Weltmuttersprache

In den 1970er und 80er Jahren gab es noch die Hoffnung und den Plan, die erfundene Sprache „Esperanto“ weltweit zu vermitteln und zu lehren, und damit irgendwann eine allseits verwendbare und verständliche Einheitssprache zu schaffen. Im Zuge der Globalisierung und der politischen Veränderungen der letzten Jahrzehnte wurde dieser Plan aufgegeben, weil sich zeigte, dass er nicht umsetzbar ist. Im Zuge des aktuellen Gedenkens an den 80 Jahre zurückliegenden sogenannten „Anschluss“ zeigt sich immer wieder, wie die geplante Schaffung von einem „Großreich“ stattdessen zu Untergang, Vernichtung und Entmenschlichung geführt hat, deren schreckliche menschliche Folgen für immer Mahnung und Wegweisung sein müssen. So bleiben die Frage und der Auftrag, wie wir statt Einheitssprache und der verrückten Fantasien von gestörten Diktatoren eine wirksame Zusammenführung des Menschseins schaffen können. Wo stehen wir am Weg dorthin?

Fremdenfeindlichkeit

In einem kürzlich abgehaltenen Workshop in einem Wiener Pflegeheim war ich betroffen und erschüttert von Erzählungen von MitarbeiterInnen mit Migrationshintergrund, welche beschrieben, dass sie immer wieder mit fremdenfeindlichen und abwertenden Kommentaren bedacht und benannt werden. Und zwar von den betreuten Menschen selbst, ihren Angehörigen, aber auch von KollegInnen aus den eigenen Betreuungsteams. Wir alle wissen, dass die Pflege und Betreuung von alten und kranken Menschen hierzulande mittlerweile unmöglich wäre, wenn nicht viele Menschen aus anderen Ländern mithelfen würden, dass unser Gesundheitssystem funktionsfähig bleibt. Nichtsdestotrotz wird also sogar hier immer wieder Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung statt Dankbarkeit spürbar. Bei der großen Gedenkveranstaltung zu den schrecklichen Vorgängen in Österreich von 1938 hat André Heller in seiner Rede berührende Worte gefunden. Und er entwickelte dort das schöne Bild von der „Weltmuttersprache des Mitgefühls“! Was für ein faszinierender Gedanke, was für ein schöner Auftrag an uns alle! Es gibt die Sprache, in der wir uns alle verständigen und verstehen können. Wir können sie täglich lernen, in uns selbst weiterentwickeln und in unserer Umgebung spürbar verbreiten. Sprechen wir sie miteinander!

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune