6. Dez. 2022Jahrestagung Hämatologie und Medizinische Onkologie 2022

Darmkrebs: Aktuelles zur perioperativen Therapie des kolorektalen Karzinoms

Es gab viele Versuche, durch adjuvante und neoadjuvante Strategien den Effekt der chirurgischen Therapie beim kolorektalen Karzinom zu verbessern. Nicht alles war von Erfolg gekrönt. Was ist derzeit Standard?

Medizinische Illustration von Darmkrebs - Polyp
peterschreiber.media/GettyImages

Schon länger Standard in der Adjuvanz von Personen mit kolorektalem Karzinom (CRC) im Stadium III ist Oxaliplatin plus ein Fluoropyrimidin. Prof. Dr. Gunnar Folprecht vom Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden bezifferte die dadurch gegenüber der alleinigen Chirurgie gewonnene Überlebensrate auf absolut 14 Prozent durch 5-Fluorouracil/Leucovorin und zusätzlich vier Prozent durch die Hinzunahme von Oxaliplatin. 5-FU i.v. könne ohne Verlust des Effekts durch Capecitabin ersetzt werden. Verschiedene Studien mit zusätzlichen Chemotherapeutika erbrachten keine signifikante Verbesserung im krankheitsfreien Überleben (DFS) oder OS, so der Referent.

Dauer der Adjuvanz: drei versus sechs Monate

Geändert hat sich in den vergangenen Jahren die empfohlene Gesamtdauer der adjuvanten Behandlung des CRC im Stadium III. Die Ergebnisse der IDEA-Studie hatten formal zwar die Nichtunterlegenheit der dreimonatigen gegenüber der sechsmonatigen Adjuvanz nicht bestätigt. Mit CAPOX (Capecitabin, Oxaliplatin) gab es aber zwischen einer drei- und sechsmonatigen Therapie keinen Unterschied im progressionsfreien Überleben.

Insgesamt treten in den ersten drei Monaten mindestens 90 Prozent des Behandlungseffekts auf, erklärte Folprecht. Zumindest bei niedrigem Risiko sollte die Therapie daher auf drei Monate begrenzt werden. Für Personen mit hohem Rezidivrisiko empfiehlt die deutsche Leitlinie weiter eine sechsmonatige Adjuvanz, international unterscheiden sich die verschiedenen Leitlinien diesbezüglich.

Inzwischen haben die finalen Ergebnisse der IDEA-Studie keinen Unterschied im OS zwischen drei- und sechsmonatiger adjuvanter Therapie ergeben. „Drei Monate sind genug“, ist Folprecht daher überzeugt. Allenfalls für die unter 50-Jährigen scheint eine sechsmonatige Adjuvanz von Vorteil zu sein. Im Stadium II ist der Benefit durch eine adjuvante Chemotherapie in Studien bislang so gering, dass es dafür keine allgemeine Empfehlung gibt, berichtete der Referent.

Neoadjuvanz bei gefährdeter Resektabilität

Eine perioperative Chemotherapie führt im Stadium III im Vergleich zur adjuvanten Behandlung zu mehr R0-Resektionen, ohne die operativen Komplikationen zu erhöhen. Im Gegenteil scheinen Letztere laut Folprecht seltener aufzutreten. In einer jüngst vorgestellten chinesischen Studie führte die neoadjuvante FOLFOX-Gabe zu einem ähnlichen DFS und verbesserte das OS gegenüber dem Standard. „Die neoadjuvante Therapie ist sicher eine gute Option, wenn die Resektabilität gefährdet oder eine OP temporär nicht möglich ist“, meinte der Experte und ergänzte: „Neoadjuvant ist sicher nicht schlechter als adjuvant.“

MSI-H: keine neoadjuvante Chemotherapie!

Bei Tumoren mit hoher Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) sollte neoadjuvant keine Chemotherapie erfolgen. Diese Tumoren weisen ein schlechteres pathologisches Ansprechen auf.

Im Stadium II mit MSI-H scheint auch die adjuvante Chemotherapie keinen Vorteil zu bringen. Im Stadium III wird die Behandlungswahl adjuvant nach einer gepoolten Analyse von Studiendaten nicht vom MSI-Status beeinflusst – hier scheint die Gabe eines Fluoropyrimidins plus Oxaliplatin bei MSI-H-Tumoren gut wirksam zu sein. Gegebenenfalls empfiehlt sich, Patienten in dieser Situation in Studien einzuschließen, meinte Folprecht.

Die Immuntherapie könnte speziell für Personen mit hoher Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) oder Mismatch-Repair-defizientem (dMMR) CRC eine neue Ära einläuten. Beim ASCO Annual Meeting 2022 wurde über eine kleine Kohorte von Patienten mit lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom und dMMR berichtet, die alle auf eine kurze neoadjuvante Immuntherapie mit Dostarlimab pathologisch komplett ansprachen, sodass über eine organerhaltende Strategie diskutiert wird. Dabei ist allerdings eine lange anhaltende engmaschige Kontrolle wichtig.

Neue Daten

Aus den Niederlanden kommen ebenfalls neue Daten zum CRC mit dMMR oder MSI-H: Hier wurden bei einer Kohorte von 112 Patienten fast ebenso gute Ergebnisse mit Nivolumab plus Ipilimumab berichtet. Die Rate des pathologischen Komplettansprechens betrug 67 Prozent. 95 Prozent der Betroffenen hatten ein majores pathologisches Ansprechen. Damit könnte die Immuntherapie bei CRC mit dMMR/MSI-H ein neuer Standard werden.

„Spezielle Fragen perioperativ“, V169, Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie, Wien, 7.–10.10.22

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum onko