (672–890): Rechtliche Fragestellungen (Universität Salzburg); Teil 3 (891–1134): Originalbeiträge der Stakeholder; Teil 4 (1135– 1393): Situational Analysis (Contrast Ernst& Young); www.sozialministerium.at

4 Modelle für die neue SV-Struktur

  • Modell 1: vier Träger: Unfall, Pension, Unselbstständige (GKKs, BVA, VAEB, BKKs und KFAs) und Selbstständige (z.B. SVA und SVB)
  • Modell 2: wie Modell 1 plus ein Träger für öffentlich Bedienstete
  • Modell 3: eine nationale Pensionsversicherung und eine auf neun Landesträger aufgeteilte Kranken- und Unfallversicherung
  • Modell 4: Verbesserung des jetzigen Systems durch Steigerung des Risikostrukturausgleichs zwischen den Trägern und Verbesserung der Koordination durch „Joint Specialists Centres“ (inkl. HV, Sozial- sowie Gesundheitsministerium)