Das Robin Hood Gen in mir

Es gibt einen Satz, den kann die diensthabende Pharmazeutin nur noch schwer ertragen. Er lautet: „Haben Sie auch meine Prozente abgezogen?“ Variationen davon wie „Ich bekomme bei Ihnen Prozente“ oder „Kann ich vielleicht mehr Prozente haben?“ gelten natürlich genauso als Kopfwehmittel für ApothekerInnen. Ich glaube, es liegt am Wort „Prozente“. Die milde Form vom Einfordern des Rabattes „Bitte auf meinen Namen buchen“ oder „Ich bin bei Ihnen in der Kartei“ (was gar nicht zwangsläufig bedeuten muss, dass KundInnen Prozente bekommen – oft sammeln sie nur für ihren Jahresausdruck) tut viel weniger weh.

Ja, wir gewähren Prozente, und teilweise mehr als andere KollegInnen. Es hat sich aber herausgestellt, dass Erinnerungen an, Forderungen nach, und Bestehen auf Prozente bei der heftig einkaufenden Oberschicht viel üblicher sind als bei Otto und Trude Normalverbraucher. Woran liegt das? Das Robin-Hood-Gen in mir wäre ja stark daran interessiert, den ganz kleinen Leuten, zum Beispiel MindestpensionistInnen oder rezeptgebührenbefreiten AlleinerzieherInnen, Prozente zu geben, weil es für diese Klientel eben nicht egal ist, ob sie fünf Euro oder vier Euro fünfzig bezahlt.

cartoon_rabatt

Warum aber vor allem betuchte KundInnen ärgerlich werden, wenn nicht sofort als Erstes die Kundenkarte eingelesen oder der Name auf dem Computer aufgerufen wird, entzieht sich meiner Kenntnis. So stelle ich am Ende eines üppigen Einkaufs ohnehin die Frage nach Verbleib in der Kundenkartei. Und ich bin auch so nett und darf mit Erlaubnis der Chefin wiederkehrende PrivateinkäuferInnen mit dem Bonusrabattknopf versehen und ihnen das auch ankündigen, sodass sie Aussicht auf regelmäßig wiederkehrenden Rabatt haben.

Trotzdem muss ich immer wieder staunen, wenn vor allem die sehr gut verdienende Frau Doktor von ums Eck ein Kosmetikum der Durchschnittsapothekenmarke nach dem anderen prüfend in die Hand nimmt und wegen einem Preis von 13 Euro mit mir verhandeln will (von dem sie sowieso noch ein bisschen etwas abgezogen bekommt). Besonders staunen muss ich über jene, die ihre Produkte anderswo gekauft haben, die von der entsprechenden Firma ausgestellten Sammelkarten auch dort abstempeln ließen und bei uns die Karte für das extra Bonusprodukt einlösen wollen. Offensichtlich haben sie das System nicht verstanden, noch dazu, wo meist ganz klar auf diesen Karten zu lesen steht, dass sie bitteschön selber ihre Karten einschicken sollen.

Der Gerechtigkeit halber sei gesagt, dass es immer die gleichen Menschen sind, die mit derlei Gehabe auffallen. Der Großteil unserer KundInnen freut sich einfach. Manche sind tatsächlich vom feinen alten Schlag – nicht nur ältere Menschen! – und so nobel, dass es ihnen peinlich ist, jedes Mal darauf hinzuweisen. Sie gehen davon aus, dass man sie kennt. Und vergisst eine Kollegin ausnahmsweise darauf, sagen sie nichts. Da frau einige dieser wirklich feinen Damen kennt, passiert ihr da eh kein Fauxpas, und sie kann auch der lieben Kollegin einen zarten Hinweis liefern. Sogar gern!