„Das Ministerium dürfte an die FPÖ gehen“

EXKLUSIV-INTERVIEW – Ärztekammer-Präsident Dr. Thomas Szekeres muss sich auf eine neue Regierung einstellen. Warum er die schwarz-blauen Verhandlungen relativ gelassen verfolgt und was er von der Politik erwartet, erklärt er im Gespräch mit der Medical Tribune. (Medical Tribune 45/17) 
Szekeres Gesundheitsministerium

Medical Tribune: Was überwiegt beim obersten Ärztevertreter in Anbetracht des bevorstehenden politischen Machtwechsels: Freude über neue Kräfte oder Angst vor einer Verschlechterung?

Thomas Szekeres: Das hängt davon ab, was passiert. Uns geht es um die Inhalte und das, was umgesetzt wird, und nicht um die Farbe einer Partei. Ich kann sagen, dass Ministerin Pamela Rendi-Wagner eine sehr konstruktive und gescheite Person ist, mit der wir ein gutes Einvernehmen hatten. Sie konnte aber in Wahrheit wenig Akzente setzen, in den wenigen Monaten, in denen sie im Amt war.

Wenn man die Regierungsverhandlungen verfolgt, so hat man nicht den Eindruck, dass das Gesundheitsressort eines ist, um das sich alle reißen. Es ist allenfalls ein Goodie für Trade-offs. Teilen Sie diesen Eindruck und, wenn ja, ist das nicht traurig?

Ja, das Problem des Gesundheitsministers ist, dass er keinen Spielraum beim Budget hat. Die meisten Budgetposten sind Durchlaufposten. Der Gestaltungsspielraum, was das Gesundheitssystem betrifft, ist minimal. In Wirklichkeit hat der Finanzminister mehr zu reden. Und natürlich die Länder und Sozialversicherungen – das sind die wesentlichen Taktgeber des Systems, die teilen sich die Macht. Gesundheitspolitisch spielen die Länder eine wichtigere Rolle als der Bund. Ein Gesundheitslandesrat ist in seinen Bereichen wahrscheinlich einflussreicher als der Minister. Der Minister hat keine Weisungskompetenz über eine Krankenkasse oder über die Länder.

Was wünschen Sie sich von einer neuen Regierung?

Für uns ist wesentlich, dass ein niederschwelliger Zugang zum Gesundheitssystem bestehen bleibt. Der niedergelassene Bereich gehört gestärkt. Im Spitalsbereich sind die Kollegen zum Teil schon an der Kapazitätsgrenze angelangt. Viele Leistungen könnte man auslagern, wenn man sie in die kassenärztliche Versorgung geben würde. Ich komme gerade aus einem Gespräch mit Kollegen aus der Unfallchirurgie. Sie sagen, die Nachbehandlung könnte man im niedergelassenen Bereich wirtschaftlich günstiger und besser organisieren. Dann hätten die Spitalsärzte mehr Zeit für Eingriffe. Aber dazu braucht man auch eine Finanzierung des niedergelassenen Bereichs, die Krankenkassen können es sich nicht leisten. Konkret fordern wir 1300 zusätzliche Kassenstellen.

Besteht in dem wahrscheinlichen Szenario einer schwarz-blauen Regierung nicht die Gefahr, dass eher mehr gespart wird?

Ich glaube nicht, dass ein Spielraum für Sparen da ist. Wenn man sich die Gesundheitsausgaben der letzten Jahre anschaut, so sind die alles andere als explodiert, sondern sehr konstant geblieben. Besonders die öffentlichen, bei acht Prozent des BIP. Und das BIP ist nicht stark gestiegen. Insgesamt sind es 10,2 bis 10,3 Prozent des BIP, die USA liegen bei 17 Prozent, Deutschland bei 11,1 Prozent, die Schweiz bei 11,5 Prozent. Dass man hier noch großartig einsparen kann, glaube ich nicht. Zumal wir eine schnell wachsende und alternde Bevölkerung haben – das ist eine der größten Herausforderungen, chronische Krankheiten werden im Alter mehr. Ich glaube, dass ein reiches Land wie Österreich sich eine Gesundheitsversorgung auf hohem Niveau – und das haben wir zweifelsohne – leisten sollte. Unser öffentliches System mit recht gutem Zugang möchte doch niemand ablösen durch ein rein privates System. Es gibt nichts Ungerechteres, als wenn jemand krank wird und aus wirtschaftlichen Gründen keinen Zugang zur Versorgung bekommt.

Was fordert die Ärzteschaft sonst noch von der nächsten Regierung?

Man braucht eine Finanzierung aus einer Hand. Die wird es wahrscheinlich so nicht spielen, aber man sollte den ambulanten und den niedergelassenen Bereich aus einer Hand finanzieren. Weil das der Bereich ist, wo die Patienten hin und her geschoben werden. Dann möchten wir den freien Arzt erhalten. Und die Chefarztpflicht und das Mystery Shopping gehören abgeschafft. Was uns auch stört, ist die Tatsache, dass man uns bei der Gestaltung des Gesundheitssystems ausgeladen hat. Wir sind die Experten und brauchen einen Platz. Im Rahmen der Gesundheitsreform, die bisher nicht wirklich viel gebracht hat, hat man sämtliche Gremien in den Zielsteuerungskommissionen dupliziert, nur damit man die Ärzteschaft draußen hat.

Woher rührt es, dass Ärzte ausgeschlossen werden? Ist das parteipolitisch bedingt?

Das war damals ein Gremium, das die Gesundheitsreform erfunden hat. Dabei waren: Maria Fekter, Josef Pühringer, Sonja Wehsely und Ingrid Reischl (Finanzministerin, OÖ LH, Gesundheitsstadträtin Wien, WGKK- Obfrau; Anm.). Sie haben sich das so ausgedacht, dass sie ohne Ärzte die Sachen entscheiden können. Passiert ist aber nicht viel. Es war, wenn Sie wollen, eine großkoalitionäre Sache.

Insofern besteht ja Aussicht auf Besserung. Macht es einen Unterschied, ob das Gesundheitsministerium schwarz oder blau wird?

Ich glaube, es soll ein Fachmann sein. Ideal wäre jemand, der aus dem System kommt, eine gewisse Empathie kranken Menschen gegenüber hat, eine soziale Ader.

Also ein Arzt?

Ein Arzt wäre eine gute Wahl. Es stehen anscheinend auch einige in Diskussion.

Was haben Sie denn so gehört?

Was ich gehört habe, so geht das Ministerium eher an die FPÖ. Und da gibt es zwei Ärztinnen – Frau Dr. Dagmar Belakowitsch, Gesundheitssprecherin im Parlament. Und Frau Primaria Brigitte Povysil, eine Radiologin aus Oberösterreich, die im Landtag ist. Die beiden werden als mögliche Gesundheitsministerinnen gehandelt. Die FPÖ hat damit auch die meisten Ärzte in aussichtsreichen Positionen fürs Parlament. Bei der ÖVP weiß ich gar nicht, ob überhaupt ein Arzt ins Parlament kommt. Chancen hat nur Primar Saxinger aus Wels.

Beide Verhandlungspartner haben im Wahlkampf damit geworben, dass sie Krankenkassen zusammenlegen wollen. Wie stehen Sie dazu?

Minister Kurz hat gesagt, er möchte nur noch eine Kasse. Das hielte ich für nicht günstig, weil Monopole nie günstig sind. Ein gewisser Wettbewerb hat schon etwas Gesundes an sich. Wichtiger wäre, mehr Leistungen zu erbringen, und die kann man nur erbringen, wenn es mehr Kassenärzte gibt. Wir finden teilweise keine Bewerber mehr um Kassenstellen – und zwar nicht nur am Land, im hintersten Tal, auch in der Stadt. In Wien gibt es freie Kinderarztstellen. Man muss die Rahmenbedingungen verbessern. Das ist wichtiger als die Anzahl der Funktionäre und Mitarbeiter der Kassen. Ich glaube, dass die Verwaltungskosten am Ende des Tages nicht wahnsinnig viel ausmachen vom Gesamtkuchen. Ich kann die Kritik zwar nachvollziehen, ob aber durch weniger Träger wirklich ein großer Vorteil erreicht werden kann, das bezweifle ich. Wichtig wäre ein Ausgleich zwischen den Versicherungen, weil die Risiken ungleich verteilt sind. Die hohen Risiken sind in den Gebietskrankenkassen zu finden und die geringeren in den kleinen Kassen. Deshalb sind die kleinen Kassen reich und Gebietskrankenkassen rutschen zum Teil immer mehr ins Minus. In Wien gibt es viele Pensionisten, Mitversicherte und Arbeitslose und deshalb mehr Ausgaben als Einnahmen. Da kann die Gebietskrankenkasse aber nichts dafür.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune