Retschitzegger: Fokussierte Unintelligenz

Da man der schon einige Jahre alten Aussage von Michael Häupl: „Wahlkampf ist die Zeit fokussierter Unintelligenz“ aus Erfahrung schwer widersprechen kann, können wir uns ja auf einiges gefasst machen. Weder wissen wir, was des Pudels Kern sein wird, noch, wie es über Kurz oder Lang weitergehen wird. Da wir darüber hinaus soeben gesehen haben, dass im Zuge eines politischen Besuches in Europa sogar dem fast immer lächelnden Papst Franziskus dieses Markenzeichen der liebenden Lebensfreude kurzzeitig abhanden kommen kann, sollten wir unser eigenes inneres Kontrastprogramm für die kommenden Monate überlegen.

Eine hervorragende Möglichkeit dafür stellen immer wieder Literatur und Theater dar. Im Wiener Akademietheater hatte mit „Die Perser“ kürzlich die älteste überlieferte Tragödie der Weltliteratur Premiere. Der Verfasser Aischylos (525–456 v.Chr.) hat selbst auf griechischer Seite am Kampf gegen die Perser teilgenommen. Zum siegreichen Volk gehörig hat er vor knapp 2500 Jahren das Schicksal der Perser in diesem Werk beschrieben. Die Eindrücklichkeit des Stückes und dieser großartigen Inszenierung humanisiert und trifft unser Innerstes – wenn wir uns darauf einlassen.

Achtsamkeit für das Alter(n)

Theater ist alt – und für manche antiquiert. Apropos alt: Auch wenn wir von den alten „Digitalis“-Medikamenten immer weiter wegkommen, schreiten „Digitalisierung“ und Technisierung voran. Und genauso kann durch den Blick auf das Alte gutes Neues geschaffen werden. Die demographische Entwicklung lehrt uns die notwendige Achtsamkeit für das Alter. Nein – „das Alter“ gibt es ja nicht – nur das Altern. In diesem Sinn dürfen wir hoffen, dass das Altern in unserer Gesellschaft hochgehalten wird und wir das zunehmende Altern nicht nur als Herausforderung, sondern auch als Ausdruck von Leben und Lebensfreude sehen. Allerdings: Diese alte Politik des Stillstands der vergangenen Jahre, in denen dauernder Vorwahlkampf und gegenseitige Blockade dominierten, will niemand. Setzen wir also dem kommenden Herbst die „Trotzmacht des Geistes entgegen“, eine lebensrettende Erfahrung von Viktor Frankl aus schrecklichen, ganz anderen Zeiten. Lesen wir! Gehen wir ins Theater!

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune