12. Juli 2022Jahrestagung der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG)

Luftverschmutzung und Lärm nicht verharmlosen

Während Blutdruck, Blutzucker und Lipide in Leitlinien zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen stets breiter Raum gewidmet wird, finden Umweltfaktoren bestenfalls kurze Erwähnung. Zu Unrecht, wie die ­umfangreiche ­Forschungsarbeit des Mainzer Kardiologen Univ.-Prof. Dr. Thomas Münzel zeigt.

Inhaltsverzeichnis
Passagierflugzeug, das bei Sonnenuntergang abhebt. Schöner Himmel mit dramatischen roten Wolken.
iStock/Schroptschop

2015 wurde geschätzt, dass durch Umweltverschmutzung verursachte Krankheiten weltweit für zwölf Millionen vorzeitige Todesfälle und den Verlust von 268 Millionen behinderungsbereinigten Lebensjahren (DALYs) verantwortlich waren. Warum sich gerade ein Kardiologe seit Jahren so intensiv mit diesem Thema beschäftigt, ist leicht erklärt: „60 bis 70 Prozent aller Erkrankungen, die durch Umweltfaktoren ausgelöst werden, sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, so Univ.-Prof. Dr. Thomas Münzel, Direktor der Kardiologie I am Zentrum für Kardiologie, Johannes Gutenberg Universität, Mainz.

Lärm

Etwa 120 Millionen Europäer sind Tag für Tag einem Verkehrslärm über 55dB (dem von der WHO für vorbeugenden Gesundheitsschutz empfohlenen Grenzwert) ausgesetzt. Die Europäische Umweltagentur kam 2014 in einem Report zu dem Schluss, dass in Europa 900.000 Fälle von Hochdruck, 43.000 Krankenhauseinweisungen und bis zu 10.000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr auf Lärm zurückgeführt werden können. Zusätzlich leiden 6,5 Millionen Europäer unter lärmbedingten Schlafstörungen.
Münzel und seine Arbeitsgruppe beschäftigen sich schon seit 20 Jahren mit der Frage, wie Lärm eigentlich zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führt. Dafür sind weniger die direkten Lärmwirkungen (z.B. Gehörschädigung durch Presslufthammer) verantwortlich, sondern vor allem die indirekten: Schon ein Lärm von 50–60dB stört die Kommunikation, die Leistung und den Schlaf.
Eine ganz wesentliche Rolle in diesem pathophysiologischen Modell spielt Ärger: Als angenehm empfundene laute Musik in einem Konzert ist wesentlich weniger schädlich als gleich lauter Verkehrslärm. Ähnliches gilt für Lärm am Tag, der erheblich besser toleriert wird als nächtlicher Lärm.

Um den Inhalt zu sehen, müssen Sie sich einloggen oder registrieren.
Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum innere