Hämatoonkologische Neuerungen

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So wie bereits in den letzten Jahren bestanden auch 2016 die Highlights im Bereich der Hämatoonkologie aus der Immuntherapie sowie aus dem verstärkten Einsatz von Erhaltungstherapien und verbesserter Risikostratifizierung mittels genauerer molekularer Diagnostik, auch im Bereich der minimalen Resterkrankung (MRD).

Chronisch lymphatische Leukämie (CLL)

Die Inhibierung der B-Zell-Signaltransduktion mit Ibrutinib, Idelalisib und Venetoclax hat bereits in den letzten Jahren Einzug in die Behandlung der CLL gefunden. Hier konnten 2016 erste Daten zur sequenziellen Therapie publiziert werden. Ziel des Einsatzes der neuen Substanzen ist unter anderem, ein tieferes Ansprechen zu erreichen, vor allem bei Hochrisikopatienten. Eine Interimsanalyse der CLL-M1-Studie hat auch den Einsatz einer Erhaltungstherapie mit Lenalidomid nach einer klassischen Immun-Chemotherapie in der Hochrisikogruppe belegt (Fink AM et al., ASH 2016, Abstract 229). Ein hohes Risiko wurde definiert über eine MRD-Positivität, del17p- oder TP53-Mutation.

Lymphome

Bei den lymphoproliferativen Erkrankungen wird weiterhin der Einsatz der Chimeric Antigen Receptor T cells (CAR-T-Zellen) untersucht. Diese Therapie konnte im vergangenen Jahr quer durch alle Entitäten und Indikationen erfolgreich angewendet werden. Bisher gibt es zwar noch keine Ergebnisse aus randomisierten Phase-III-Studien, und das Management der Nebenwirkungen muss noch optimiert werden, aber in naher Zukunft wird diese Art der Immuntherapie zu einem breiteren Einsatz kommen. Beim therapiebedürftigen, follikulären Lymphom hat die GALLIUM-Studie eine Überlegenheit des neuen CD20-Antikörpers Obinutuzumab gegenüber Rituximab, jeweils in Kombination mit Chemotherapie, gezeigt (Marcus R et al., ASH 2016, Abstract 6).

Die LyMa-Studie ergab eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens nach vier Jahren mit einer Rituximab-Erhaltungstherapie nach einer autologen Stammzelltransplantation bei jüngeren Patienten mit einem Mantelzell-Lymphom (Le Gouill S et al., ASH 2016, Abstract 145). In manchen Zentren wurde diese Behandlung bereits so durchgeführt und kann jetzt mit diesen Ergebnissen zum Standard werden. Beim refraktären bzw. rezidivierten Morbus Hodgkin kommen weiterhin Checkpoint-Inhibitoren und der CD30-Antikörper Brentuximab Vedotin zum Einsatz.

Akute Leukämien

Zu akuten Leukämien wurden Updates der WHO-Klassifikationen und der European-LeukemiaNet-Kriterien publiziert. Darüber hinaus gibt es einige neue interessante Antikörper wie z.B. das CD33-Konjugat Vadastuximab Tailirin, das gemeinsam mit der Induktionschemotherapie nach dem 3+7-Schema (drei Tage Anthrazyklin überlappend mit sieben Tagen AraC) zu einem verbesserten und v.a. schnelleren und tieferen Ansprechen bei Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) über 65 Jahren führt. Der Einsatz von Tyrosinkinasehemmern (z.B. Sorafenib, FLT3-Inhibitoren) wurde in zahlreichen Studien untersucht. Es ist daher zu erwarten, dass diese Substanzen in den nächsten Jahren in die Standardbehandlung integriert werden, und zwar als Monosubstanzen bei refraktären bzw. rezidivierten Patienten sowie in der Erhaltungstherapie bei Hochrisikopatienten. Highlights in der Behandlung der akuten lymphatischen Leukämie sind weiterhin der bispezifische CD3/19-Antikörper Blinatumomab und das neue CD22-Antikörper-Konjugat Inotuzumab Ozogamicin.

Myeloproliferative Erkrankungen/Myelodysplastische Syndrome (MDS)

Die Ergebnisse der EURO-SKI-Studie belegen, dass bei der chronisch myeloischen Leukämie unter bestimmten Voraussetzungen – insbesondere einem tiefen molekularen Ansprechen und engmaschiger Überwachung – die Behandlung mit Imatinib gestoppt werden kann (Richter J et al., EHA 2016, Abstract S145). Bei der Behandlung von MDS-Patienten wurden zusätzlich zu den hypomethylierenden Therapien zuletzt keine neuen Substanzen zugelassen. Vielversprechende Daten zum hämatologischen Ansprechen wurden aber aus Studien mit dem neuen IDH2-Inhibitor AG-221 gezeigt sowie mit den Checkpoint-Inhibitoren Nivolumab und Ipilimumab.  Für Patienten mit High-risk-Myelofibrose wurden 2016 gute Daten zur Kombination von Azacitidin und Ruxolitinib präsentiert.

Multiples Myelom

Beim multiplen Myelom wurde in mehreren Studien der Einsatz von Lenalidomid in der Erhaltungstherapie gut belegt – zumindest im Sinne einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens. Der CD38-Antikörper Daratumumab wurde rezent zugelassen und auch bereits in der subkutanen Gabe untersucht. Vielversprechende Daten gibt es auch zu Selinexor, einem oralen XPO1-Inhibitor, und zu Venetoclax, v.a. bei Patienten, die bereits mehrere Vortherapien hatten.