29. Aug. 2017

Starthilfe für 75 Zentren bis 2021

Das Gesundheitsministerium drückt bei den Primärversorgungszentren auf die Tube und greift Wagemutigen organisatorisch, finanziell und juristisch unter die Arme. Bisher gibt es nur zwei Pilotprojekte. (Medical Tribune 30-34/2017)

Zielwerte für Regionale Gesundheitszentren  Bis 2021 soll es mindestens 75 Zentren in ganz Österreich geben. Die Anzahl pro Bundesland regelt der Bundeszielsteuerungsvertrag.  Viele der Standorte sind nach wie vor offen.  Quelle: BMGF
Zielwerte für Regionale Gesundheitszentren
Bis 2021 soll es mindestens 75 Zentren in ganz Österreich geben. Die Anzahl pro Bundesland regelt der Bundes-Zielsteuerungsvertrag. Viele der Standorte sind nach wie vor offen.
Quelle: BMGF

Nach einer schweren Geburt – die ersten Wehen kündigten sich bereits im Sommer 2015 an – war es heuer so weit: Das Primärversorgungsgesetz erblickte das Licht der Welt. Seit der Kundmachung Anfang August 2017 können Ärzte mit anderen Gesundheitsberufen und im Einklang mit Sozialversicherung und Land „Regionale Gesundheitszentren“ gründen. 75 solcher Zentren sollen es bis 2021 sein. Wobei das Ministerium für Gesundheit und Frauen (BMGF) zwar von „Zentren“ spricht, aber auch Netzwerke möglich sind. Derzeit gibt es nur zwei Pilotprojekte, in Wien (www.medizinmariahilf.at) und Enns in OÖ (diehausaerzte.at). Zur Erinnerung: Im Vorjahr hätte schon ein Prozent der österreichischen Bevölkerung in Primärversorgungseinrichtungen versorgt werden sollen. Allein, es fehlten und fehlen die Ärzte, die sich drübertrauen.

Um die Ärzte(kammer) endlich ins Boot zu holen, startete Gesundheitsministerin Dr. Pamela Rendi-Wagner (SP) höchstpersönlich nun eine „Gründungsinitiative“. Das Ministerium ortet „großes Interesse“ seitens der Ärzte, regionale Gesundheitszentren umzusetzen. „Wir wollen über die neuen Möglichkeiten umfassend informieren und Interessierte mit praktischen Maßnahmen unterstützen“, heißt es auf MT-Anfrage. Das Ministerium könne z.B. mit „Musterverträgen“ helfen oder dabei unterstützen, Fördermittel zu bekommen. Es gebe bereits bestehende Fördertöpfe, z.B. aus den Strukturmitteln für die ländliche Entwicklung der EU. Zusätzlich seien 200 Millionen Euro zweckgewidmet, die je nach Bedarf in den Ländern ausgeschüttet würden. So könne es etwa eine Anschubfinanzierung für neue Gebäude, EDV oder medizinisch-technische Geräte geben oder Investitionen in langfristige Kosten wie die Anstellung von Pflege- und Gesundheitspersonal.

Eine weitere Herausforderung: Für jedes Regionale Gesundheitszentrum müsse ein Versorgungskonzept her. „Da geht es darum, wie die medizinische Versorgung ganz konkret organisiert werden soll, welche Schwerpunkte oder Spezialisierungen angeboten werden“, erklärt das BMGF. Dazu brauche man unterschiedliche Informationen, angefangen von häufigen Gesundheitsproblemen der regionalen Bevölkerung bis zu bereits bestehenden Versorgungsangeboten. Auch würden sich Fragen ergeben, die sich auf die Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitseinrichtungen wie Pflegeeinrichtungen oder Apotheken beziehen. „Vieles davon ist Neuland für die Ärztinnen und Ärzte. Wir wollen hier Hilfestellung geben und mit den notwendigen Informationen unterstützen.“

„Anstellung wird kommen“

Und warum spießt es sich bei der Möglichkeit einer Anstellung von Ärzten bei Ärzten? Wie könnte hier eine Lösung zustande kommen? „Die Möglichkeit zur Anstellung wäre ein wichtiger Schritt gewesen und hätte Vorteile gebracht. Leider gab es sehr unterschiedliche Auffassungen über die Rahmenbedingungen, daher ist es zu keiner Einigung gekommen“, bedauert Ressort-Chefin Rendi-Wagner gegenüber MT. Aber: „Ich glaube, dass in einem ersten Schritt auch ohne die Anstellungsmöglichkeit gute Rahmenbedingungen für Ärztinnen und Ärzte geschaffen wurden. Früher oder später wird die Anstellung aber kommen müssen, davon bin ich überzeugt.“ Die Angabe der Standorte der Zentren (deren Anzahl wurde im Bundeszielsteuerungsvertrag vereinbart, siehe Grafik) sei noch nicht möglich, die Projekte befänden sich in unterschiedlichen Stadien. Wien-Donau­stadt und Weiz (Steiermark) seien jedoch schon sehr weit.

Mission für Mrs. „M“ …

Auf seiner Website rührt das Ministerium jedenfalls kräftig die Werbetrommel. Fallbeispiele von der hochbetagten Diabetikern über den gesundheitsbewussten Mittdreißiger, die Durchschnittsfamilie bis hin zur „Frau Dr. M., Allgemeinmedizinerin“ sowie „Frau Z., Bürgermeisterin“ sollen Gusto auf die neuen Zentren machen. Ein Extra-Punkt zählt die Vorteile für Ärzte und andere Gesundheitsberufe auf. Ob die Hauptpersonen damit auf den Geschmack kommen, wird sich weisen.

Webtipp
Auf www.mehrgesundheit.gv.at gibt es Infos, Videos, FAQ etc. Unter „Service“ finden gründungswillige Ärzte und andere Gesundheitsberufe konkrete Ansprechpartner in jedem Bundesland.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune