6. Sep. 2017

Fall: Aus der Brunnenkresse in die Leber

Foto: Wikimedia/CC - Zeynel CebeciEin vermeintlich bakterieller Leberabszess entpuppte sich bei einer 76-jährigen Frau letztlich als Parasitose. (Medical Tribune 36/2017)

Fieberschübe, erhöhte Entzündungswerte, dazu eine inhomogene Raumforderung in der Leber – eigentlich deutete bei der Patientin alles auf einen bakteriellen Leberabszess hin. Nur die ausgeprägte Eosinophilie passte nicht ins Bild. Zunächst sah die 76-jährige Frau türkischer Herkunft, die nach einem präsynkopalen Ereignis in die Notfallambulanz des Klinikums Ludwigsburg kam, wie ein Routinefall aus. Druckschmerz im rechten Oberbauch plus laborchemische Entzündungszeichen und leicht erhöhte Cholestasewerte schienen klar für eine Cholangitis zu sprechen. Mit der inhomogenen Raumforderung im rechten Leberlappen auf dem Ultraschallbild hatten Dr. Johannes Müller von der Medizinischen Klinik I und seine Kollegen deshalb eigentlich nicht gerechnet. Zumindest schien kein Tumor dahinterzustecken, so viel galt nach der Computertomographie als sicher. Auch das karzinoembryonale Antigen und andere Tumormarker lagen im Normbereich.

20 % Eosinophile, aber kein Hinweis auf Fadenwürmer

Aber wenn doch alles für einen Abs­zess im Oberbauch sprach, woher kam dann die erstaunliche Eosinophilie von 20 % im Differenzialblutbild der Patientin? Der Fall begann sich als immer komplizierter zu entpuppen: Anzeichen für Fadenwürmer waren zum Beispiel weder im Stuhl noch im Antikörpertest zu finden. Erfolgreich war erst die Suche nach ungewöhnlicheren Erregern: Der deutlich erhöhte Titer für Antikörper gegen den großen Leber­egel führte schließlich zur Diagnose Fasziolose. Wahrscheinlich hatte sich die Frau den Parasiten sechs Monate zuvor bei einem Besuch der alten Heimat eingefangen. Schließlich berichtete sie, dort regelmäßig Brunnenkresse vom Markt gegessen zu haben. Wenn sich Menschen mit Fasciola hepatica infizieren, geschieht das in der Regel entweder über den Kontakt mit tierischem Kot, kontaminierten Wildkräutern oder Wasserpflanzen. Auf diese Weise wird der Parasit sonst auch auf den eigentlichen Wirt übertragen, pflanzenfressende Nutztiere wie Schafe und Rinder.

Bis zu 17 Millionen Personen sind weltweit von diesem Egel befallen, über Tiertransporte hat sich der Parasit inzwischen sogar nach Spanien, Portugal und Frankreich verbreitet. In der Regel ist die Krankheit allerdings eher ungefährlich: Der akuten Phase der Leberdurchwanderung mit Oberbauchschmerzen, Hepatosplenomegalie und Fieber folgt nach sechs bis zwölf Wochen die meist asymptomatische chronische Phase. Aber es kann auch zu Komplikationen kommen, wie das Beispiel der Ludwigsburger Patientin mit Abszessbildung in der Leber und bakterieller Superinfektion zeigt. Mit Ceftriaxon gelang es den Ärzten zunächst, den Zustand der 76-Jährigen zu stabilisieren. Gegen den Parasiten selbst hilft kein Praziquantel, obwohl er zu den sonst sensiblen Trematoden gehört. Als Mittel der Wahl nennen die Autoren Triclabendazol, das über eine internationale Apotheke importiert werden muss. Nach zweimaliger Gabe liegt die Heilungsrate bei fast 100 %. Im vorliegenden Fall besserten sich damit im Verlauf von sechs Monaten Symptome, Laborparameter und Lokalbefund.

Quelle: Mueller J et al., Internist 2017; 58: 503–6

MIC

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune