16. Apr. 2017

Testosteron-Therapie trotz Prostata-Karzinom?

Sad young man looking through the window

„Immer mehr Männer leben immer länger mit einem Prostatakarzinom. Und diese Männer befinden sich mehrheitlich in einem Alter, in dem auch vermehrt late onset Hypogonadismus auftritt. Damit ist es nur naheliegend, dass man es immer öfter mit Patienten zu tun bekommt, die in vielerlei Hinsicht von einer Testosteron-Ersatztherapie profitieren würden, die jedoch einmal ein Prostatakarzinom hatten“, sagt Dr. Peter Østergren vom dänischen Herlev und Gentofte Universitäts-Spital und stellt Frage, ob diese Männer nach aktuellem Evidenzstand Hormone bekommen dürfen, oder nicht.

Generell sei die Hypothese, dass Testosteron Prostatakrebs begünstige, nicht haltbar. Østergren verweist auf eine Reihe von Studien, in denen kein Zusammenhang zwischen einem hohen endogenen Testosteronspiegel und einem erhöhten Karzinom-Risiko gefunden wurde und Hochrisikokarzinome sogar häufiger bei Männern mit niedrigem Testosteron auftreten. Dieser Befund stand zunächst im Widerspruch zur Beobachtung, dass Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom von der Kastration profitieren. Allerdings konnte dieser Widerspruch mittlerweile mit dem Saturations-Modell von Morgentaler aufgelöst werden (1). Dieses besagt, dass der Tumor zwar Testosteron zum Wachsen benötigt, dabei jedoch sehr sparsam ist. Bereits ein Testosteron-Spiegel knapp über dem Kastrationsniveau genügt den Tumorzellen, eine weitere Erhöhung beeinflusst sie nicht mehr. Praktisch bedeutet das, dass auch ein unphysiologisch niedriges Testosteron, dem Tumor in aller Regel genügt – sofern der Patient nicht effektiv kastriert ist oder unter hormoneller Therapie steht.

Østergren betont, dass auch für die Testosteron-Ersatztherapie kein erhöhtes Risiko aggressiver Tumore gefunden wurde. Was allerdings bei Männern, die Hormonersatztherapie erhalten, tatsächlich öfter gefunden wird, sind low risk Karzinome. Der Grund dafür könnte schlichter detection bias sein: Männer unter Hormontherapie werden häufiger auf Prostatakarzinom untersucht.

Ist eine Hormonersatz-Therapie also für Männer nach einem Prostatakarzinom vertretbar? Sofern der Tumor in kurativer Intention behandelt wurde, spreche, so Østergren, nichts dagegen. In den wenigen verfügbaren Studien zur Testosterongabe nach radikaler Prostatektomie wurden auch keine Alarmsignale beobachtet. Die EAU-Leitlinie gibt daher vorsichtig grünes Licht, sofern es sich um einen Tumor mit niedrigem Risiko handelt, und die RPE mehr als ein Jahr zurückliegt.

Anders sieht die Situation bei Männern unter active surveillance aus, deren Prostata samt Tumor also noch vorhanden ist und die gewissermaßen unter intensiver Beobachtung stehen. Obwohl es auch hier Studien gibt, die zeigen, dass eine Hormongabe sicher sein kann, wird in den Leitlinien von einer solchen abgeraten. Insgesamt ist die Evidenz zu dieser Fragestellung dünn, betont Østergren.

  1. Shifting the paradigm of testosterone and prostate cancer: the saturation model and the limits of androgen-dependent growth. Eur Urol. 2009 Feb;55(2):310-20

Quelle: EAU 2017, State oft he Art Lecture „Testosterone Therapy in Men with Prostate Cancer“ am 26. März in London.