21. März 2017

„Die Jungen bekommen jetzt eine Chance“

Die krebs:hilfe! hat Univ.-Prof. Dr. Günther Gastl, Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin V, Innsbruck, nach Neuigkeiten aus dem Comprehensive Cancer Center gefragt. Gastl setzt vor allem auf Nachwuchsförderung und Vernetzung, auch in die Nachbarländer. (krebs:hilfe! 3/17)

krebs:hilfe!: Am CCC Innsbruck (CCCI) ist für 2017 die Eröffnung eines neuen Gebäudes geplant, das die Netzwerkstruktur des Krebskompetenzzentrums widerspiegeln soll. Wie weit sind die Arbeiten fortgeschritten?

Gastl: „Innsbruck ist eine Kaderschmiede für ausgezeichnete Ärzte der Hämatologie und internistischen Onkologie.“
Gastl: „Innsbruck ist eine Kaderschmiede für ausgezeichnete Ärzte der Hämatologie und internistischen Onkologie.“

Gastl: Es entsteht derzeit eine zentrale Einheit, wo wir eine große interdisziplinäre Tagesklinik und Ambulanz, eine Art One Stop Shop für onkologische Patienten, einrichten. Das heißt, die Beratung, die ambulante und die tagesklinische Betreuung plus Palliativversorgung und das Zentrum für onkologische Studien sind in einem Gebäudekomplex auf einer Etagenebene zusammengefasst. Das alles befindet sich derzeit noch in der Bauphase. Aktuell wird die Geschäftsstelle und die IT-Infrastruktur des CCCI eingerichtet. Das große, von außen gut sichtbare Event ist die Eröffnung des neuen Gebäudes Ende 2017.

Gleichzeitig gehen gute Leute aus Innsbruck weg …

Ja, denn Innsbruck ist eine Kaderschmiede für ausgezeichnete Ärzte auf dem Fachgebiet der Hämatologie und internistischen Onkologie, die ihren Karriereweg dann auch auswärts fortsetzen. Doz. Wolf erhielt eine klinische Professur an der Universitätsklinik in Bonn, Prof. Hilbe ist Chef am Wiener Wilhelminenspital geworden. Prof. Eisterer wurde Primarius am LKH Klagenfurt, und Doz. Rumpold, der bei uns habilitiert hat, wurde jetzt Abteilungsvorstand am LKH Feldkirch. Die großen onkologischen Abteilungen im Westen – Linz, Wels, Salzburg, Klagenfurt und Feldkrich – sind alle aus Innsbruck besetzt worden.

Konnten Sie die zuletzt frei gewordenen Stellen schon nachbesetzen?

Es ist sehr schwierig, auf dem Niveau von Fachärzten Onkologen zu rekrutieren. Wir haben jetzt zwei erfahrene Onkologen für uns gewinnen können: Dr. Kathrin Philipp-Abbrederis kommt aus dem Universitätsklinikum München, und ein zweiter Onkologe, Doz. Dr. Gilbert Spizzo, kommt aus Italien zurück zu uns. Zwei unserer Fachärzte sind derzeit karenziert und befinden sich beruflich im Ausland. Dr. Andreas Pircher forscht seit zwei Jahren als Schrödinger-Stipendiat im Vesalius Research Center an der Universität Leuven in Belgien und kehrt in Kürze zu uns zurück.

Dr. Georg Pall arbeitet seit einem Jahr als Pneumoonkologe in einem Zentrum für Lungenerkrankungen in Bayern. Im ersten Halbjahr 2017 gelangt mit der Stelle eines geschäftsführenden Oberarztes eine Schlüsselposition des CCCI zur Ausschreibung. Zu den Hauptaufgaben in dieser Position zählen u.a. die Koordination von interdisziplinären Tumorkonferenzen und des klinischen Studienprogramms sowie die Umsetzung von gemeinsamen Therapieleitlinien.

Und wie sieht es mit dem onkologischen Nachwuchs aus? Kommen genügend junge Onkologen nach?

Es ist eine schwierige Situation, weil das Feld der Onkologie durch das zunehmende Aufgabenspektrum und steigende Patientenzahlen wächst. Wir schaffen es kaum, in dieser Situation den notwendigen ärztlichen Nachwuchs zu generieren. Den Nachwuchs müssen wir im Wesentlichen aus dem eigenen Staff generieren, weil es unter den aktuellen Arbeitsbedingungen am Standort und in Österreich generell schwierig ist, Ärzte aus anderen Kliniken im In- oder Ausland zu gewinnen. Damit das gelingt, bieten wir bei uns jungen ÄrztInnen die Möglichkeit, berufsbegleitend ein klinisches Postgraduierten-Studium, das Clinical PhD-Program, zu absolvieren. Das heißt, junge Ärzte erwerben während ihrer Facharztausbildung noch ein Doktorat in Clinical Cancer Research.

Dieses PhD-Programm dauert mindestens drei Jahre, in denen die Absolventen alle Basics für die translationale und klinische Krebsforschung erwerben und an einem wissenschaftlichen Projekt eigenständig arbeiten. Bisher haben an unserer Klinik neun Ärzte in Ausbildung dieses PhD-Programm begonnen und drei davon bereits abgeschlossen. Daraus rekrutieren wir unseren Nachwuchs mit dem Doppelprofil eines Forschers und Klinikers. Damit bietet die aktuell karrierebedingte Lücke an älteren Fachärzten jungen Kollegen und Kolleginnen die Chance, sich als wissenschaftlich orientierte Onkologen in einem universitären Tumorzentrum gut zu entwickeln.

Welche anderen Anreize gibt es für Onkologen in Innsbruck?

Insgesamt ist die CCC-Struktur natürlich für Onkologen sehr attraktiv. Die interdisziplinäre Arbeit interessiert die Leute im Ärzteteam sehr und bietet die Möglichkeit, am Campus und mit externen Partnern in Klinik und Industrie innovative Studienprojekte zu etablieren oder auch Forschungsaufenthalte im Ausland durchzuführen. Wir haben z.B. vier ärztliche Mitarbeiter aus Südtirol und deshalb sehr gute Kontakte zu italienischen Netzwerken und dem Tumorzentrum Mailand. Darüber hinaus affiliieren wir alle Mitarbeiter, die bei uns habilitiert haben, auf deren Wunsch dauerhaft mit der Medizinischen Universität Innsbruck.

Zum Beispiel hat Prof. Dr. Dominik Wolf, der nach Bonn berufen wurde, einen Werkvertrag mit uns. Ebenso arbeiten zwei habilitierte Kollegen aus Südtirol über Werkverträge eng mit uns zusammen. Diese Dozenten und Professoren kommen nach Innsbruck, arbeiten mit uns gemeinsam an klinisch-wissenschaftlichen Projekten und halten Vorlesungen für Studenten. Das finde ich eine sehr gedeihliche Form der Kooperation. Für Südtirol, ein Land mit ca. einer halben Million Einwohnern, bauen wir damit auch die Stellung unserer Medizinischen Universität als Alma mater weiter aus.

Zur Vernetzung der CCCs in Österreich ist ein gemeinsames Exzellenzprogramm geplant. Läuft das schon?

Nein das läuft meines Wissens nach noch nicht. Es gibt ein Netzwerk der CCCs in Deutschland, da haben wir uns frühzeitig affiliiert. Wir sind in manchen Dingen oft stärker nach Deutschland orientiert als nach Österreich, weil ein großer Teil unserer Professorenschaft aus Deutschland berufen wird. Darüber hinaus sind wir traditionell in enger Verbindung mit onkologischen Abteilungen und Zentren in ganz Österreich und kooperieren intensiv mit österreichischen Studiengruppen wie der ABCSG und der AGMT. Mit unseren onkologischen Partnern in den peripheren Spitälern von Tirol, Vorarlberg und Südtirol haben wir gemeinsam mit dem Tumorzentrum Innsbruck bereits vor sechs Jahren das Onko-Netzwerk Westösterreich & Südtirol begründet, dazu im Tiroler Arbeitskreis für Onkologie einheitliche Diagnose- und Therapierichtlinien erstellt und gemeinsame Tumorboards über Videokonferenzen eingeführt.

Was gibt es sonst Neues vom CCC Innsbruck?

Wir sind eines der ersten europäischen Tumorzentren, das als Partner eines amerikanischen Exzellenznetzwerks (C.O.D.E.) molekulare Tumorprofilierungen durchführt und darauf basierende personalisierte Therapiekonzepte anbietet. Das heißt, Patienten werden im Rahmen eines klinischen Programms (Anmerkung: ONCOT-PROFIL) nach molekularer Tumor-Profilierung einem molekularen Tumorboard vorgestellt, um – wenn möglich – eine molekular zielorientierte Therapie festzulegen. Innerhalb von zwei Jahren wurden in diesem Programm unter der Koordination von Dr. Andreas Seeber bereits mehr als 100 Tumorerkrankungen profiliert und bereits die Hälfte dieser Patienten nach ihrem molekularen Tumorprofil behandelt.

Neu ist ein Konzept, das uns jetzt auch erlaubt, Immuntherapien mit anderen molekular zielorientierten oder konventionellen Therapien zu kombinieren. Dieses Kombinationsprogramm für diverse Tumortypen (Anmerkung: COMBASKET) setzt sowohl eine molekulare als auch eine immunologische Profilierung von Tumoren voraus und soll heuer anlaufen.

Vielen Dank für das Gespräch!