16. Sep. 2017

Ärzte in Not – Rettung in Sicht

Österreich gehen die Notärzte aus, Paramedics sind laut Ärztekammer aber nicht notwendig. Sehr wohl jedoch Reformen, allen voran in der Ausbildung. Anfang 2018 soll es so weit sein. (Medical Tribune 37/2017)

Notärztliche Dienste sind schwierig zu besetzen, es droht ein Personalloch – Experten kritisieren die Ausbildung und eine teils schlechte Bezahlung
Notärztliche Dienste sind schwierig zu besetzen, es droht ein Personalloch – Experten kritisieren die Ausbildung und eine teils schlechte Bezahlung

Engpässe bei den Notärzten sorgen regelmäßig für Schlagzeilen. Anfang 2017 in Wien, zwischendurch in der Steiermark, zuletzt in Kärnten. Dr. Roland Steiner, Referent für Notfall- und Katastrophenmedizin, schlug in der „Kärntner Ärztezeitung“ (Ausgabe Juli/August 2017) Alarm: Es drohe ein „massives Personalloch“, Dienste seien immer schwieriger zu besetzen, zudem steige auch noch die Zahl der (Fehl-)Einsätze. Als Gründe nennt er vor allem die neue Ausbildungsordnung (ÄAO 2015) und die schlechte Bezahlung von freiberuflichen vs. spitalsgebundenen Notärzten.

MT nahm dies zum Anlass, bundesweit genauer hinzuschauen. Welche Modelle gibt es, wo liegen die Probleme, wo die Lösungen? In Österreich gebe es im Wesentlichen fünf unterschiedliche Notarztsysteme, erklärt Burgenlands Ärzte-Chef Dr. Michael Lang, der auch ÖÄK-Referent für Notfall- und Rettungsdienste sowie Katastrophenmedizin ist:

  • KH-gebundene Modelle (überall): Notarzt ist vom Spital angestellt und fährt in Kooperation mit einem Rettungsdienst. Die Dienste fallen unter das Krankenanstalten-­Arbeitszeitgesetz (KA-AZG).
  • Berufsrettung (MA 70 in Wien): Die klassische Form gibt es nicht mehr (unzureichende Besetzung der Planstellen), seit 1. April 2017 sind daher auch in Wien die Notärzte in Spitälern des Wiener Krankenanstaltenverbundes stationiert.
  • Freiberufliche Modelle (überall außer Burgenland, bis auf den in Oberwart stationierten Rettungshubschrauber, wird aber jetzt angedacht): Notarzt hat Werkvertrag mit Rettungsdienst, typisch auch für Flugrettung.
  • Kombiniertes Modell (z.B. Steiermark): KH-gebundene Notärzte fahren in ihrer Freizeit mit dem gleichen Dienst.
  • Niedergelassene Ärzte, die für eine Blaulichtorganisation als Notärzte tätig sind (v.a. am Land, z.B. Tirol).

Organisatorisch als auch medizinisch hält Lang das KH-gebundene Modell für das beste: „Die Ärzte, meist Anästhesisten oder Notaufnahmeärzte, arbeiten im normalen Betrieb mit, sind medizinisch also ständig am Laufenden. Der Freiberufliche hat mit der Notarzttätigkeit nur zu tun in der Zeit, wo er Einsätze fährt.“ Außerdem: Alle KH-gebundenen Kollegen sehen die Folgen ihrer präklinischen Tätigkeit.

„Freizeit ist Freizeit“

Der Nachteil ist die Einschränkung der Arbeitszeit durch das KA-AZG. Hier helfen gemischte Modelle: Durch eine ASVG-Novelle (seit 1.1.2016 in Kraft) fallen Notärzte, die sowohl im Spital als auch freiberuflich als Notärzte tätig sind, aus dem KA-AZG heraus. Kritikern, die darin eine Umgehung des KA-AZG sehen, entgegnet er: „Das muss man schon fair betrachten, Freizeit ist Freizeit.“ Egal, ob jemand eine schwere Bergwanderung mache, extrem sportle oder Notarzt fahre, „es obliegt sehr wohl dem Einzelnen, dass er seine Tätigkeit so wählt, dass er hintennach nicht müde ins Krankenhaus geht“. Das weitaus größere Problem sei ohnehin die drohende Personallücke durch die ÄAO 2015, wie auch Steiner aus Kärnten diagnostiziert: Fachärzte erwerben jetzt das Ius practicandi erst nach Ende ihrer Ausbildung (nicht nach dem Turnus), sie dürfen also gar nicht früher Notarzt fahren, selbst wenn sie wollten. Die Lösung laut Steiner: Rasch die „Ausbildung Neu für Notärzte“ zu beschließen, ein Konzept liege in der Schublade.

Lang dazu: „Die Verhandlungen zum ‚Notarzt Neu‘ laufen schon sehr lange“, mit der ÄAO sei das natürlich „hochakut“ geworden, der § 40 im Ärztegesetz (Notarztausbildung) gehöre grundlegend geändert. Er ist aber zuversichtlich: „Wir sind in sehr intensiven Verhandlungen mit dem Gesundheitsministerium und ich hoffe doch, dass wir in absehbarer Zeit ein Ergebnis haben.“ Die Ausbildungs­inhalte seien fertig, es gehe jetzt rein um die juristischen Hintergründe. Inhaltlich möchte Lang nichts „prä­judizieren“, die Eckpunkte sind jedoch klar: Erstens eine qualitativ hochwertige Ausbildung, u.a. mit supervidierten Ausfahrten und dem Erlernen gewisser Skills. Zweitens: „Der, der da hinausfährt, muss haftungsrechtlich abgesichert sein.“ Ziel der neuen gesetzlichen Basis sei es, die Nachwuchsprobleme abzufangen.

BMGF für rasche Umsetzung

Das Ministerium habe, so Lang, den von der ÖÄK deponierten Fahrplan zugesagt: Ein Beginn der neuen Notärzteausbildung mit 1. Jänner 2018 sei „realistisch“ – trotz Nationalratswahl. Auf MT-Anfrage bestätigt das BMGF die laufenden Gespräche mit der ÖÄK zur Reform der Notarztausbildung, lässt sich jedoch nicht festnageln: Für die Umsetzung brauche es zunächst eine gesetzliche Neuregelung bzw. in Folge eine Verordnung. „Bis wann eine Umsetzung möglich ist, hängt auch davon ab, wie rasch die Gespräche tatsächlich abgeschlossen werden können“, man sei jedenfalls für eine „rasche“ Umsetzung.

„Noch haben wir ein sehr gut funktionierendes Notarztsystem“, ist Lang davon überzeugt, „dass es auch nichts Besseres für den Patienten gibt, als einen Notarzt vor Ort zu haben“. Von Alternativen, wie das Notarztsystem durch Paramedics zu ersetzen, hält er nichts: „Das ist mit Sicherheit eine Verschlechterung der Patientenversorgung. Wir brauchen keine Paramedics, sondern gut ausgebildete Rettungssanitäter.“ Auch beim Thema Fehleinsätze spiele es eine Rolle, wie sensibel eine Zentrale auf Alarmierungen reagiert – ob sie gleich den Notarzt schickt oder doch vorher einen gut ausgebildeten Sanitäter.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune