4. Juni 2015

Retschitzegger: „Dafür haben wir keine Zeit!“

„Dafür haben wir keine Zeit!“ Wie oft sagen wir das, wie oft empfinden wir dieses Gefühl? Gerade jetzt, wenn Arbeitszeit verkürzt wird, Arbeitsbedingungen dadurch gesamt gesehen besser werden und uns mehr Zeit für unser je eigenes Leben bleibt. Für unsere Patientinnen, Patienten und die betroffenen Angehörigen bedeutet „weniger Zeit haben“, dass manches „nicht mehr geht“. Im Vordergrund müssen Effizienzsteigerung und oft minutengenaue Dokumentation von Abläufen und Prozessen stehen – so lautet der Auftrag. Nichtsdestotrotz wollen und sollen wir qualitätsvolle Medizin, Betreuung und Kommunikation anbieten und gewährleisten. In diesem Spannungsfeld die richtige Balance zu finden, ist eine ständige Herausforderung.

Eine unserer wesentlichen Aufgaben liegt darin, richtige Prioritäten zu setzen und Entscheidungen zu treffen. Wenn Betreuungssysteme so organisiert sind, dass kranken oder alten Menschen nicht ausreichend Zeit gewidmet werden kann, um sie beim Essen zu unterstützen, und stattdessen „zeitsparend“ enterale Ernährung initiiert wird, dann läuft etwas falsch. Wenn statt zeitgerechter Hilfe beim Trinken, Infusionen als Reaktion auf mangelnde Ausscheidung verordnet werden, dann ähneln wir den berühmten Schildbürgern. Und wenn wichtige Gespräche aus Zeitgründen nicht geführt werden, dann werden wir damit viel aufwendigere Folgeschäden produzieren.

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Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune