29. Aug. 2016

Welche Pulsrate senkt die Mortalität?

Anhand der Pulsrate kann ein personalisiertes Ausmaß an körperlicher Aktivität errechnet werden, um damit das individuelle Mortalitätsrisiko aufgrund von kardiovaskulären Erkrankungen zu senken. Erstmals wurde das wissenschaftliche Konzept dahinter im Rahmen des Jahreskongresses der Europäischen Kardiologengesellschaft (ESC) 2016 in Rom vorgestellt (1).

Foto: istockphoto/ Cardiogram and heart

„Die Vorteile von regelmäßiger körperlicher Aktivität sind für die Gesundheit bestens bekannt, aber oft wissen einzelne Personen nicht, wieviel an Aktivität in ihrem individuellen Fall erforderlich wäre, um kardiovaskulären Erkrankungen und frühzeitiger Mortalität vorzubeugen“, unterstreicht der Studienautor Dr. Javaid Nauman von der Cardiac Exercise Research Group (CERG) an der Norwegian University of Science and Technology in Trondheim.

Was sagen die Leitlinien?

So etwa empfehlen die Leitlinien der ESC für Erwachsene 150 Minuten moderate oder 75 Minuten hohe sportliche Aktivität pro Woche, oder eine Kombination verschiedener Intensitäten, bei denen der selbe Energieumsatz erreicht wird (2).
„Aber viele Menschen betreiben in unzureichendem Maße sportliche Aktivitäten, weil sie nicht über personalisierte, sinnvolle Informationen zum Ausmaß der erforderlichen Aktivität und Intensität verfügen, welche sie individuell benötigen würden“, betont Nauman.

Pulsrate als sinnvolles Einzelmaß

Die Pulsrate stellt die präziseste Einzelreaktion des Körpers auf sportliche Aktivitäten dar. Die vorliegende Studie beschreibt die Hintergründe hinter der sogenannten Personal Activity Intelligence (PAI). Dabei handelt es sich um den ersten Fitness-Tracking-Score unter Verwendung der Pulsrate, um individuelle Gesundheitsziele zu erreichen.

Optimal ist ein PAI ≥100

PAI wandelt Pulsdaten aus jeglicher physischer Aktivität – wie etwa Walken, Schwimmen, Tanzen, Fahrrad fahren etc. – sowie aus individuellen Informationen wie etwa dem Alter, Geschlecht, Ruhephasen und maximaler Pulsrate, in einen einfachen Score um. „Das Ziel dabei ist, einen PAI über 100 innerhalb von jeweils sieben Tagen zu halten, ums sich effizient vor vorzeitigem Tod aufgrund von Herzerkrankungen zu schützen“, berichtet Nauman weiter.

In der HUNT-Studie belegt

Um den PAI zu entwickeln, wurden Daten von 4.637 Teilnehmern der HUNT-Fitness-Studie (3) ausgewertet. Basierend auf Fragen zu Häufigkeit, Dauer und Intensität von sportlicher Aktivität wurde ein Algorithmus entwickelt, in welchem die relativen Intensitäten von niedriger, moderater und hoher Aktivität jeweils Pulsraten von 44 Prozent, 73 Prozent und 83 Prozent entsprechen.
Dieser Algorithmus wurde an rund 40.000 norwegischen Männern und Frauen im Rahmen der HUNT-Studie geprüft. Die Teilnehmer wurden in vier Gruppen unterteilt entsprechend ihrem jeweiligen PAI-Score (0, 1-50, 51-99, ≥100). Ein Score von 0 wurde als Inaktivität bewertet und daher als Referenzgruppe eingestuft. Nach einer durchschnittlichen Nachverfolgungszeit von 28,7 Jahren wurden 10.062 Todesfälle registriert, darunter 3.867 Todesfälle aufgrund von kardiovaskulären Erkrankungen.

Sowohl Männer als auch Frauen mit einem PAI ≥100 hatten ein um 17 bzw. 23 Prozent reduziertes Risiko, an kardiovaskulären Erkrankungen zu erkranken, als im Vergleich zu Personen der inaktiven Gruppe. Die entsprechende Risikoreduktion für Mortalität jeglicher Ursache betrug 13 Prozent für Männer und 17 Prozent für Frauen. PAI-Scores ≥100 waren mit ähnlichen Reduktionen im Hinblick auf Mortalität jeglicher und kardiovaskulärer Ursache assoziiert unabhängig vom Alter, Risikofaktoren wie Rauchen, Hypertonie, Übergewicht oder Adipositas. Im Vergleich zur inaktiven Gruppe waren diese Reduktionen abhängig vom PAI-Score (1-50, 51-99, ≥100), wobei das Erreichen des empfohlenen PAI-Scores von ≥100 den höchsten Effekt in der Risikosenkung zeigte.

Fazit

„Der PAI-Score ist für jeden geeignet, egal ob jung oder alt, fit oder nicht, und es ist eine einfache, verständliche Zahl. Unabhängig von der körperlichen Aktivität wird jede Erhöhung der Pulsrate aufgezeichnet und anhand der PAI-App berechnet. Je höher die Pulsrate während einer sportliche Aktivität ansteigt, desto desto rascher kann man PAI-Punkte sammeln. Dasselbe kann aber auch mit niedrigeren Intensitäten und dafür mit längerer Aktivitätsdauer erreicht werden“, folgert Nauman. „Unsere Studie zeigte, dass ein wöchentliche PAI-Score von ≥100 und darüber vor frühzeitiger Sterblichkeit schützen kann.“

Referenzen:
1) „Personal activity index (PAI) for promotion of physical activity and prevention of CVD”, Vortrag im Rahmen der Session “Improved risk reduction and subsequent action”, ESC-Kongress Rom, 29.82016;
2) 2016 European Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice. Eur Heart J 2016; 37:2315-2381;
3) Die HUNT-Studie ist die größte jemals durchgeführte Gesundheitsstudie mit mehr als 60.000 Teilnehmern im Alter von 20-90 Jahren, die über mehrere Jahrzehnte nachverfolgt wird: https://www.ntnu.edu/hunt