22. März 2018

„Ich bin süchtig nach Oldtimern“

Die WHO hat erst kürzlich Computerspielsucht als Krankheit eingestuft. Eine andere Leidenschaft ist davon weit entfernt, wie wohl auch sie offensichtlich hohes Suchtpotenzial hat: das Sammeln alter Autos. Ein Arzt gab dafür sogar seine Karriere auf. (Medical Tribune 12/18)

Zwei echte Klassiker: ein Packard Six Shooting Brake aus 1927 (li.) und ein Jaguar E-Type Coupé (re.).
Zwei echte Klassiker: ein Packard Six Shooting Brake aus 1927 (li.) und ein Jaguar E-Type Coupé (re.).

Dr. Jackob Barnea hat Medizin studiert und nebenbei Oldtimer restauriert. Zunächst noch als Assistenzarzt tätig, blieb die Medizin letztendlich auf der Strecke. Zu groß war die Leidenschaft für alte Autos. Oldtimer-Agenden sind seither „Hobby und Beruf“, freilich auch Sucht. Medical Tribune traf den langjährigen Präsidenten des Oldtimer Automobilclub Austria zum Talk über einen faszinierenden Sammlermarkt. Und holte wertvolle Tipps zum Thema Anschaffung, Wertsteigerungspotenziale sowie Erhaltungskosten ein.

Was gilt als Richtschnur für Preise und Preisentwicklung am Oldtimer-Markt?

Jackob Barnea: Hier gilt eine Faustregel: Fahrzeuge, die als Neuwagen bereits sehr teuer waren, sind auch als Oldtimer teuer. Fahrzeuge, die eine bestimmte Karosserieform aufweisen oder von einem bekannten Karosserieunternehmen seinerzeit futuristisch od. klassisch als Coupé od. Cabrio in geringerer Stückzahl und als Sonderkarosserie gebaut wurden, erzielen heute hohe Preise. Einige Beispiele: Der Mercedes 300SL 1955 konnte 2006 noch um 500.000 Euro gekauft werden und ist heute ab 1.000.000 Euro aufwärts wert. Der Jaguar E-Type Cabrio 1962 kostete vor zehn Jahren an die 40.000 bis 50.000 Euro und wird heute mit 150.000 bis 200.000 Euro gehandelt. Der Jaguar E-Type Coupé ist in diesem Sinne auch um 50 bis 75 Prozent teurer geworden.

Wann haben Sie mit dem Sammeln begonnen, welche Automobile um welchen damaligen Preis gekauft?

Barnea: Begonnen habe ich mit meiner gewerblichen Tätigkeit 1981 mit Lancia Augusta 1935, Humber Super Snipe Saloon 1956 und Ford Transit FK 1000 1958. In den 1970er-Jahren hat die Lancia 11.000 Schilling (ca. 800 Euro), der Humber 1.000 Schilling (ca. 140 Euro) und der Ford Transit 1.500 Schilling (110 Euro) gekostet.

Wie lange haben Sie gebraucht, um Ihr Museum mit Verleih sowie die Auktionen zu positionieren? Welche Kriterien ergeben den Schätzwert?

Barnea: Für die Gründung des Museums 17 Jahre. Als neues Produkt seit Dezember 2017 müssen die Auktionen noch etabliert werden. Ein Schätzwert hängt von der allgemeinen Beschaffenheit eines Fahrzeuges wie z.B. bereits erzielten Preisen, Trend, Seltenheit, Zustand usw. ab.

Was ist Ihr automobiler Traum und sehen Sie sich mehr als Sammler oder als Vermittler und Verkäufer?

Barnea: Ich bin ein notorischer Sammler und süchtig nach Oldtimern. Heute versuche ich, hauptsächlich Rolls-Royce-Oldtimer und ältere schöne englische Automobile, vor allem Cabriolets, zu erwerben. Mein Traum: ein offener Rolls-Royce aus den 1920er-Jahren. Vermittlung und Verkauf machen mir Spaß, sind teilweise Mittel zum Zweck. Mein Anliegen ist, die Käufer in eine Oldtimerwelt einzuweihen, damit sie mit dem gekauften Oldtimer zufrieden und glücklich sind. Weiterhin gute Kontaktpflege mit den Erwerbern ist wichtig, bei Bedarf stehe ich gerne helfend zur Verfügung.

Wie schwierig ist es, schöne Rolls-Royces „preiswert“ zu bekommen?

Barnea: Da hängt der Preis ebenso von der Type ab. Man bekommt einen schönen und guten Rolls-Royce Silver Shadow auch um 20.000 bis 25.000 Euro.

Kennen Sie Sammler, die ihre Leidenschaft in den Konkurs gebracht hat?

Jackob Barnea (hier mit dem jetzigen Bundeskanzler Sebastian Kurz)
Jackob Barnea (hier mit dem jetzigen Bundeskanzler Sebastian Kurz)

Barnea: Ich habe früher Sammler gekannt, die in Konkurs gingen, weiß allerdings nicht, ob die Oldtimer die Ursache waren. Die Gebrüder Schlumpf, die nach dem Krieg die wertvollsten Oldtimer weltweit kauften, nach Elsaß brachten und eine enorme Sammlung aufbauten, mussten die Pforten ihrer Textilfabrik schließen, weil sie infolge der Kosten ihren Fabrikmitarbeitern die Gehälter nicht mehr zahlen konnten, fast gelyncht wurden und unter Polizeischutz Frankreich verlassen mussten. Der Bestand ist derzeit im Musée National del Automobil Mulhouse- Cité de l‘Automobile zu sehen.

Macht Oldtimer-Sammeln Sinn ohne Kontakt zu spezialisierten und leistbaren KFZ-/Oldtimer-Mechanikern?

Barnea: Oldtimer sammeln macht im Falle der Selbstbefriedigung Sinn, auch wenn man über keine Kontakte verfügt. Will jemand einen Oldtimer kaufen und sich an der Benützung des Oldtimers erfreuen, so sollte er über Kontakte zu Spezialisten, Gleichgesinnten und leistbaren Werkstätten verfügen. In Österreich existieren viele gute Werkstätten und Mechaniker für Oldtimer. Wenn man sich einen dieser Mechaniker – am besten über Empfehlung – leisten kann, ist man auf der Sonnenseite.

Wie kann ein Laie verborgene Mängel erkennen, worauf sollte man größte Aufmerksamkeit vor dem Kauf legen?

Barnea: Ein Laie kann diese nicht erkennen. Auch Spezialisten und Fachwerkstätten haben mit verborgenen Mängeln leichte Probleme. Ein Oldtimerkauf sollte überlegt und am besten in Begleitung eines Spezialisten durchgeführt werden.

Ab wann setzt die aktuelle Hochpreis-Ära für die Top-Liga (zB. Ferrari 250 GT SWB California Spider, 1961) ein?

Barnea: Diese hat bereits 1990 begonnen, wo z.B. für Ferrari die Preise künstlich hochgetrieben wurden. Ein trauriges Beispiel: 1990 kaufte ein Japaner einen Ferrari 250 GTO um 17.000.000 US-Dollar. Drei Jahre später verkaufte er um 3.500.000 Dollar. Eine markante Preissteigerung ergab sich ab 2009. In den letzten Jahren kam es wieder zu enormen Preissteigerungen seltener und teurer Fahrzeuge, auch bei bestimmten Porsche-911-Modellen wie Carrera RS und bspw. beim Jaguar E-Type Convertible 1. Serie.

Jährliche Erhaltungskosten

Diese hängen ab von: Zustand des Oldtimers, Einsatz, Wert und Beschaffenheit sowie von den Kontakten zu Fachwerkstätten. Durchschnittliche direkte (Service, Reparatur, Treibstoff, Versicherung, Garagierung etc.) Gesamtausgaben für einen Oldtimer: ca. 8.500 Euro/Jahr Indirekte Ausgaben (Veranstaltungen, Nächtigungen, Zeitschriften, Museen etc.): ca. 1.500 Euro/Jahr

Zustand-Kategorien und Wertsteigerung bzw. -minderung

Oldtimer im Originalzustand sind immer etwas Wertvolles, auch mit bestimmter Patina im Außen- und Innenbereich. Für den Fahrbetrieb muss Verkehrs- und Betriebssicherheit entsprechend Überprüfung (§ 57 a) gegeben sein. Die Zustand-Kategorien im Detail:

  1. Original und im sehr guten bis exzellenten Zustand
  2. Gut restauriert oder im guten Originalzustand mit leichten Schäden im Außen- und Innenbereich
  3. Mittlerer bis guter Zustand, fahrbereit, verkehrs- und betriebssicher
  4. Fahrzeug mit erheblichen Schäden, restaurierungsbedürftig
  5. Wrack, geeignet als Ersatzteilträger oder mit großem Aufwand zum Restaurieren

Wertsteigerung bei Fahrzeugen Kat. 1–3, in Kat. 4 u. 5 bei ganz wertvollen Modellen. Ursachen für Wertminderung sind schlechter Zustand, nicht original eingebaute Elemente, schlecht und unfachmännisch restaurierte und nicht gepflegte Fahrzeuge. Weiters solche, die nicht so wertvoll sind und bei der Lagerung von Motten, Mäusen beschädigt wurden. Der Preis teurer Fahrzeuge hängt auch ab von: Originalfahrgestell und Motornummer (matching numbers), Geschichte des Fahrzeuges wie z.B. Renneinsätze oder davon, ob dieses Fahrzeug einem Prominenten gehört hat. Fahrzeuge mit niedrigem und originalem Kilometerstand erzielen höhere Preise.

Info

Barnea Austria Autovermietung – Oldtimertreff Wien
www.oldtimertreff.com www.oldtimer-auktionen.at

Firmengründer Dr. Jackob Barnea begann als Medizinstudent Oldtimer zu sammeln und zu restaurieren. Ende 1980 mietete Barnea Wiens älteste KFZ- Reparaturwerkstätte, renovierte diese und begann, auch für Kunden zu restaurieren. Nebenbei wurden Oldtimer angekauft und sowohl national als auch international verkauft. Barnea begann, interessante Oldtimer und Sportwagen zu sammeln und diese sowohl Filmgesellschaften, Werbeagenturen und Fotografen für diverse Produktionen als auch Privatpersonen für Hochzeits- und Geburtstagsfahrten zu vermieten. Mittlerweile betreibt Barnea mit mehr als 100 Fahrzeugen Europas größtes Oldtimer-Vermietungsunternehmen und präsentiert in seinem seit 1997 existierenden Automobil-Museum Automobile und Motorräder aus der Zeit von 1886 bis 2006, darunter viele Raritäten. Zur Abrundung bietet Barnea für Firmen und Organisationen Oldtimer-Rallyes und Sportwagen-Events an.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune