2. Feb. 2017

Tipps für ein zweites Standbein

cartoon_antragNeben der Spitalstätigkeit ist die Mitarbeit in einer Ordination oder sogar das Eröffnen einer eigenen Praxis für viele Ärzte eine interessante Option für eine unabhängige Zukunft. Sie wirft aber auch Fragen auf. (Medical Tribune 5/2017)

Wer wie viele Oberärzte oder Primarärzte „nebenbei“ selbständig tätig werden und vielleicht sogar eine eigene (Wahlarzt)Praxis aufbauen möchte, muss vorab grundsätzlich überprüfen, ob sich das lohnt. Mag. Wolfgang Leonhart, Steuerberater spezialisiert auf Ärzte in Wien, verrät im Gespräch mit Medical Tribune, worauf es dabei ankommt.

1    Wann überlegen Spitalsärzte in der Regel erstmals, neben ihrem Angestelltenverhältnis selbstständig tätig zu werden?
„Das ist sehr unterschiedlich“, weiß Steuerberater Leonhart. Voraussetzung sei natürlich, dass der Arzt die Berufsbefugnis hat und über entsprechende Fachkenntnisse verfügt, um etwa einen niedergelassenen Kollegen in dessen Ordination vertreten zu können. Ebenfalls wichtig seien freie Arbeitskapazitäten. „Es hängt sehr stark von der Situation im jeweiligen Dienstverhältnis und von der beruflichen Auslastung ab, ob überhaupt die Möglichkeit besteht, irgendwo ­regelmäßig mitzuarbeiten“, meint der Experte. Jüngere Ärzte hätten z.B. im Zuge der Ausbildung oft zeitlich befristete Dienstverträge. Wenn sie für die Zeit nach Ablauf des Dienstverhältnisses in Erwägung ziehen, eine eigene Praxis zu eröffnen bzw. sich in die Ordination eines Kollegen einzumieten, so sei es sinnvoll, zuvor neben der Spitals­tätigkeit Erfahrungen als Vertretungsarzt zu sammeln.

2    Sind Vertretungstätigkeiten nicht oft eine Voraussetzung, um später eine Kassenordination übernehmen zu können?
Das stimmt. In den einzelnen Bundesländern sehen die für die Vergabe von Kassenverträgen gültigen Punktesysteme, nach denen Interessenten für eine Kassenpraxis gereiht und bewertet werden, bei Praxisvertretungen oder bei Bestehen einer Wahlarztordination einen zusätzlichen Bonus vor. Ob man Kassenarzt werden wolle, sei ein Berufsfindungsprozess, betont Leonhart. In den vergangenen Jahren habe es ja sehr stark den Trend zur Wahlarztpraxis gegeben, es legten sogar Kassenärzte ihre Verträge zurück. „Ärzte, die sich für eine Vertragspraxis entscheiden, erwarten sich davon meist eine gewisse Absicherung durch die Kassenpatienten“, weiß der Steuerberater aus der Praxis.

3    Manchen Ärzten geht es vorrangig um die Möglichkeit eines Zuverdienstes. Wie kann man überprüfen, ob sich der Zusatzjob lohnt?
Bei Vertretungsärzten erfolgt die Honorierung auf selbstständiger Basis, meist tage- oder stundenweise. In manchen Fachgruppen sind auch Umsatzbeteiligungen üblich. „Jedenfalls weiß man in der Regel recht gut, wie lange man arbeiten muss und was dafür rausschaut“, erklärt Leonhart. Ob sich die Nebenbeschäftigung rentiere, werde vor allem davon abhängen, ob man lange An- und Abfahrtszeiten oder sonstige Nebenspesen hat. Die Honorare müssen natürlich auch versteuert werden.

Eine zweite von Spitalsärzten gerne genutzte Möglichkeit ist, sich ein oder zwei halbe Tage pro Woche in einer bestehenden Praxis oder einem Ärztezentrum einzumieten. Auch hierbei hält sich das Risiko in Grenzen. „Die Fixkosten für Miete und Ähnliches sind überschaubar. Wenn keine Patienten kommen, erwirtschaftet man allerdings trotzdem einen Verlust“, gibt Leon­hart zu bedenken.

Eine dritte Option wäre das Anmieten oder der Kauf einer Immobilie (z.B. Wohnung), um eine Wahlarztpraxis zu eröffnen. Hier komme der Überprüfung der Rentabilität große Bedeutung zu, stellt der Steuerberater klar. „Denn im Regelfall muss der Arzt dafür ja größere Investitionen schon im Vorfeld tätigen. Diese seien stark vom Fach und von der Praxisorganisation abhängig. Es empfehle sich, Experten zurate zu ziehen, wenn es um Themen wie die Erstellung eines Investitions- und Wirtschaftsplans, um Kaufverhandlungen, die Finanzierung, Versicherungen und sozialversicherungsrechtliche Fragen geht.

4    Wie lässt sich das wirtschaftliche Risiko zu Beginn möglichst gering halten?
Von Bedeutung ist, ob der Arzt Fulltime oder Teilzeit selbstständig tätig sein möchte. „Es gibt in der Praxis durchaus interessante Vorgehensweisen“, schildert Leonhart. Manche Ärzte können im Spital auf 20 oder 30 Wochenstunden reduzieren und haben so ausreichend Zeit für die Privatpraxis. Andere arbeiten Fulltime im Krankenhaus, können es sich aber so einteilen, dass sie ein- oder zweimal die Woche ihre Privatpraxis geöffnet haben. Zeigt sich im Laufe der Zeit, dass die Ordination wirtschaftlich gut läuft, dass sich eine ausreichend hohe Patientenfrequenz eingestellt hat, so biete es sich an, die Öffnungszeiten auszuweiten – wiederum in Abstimmung mit der Tätigkeit als Spitalsarzt. „Wenn ein Arzt hoch spezialisiert ist, wird auch eine Praxis mit kurzen Öffnungszeiten gut funktionieren“, empfiehlt der Steuerberater mit zu bedenken. „Bei einer Privatpraxis mit grob umrissenem Angebotsspektrum können hingegen die Patienten ausbleiben, wenn sie nur ein-, zweimal die Woche geöffnet hat.“

5    Wie wichtig ist die Standortwahl?
Schon auch sehr wichtig, betont Leonhart. Entscheidend für die Patientenfrequenz sei vor allem eine gute Erreichbarkeit, Stichworte: Verkehrsknotenpunkt oder Parkmöglichkeiten.

6    Was ist in punkto Finanzierung zu beachten?
Die Finanzierung ist ein sehr umfassendes Thema. „Wenn der Arzt die Praxis zur Gänze oder teilweise eigenfinanzieren kann, trägt er klarerweise ein geringeres Risiko, als wenn er einen Kredit aufnimmt“, streicht Leonhart einen wichtigen Punkt hervor. Die Banken seien, gerade was die Gründung von Wahlarztpraxen angeht, nur dann bereit nennenswertere Beträge zu finanzieren, wenn auch ein entsprechender Business Plan vorgelegt wird; und wenn absehbar ist, dass eine Erfolgschance besteht. „Das wiederum hängt stark vom jeweiligen Fach und Standort und von den Öffnungszeiten der Praxis ab“, erklärt der Steuerberater. „Bei einer Öffnungszeit von einem halben Tag die Woche wird die Bank schwerer von der Rückführbarkeit des Kredits zu überzeugen sein, als wenn es sich um eine laufend geöffnete Praxis handelt, bei der das Reüssieren plausibler ist.“

 

Seminar-Tipp
Der Verein „Ärzte für Ärzte“ veranstaltet gemeinsam mit Ärztespezialisten die Seminarreihe Recht, Steuern und Finanzfragen für Spitalsärzte:
Dienstag, 16.2.2017, 18–21 h: Arbeitnehmerveranlagung: So holen Sie Ihr Geld vom Finanzamt zurück. Von Steuerberater Mag. Wolfgang Leonhart. Jeder Teilnehmer erhält ein „Steuer-Handbuch für Spitalsärzte“.Donnerstag, 23.2.2017: Die Haftung des Arztes/Absicherung der Familie während der Ausbildung. Von Rechtsanwalt Dr. Heinz-Peter Wachter.Donnerstag, 2.3.2017: Praxiseröffnung – Der Arzt als Unternehmer / Der Weg zur erfolgreichen Praxisgründung. Von Steuerberater Mag. Wolfgang Leonhart.

Ort: Leonhart + Leonhart – Steuerberatung für Ärzte, 1070 Wien, Mariahilfer Str. 74a, Tel. 01/523 17 68
www.leonhart.at

Voranmeldung per E-Mail an: office@leonhart.at erforderlich!
Die Veranstaltungen erfolgen in Zusammenarbeit mit der Erste Bank.

 

 

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune