6. Juli 2022Interview mit zwei Studierenden

Medizin in Linz: Mit JKU medSPACE „Fächer miteinander verknüpfen und Gesamtbild formen“

Beide sind froh, in Linz zu studieren: Victoria Schopf und Florian Fussi schließen gerade das vierte Semester am Kepler Universitätsklinikum (KUK), Medizinische Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz (JKU), ab und ziehen ein positives Resümee. Dazu trägt auch der JKU medSPACE mit seiner virtuellen anatomischen Reise in echte Patienten bei (siehe dazu Interview mit Dekan Prof. Franz Fellner). Beide gestehen im Vorfeld des Aufnahmeverfahrens MedAT am 8. Juli 2022 aber auch, warum sie den Test nicht auf Anhieb geschafft haben. Im medonline-Interview hätten sie schon eine Idee, wie man die 1.850 Studienplätze besser auf die knapp 16.000 Interessierten verteilen könnte.

Privat

medonline: Warum haben Sie sich für ein Medizinstudium entschieden?

Victoria Schopf: Das ist immer eine spannende Frage. Es gibt wahnsinnig viele Gründe, warum ich Medizin studieren wollte. Abgesehen davon, dass man Menschen helfen will, ist es einfach faszinierend, wie der ganze Körper an sich funktioniert, was alles in unserem Körper abläuft – nur wenn wir da jetzt sitzen, damit wir halt da sitzen können und quasi „leben“ (lacht) – das fällt mir spontan ein. Ich glaube, seit der Volksschule habe ich immer davon geredet, dass ich einmal Ärztin werden will.

Florian Fussi: Bei mir hat es erst in der Oberstufe im Siftsgymnasium Schlierbach angefangen, bei den Berufsorientierungtests habe ich mich immer sehr für die Naturwissenschaften interessiert, vor allem für Biologie und Chemie. Wir hatten das Wahlfach „Naturwissenschaftliches Praktikum“ und haben dort auch sezieren können, z.B. ein Schweineherz. Das hat mir damals sehr getaugt. Ich wollte aber auch keine „Laborratte“ werden und nur ins Mikroskop schauen, sondern auch etwas mit Menschen machen. Die Kombination aus beidem ist die Medizin, so kann man seine Interessen abdecken und hat trotzdem eine sinnvolle Aufgabe.

Wie war der Aufnahme-Test fürs Medizinstudium? Hat es gleich geklappt?

Schopf: Nein, ich habe gleich nach der Matura am Bundesgymnasium Vöcklabruck den Aufnahme-Test in Linz mitgeschrieben, ohne dass ich irgendetwas gelernt habe, ich wollte es mir nur mal anschauen. Logischerweise habe ich ihn nicht geschafft. Für das zweite Mal habe ich gelernt, dann ist es gegangen.

Fussi: Ich habe erst beim dritten Mal, wie viele andere, den Test geschafft. Wie Victoria habe ich es zuerst nach der Matura einmal probiert, um ein Gefühl dafür zu kriegen. Die ersten beiden Male habe ich es in Graz probiert, weil ich dort studieren wollte. Beim zweiten Mal habe ich es knapp nicht geschafft. Beim dritten Mal habe ich es in Linz probiert, wo es relativ gesehen mehr Plätze gibt (Anmeldungszahlen siehe Kasten) – mit der Option, die ersten zwei Jahre in Graz zu studieren. Aber es wurde anders eingeteilt – im Nachhinein bin ich froh, dass ich da in Linz bin. Graz legt sehr viel Fokus, was man so von den anderen Studenten hört, auch auf weniger Relevantes und in Linz wird sehr viel Wert darauf gelegt, was wir wirklich brauchen.

Haben Sie einen Vorbereitungskurs gemacht, der ja auch etwas kostet*?

Fussi: Ja, tatsächlich habe ich einen gemacht …

Schopf: Ich habe auch einen gemacht, von der Gespag aus (mittlerweile in Oberösterreichische Gesundheitsholding, OÖG, umbenannt, Anm.d.Red.) …

Fussi: (überrascht) Den habe ich auch gemacht! Ohne kostenpflichtigen Vorbereitungskurs schafft man es kaum – das sehe ich eh generell als Problem.

Aber wie könnte hier eine Lösung ausschauen? Prof. Franz Fellner, Dekan für Lehre an der Medizinischen Fakultät der JKU, hat im eingangs zitierten Interview zum JKU medSPACE gesagt, dass in Linz und anderen MedUnis die Plätze überbucht werden, also dass sie mehr aufnehmen als vorgesehen sind. Auch die Anrechnung von freiwilligen Sozial- und Rettungsdiensten hält er für überlegenswert. Oder soll man mehr Studienplätze schaffen, wie auch manche fordern?

Fussi: Mehr Plätze bedeuten nicht unbedingt mehr Qualität. Die Plätze sollten eher an die richtigen Leute gehen. Dieser Aufnahme-Test ist halt ein beinhartes Aussortieren – wenn du gut lernen kannst, kommst du da mehr oder weniger durch. Wo man ansetzen könnte: Man könnte mit den Leuten reden, ein persönliches Gespräch im Aufnahmeprozess wäre wichtig. Natürlich ist es sehr viel Aufwand, es kostet auch viel. Aber es wäre aus meiner Sicht eine Idee, dass man auch erfährt, warum jemand Medizin studieren möchte und wie gut jemand dafür geeignet ist.

Schopf: Ich finde, der MedAT an sich ist nichts Schlechtes, weil ich jetzt, wo ich die Prüfungen habe, sehe: Es ist schon eine gewisse Menge, die man in einer gewissen Zeit lernen muss. Hin und wieder muss man sich Sachen in sein Hirn richtig „hineinprügeln“ (lacht) – man braucht schon eine gewisse Belastbarkeit. Aber wie Florian gesagt hat: Bei den sozialen Kompetenzen fände ich ein Gespräch viel besser als z.B. die Kategorie „Emotionen erkennen“. Damit kann man nicht beurteilen, ob das eine soziale oder empathische Person ist, weil es Schemata gibt, die man einfach anwenden kann. Diesen Teil des Tests würde ich lieber komplett streichen und ein Gespräch führen, und nicht anhand von ein paar Kreuzerln analysieren, ob die Person in Zukunft mit Leuten umgehen kann.

Fussi: Man könnte ein Konzept erstellen, dass zuerst die naturwissenschaftlichen Sachen abgefragt werden und im weiteren Aufnahmeprozess dann die Besten nochmals eingeladen werden für ein Interview. Es ist halt die Frage, ob man sich den Aufwand antun will.

Sie sind beide jetzt im vierten Semester. Wie gefällt Ihnen das Studium in Linz bisher, insbesondere der JKU medSPACE, der weltweit einzigartig ist und bald nach Graz expandiert (siehe ebenfalls Interview mit Prof. Fellner)?

Schopf: Zum Studium allgemein: Ich finde es super, dass es so interdisziplinär aufgebaut ist. Zum einen haben wir den Sezierkurs (in Graz, Anm.d.Red.), wo wir alles praktisch lernen können, zum anderen die Module, die nach Organsystemen aufgebaut sind, wo man nicht nur die Anatomie hat, sondern auch die Pathologie, die Physiologie mit den zellulären Vorgängen und die Pharmakologie. Man hat die Möglichkeit, die einzelnen Fächer miteinander zu verknüpfen und besser im Kopf zu haben. Damit kann man dann später klinische Symptome wahrscheinlich besser zuordnen. Und da hilft uns auch der medSPACE mit seiner Dreidimensionalität relativ gut zu einem besseren Verständnis.

Wie kann man sich die Einbindung des JKU medSPACE in das Studium praktisch vorstellen, sind Sie damit zufrieden oder könnte da noch etwas verbessert werden?

Schopf: Bei uns war es jetzt so, dass wir ein ganzes Semester lang zweimal in der Woche für eine Dreiviertelstunde eine Kursphase gehabt haben, wo wir eben das Organsystem, das wir gerade durchgegangen sind, auch im medSPACE angeschaut haben, z.B. Herzaufbau und Gefäße beim Modul Herz-Kreislauf. Verbesserungsvorschläge habe ich eigentlich keine, ich finde, wir sind in Linz schon relativ weit vorn!

Fussi: Wie Victoria schon gesagt hat, das Wichtigste ist der Aufbau – das mit den Organsystemen ist wirklich super: Man hat am Montag Anatomie, wiederholt das mehr oder weniger am Dienstag in der virtuellen Anatomie nochmals grob und am Dienstagnachmittag hatten wir meistens Physiologie, wo wir die Funktion dazu gelernt haben, Mittwoch und Donnerstag dann Pathologie und Pharmakologie – also, wie kann man da quasi eingreifen und wie schaut es aus, wenn es nicht funktioniert. Und am Freitag war dann nochmals die Wiederholung, die virtuell haptische Anatomie mit Prof. Maren Engelhardt (Lehrstuhl für Anatomie und Zellbiologie, Anm.d.Red.), wo man in kurzen Einheiten nochmals wiederholt, was man über die Woche gelernt hat – aus anatomischer Sicht. Wir haben kurz die Histologie wiederholt, dann die Anatomie und dann noch zur Anatomie einen Ultraschall gemacht. Wir haben also mit dem Regelunterricht Anatomie, dann der virtuellen Anatomie und dann der virtuell haptischen Anatomie quasi ein Gesamtbild geformt – jede Woche über das, was wir gerade besprochen haben. Das war immer sehr spannend.

Verbesserungsvorschläge habe ich eigentlich auch keine, vielleicht diese 45-Minuten-Einheiten – man kann da nicht alles abdecken, irgendwann geht die Aufmerksamkeitsspanne zurück. Prof. Fellner hat einmal gesagt, man merkt sich inhaltlich nur zehn Prozent, und er versucht immer, dass wir uns 20 Prozent merken. Es ist halt schwierig, ganz genau kann man nicht alle anatomischen Strukturen durchgehen. Vielleicht kann man da eine Lösung finden, wie man das bestmöglich vereint. Aber ich finde, eigentlich haben wir eh einen relativ guten Mittelweg.

Haben Sie in Linz auch von Anfang an Patientenkontakt so wie in Graz, das dürfte je nach Studienort unterschiedlich sein?

Fussi: Ja, in Graz haben sie ganz am Anfang ein Stationspraktikum, das eine Woche dauert. In Linz gibt es das nur in abgespeckter Form in der ersten Woche, je nach Interesse: Ich war damals im Neuromed Campus und dort war nur ein Vortrag – wegen Corona. Sonst hätte es noch das Angebot gegeben, bei einer Operation zuzuschauen. Man bekommt schon einen kurzen Einblick, was macht der Arzt so, aber Patientenkontakt direkt haben wir in der Vorklinik nicht.

Schopf: Das kommt dann ab dem nächsten Semester.

Fussi: Wir haben jetzt die Schauspieler, die uns die Patienten vorspielen. Da haben wir ein begleitendes Modul, wo es um allgemeinmedizinische Praktiken geht, wo man Blutabnehmen lernt, wie man mit einem Patienten spricht, Anamnese macht usw.

Insgesamt würden Sie es also empfehlen, in Linz zu studieren?

Schopf: Ja! Ich habe vom medSPACE nichts gewusst, wie ich ins Studium hineingekommen bin, aber ich bereue es überhaupt nicht und bin sehr, sehr froh, dass ich jetzt in Linz bin – danke für die Möglichkeit!

Wissen Sie schon, welche Fachrichtung Sie einmal einschlagen werden?

Schopf: Es ist noch ein bisschen bald, aber im Moment ist es so, von Chirurgie bis Allgemeinmedizin ist für mich alles dabei. Chirurgie per se wäre mir ein bisschen zu wenig Patientenkontakt, Allgemeinmedizin wäre mir ein bisschen zu wenig Praktisches mit den Händen. Ich kann mir Interne gut vorstellen. Aber es ist wahrscheinlich eh so, dass sich das im Laufe des Studiums noch oft ändert.

Fussi: Ich tendiere gerade eher dazu, nichts Chirurgisches zu machen, das praktische Arbeiten finde ich zwar sehr angenehm, aber ich hätte doch lieber ein bisschen mehr Patientenkontakt. Ich tendiere auch zur Internen, aber ich finde z.B. auch Anästhesie spannend, obwohl man da auch wieder nicht so viel Patientenkontakt hat. Aber es ist abhängig, was man gerade macht, z.B. nach einer Famulatur auf der Internen taugt einem das. Ist man auf der Unfall, dann möchte man unbedingt Unfallchirurg werden ... Was mir im Krankenhaus geraten wurde: auch Nischenbereiche anschauen, z.B. Palliativ, Nuklearmedizin, weil das anscheinend coole Famulaturen sind. Ich werde versuchen, das einmal anzuschauen.

Schopf: Ich glaube, es ist so, dass man langsam während des Studiums weiß, was will man nicht machen, und dann engt sich das immer mehr ein.

Und die Allgemeinmedizin, wo zum Teil Ärzte händeringend gesucht werden? Was hält Ihrer Meinung nach viele davon ab, eine Praxis zu übernehmen?

Schopf: Ich habe jetzt noch keine Famulatur in der Allgemeinmedizin gemacht. Was ich von einem mir bekannten Arzt weiß, dass er schon auch im Krankenhaus arbeitet – das wäre schon super, beides zu machen, also auch praktisch zu arbeiten. Ich muss sagen, im Moment würde mich nichts von der Allgemeinmedizin abhalten. Ich muss halt erst ein bisserl hineinschnuppern und schauen, ob es mir wirklich gefällt.

Fussi: Grundsätzlich hält mich auch nichts davon ab, es kommt halt auf die Interessen an. Wenn wir fertig sind, gibt es ja die Basisausbildung, dann kann man entweder Allgemeinmedizin oder ein Fach machen. Ich würde wahrscheinlich Allgemeinmedizin machen, selbst wenn ich dann noch ein Fach mache, weil man als Allgemeinmediziner einfach einen Überblick über alles hat. Man hört immer, viele fürchten sich bei Kindern und Schwangeren, die immer ein wenig ausgeklammert werden und wo sich viele Fachärzte nicht so genau auskennen. Als Allgemeinmediziner hast du halt doch die ganze Bandbreite – da kennst du dich überall aus. Und du musst nicht Angst haben, wenn du Psychiater bist und dein Patient einen Herzinfarkt hat. Aber Allgemeinmedizin hat vielleicht nicht die Anerkennung oder wird einem nicht so schmackhaft gemacht, wie es vielleicht sein könnte.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

*https://www.ooeg.at/bildung/akademie/medat-h-vorbereitungskurse

MedAT: Fast 16.000 rittern um 1.850 Studienplätze

Am 8. Juli 2022 finden die Aufnahmeverfahren zum Medizinstudium (MedAT) an den Medizinischen Universitäten in Wien, Innsbruck und Graz sowie an der Medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz statt. Heuer ist das Verhältnis von Anmeldungen mit 15.788 Personen und 1.850 Studienplätzen (+110) einer gemeinsamen Aussendung zufolge etwas besser (2021 kamen 17.823 Bewerbungen auf 1.740 Plätze). Im Schnitt hat aber dennoch nur jeder achte bis neunte Angemeldete eine Chance auf einen Studienplatz, im Vorjahr rund war es rund jeder Zehnte. Dabei gibt es teils große Unterschiede im Verhältnis Bewerbungen/Plätze zwischen den Standorten in Wien, Innsbruck, Graz und Linz:

Medizinische Universität Wien: 7.881 Anmeldungen für 760 Plätze (+20), davon 7.240 für Humanmedizin und 641 für Zahnmedizin = 10,4 Anmeldungen pro Platz (2021: 8.713 für 740 Plätze = 11,8 zu 1).

Medizinische Universität Innsbruck: 3.350 Anmeldungen für 410 Plätze (+10), davon 3.055 für Humanmedizin und 295 für Zahnmedizin = 8,2 Anmeldungen pro Platz (2021: 3.951 für 400 Plätze = 9,9 zu 1).

Medizinische Universität Graz: 2.650 Anmeldungen für 370 Plätze (+10), davon 2.494 für Humanmedizin und 156 für Zahnmedizin = 7,2 Anmeldungen pro Platz (2021: 2.936 für 360 Plätze = 8,2 zu 1)

Medizinische Fakultät der JKU Linz: 1.907 Anmeldungen für 310 Plätze (+70) = 6,2 Anmeldungen pro Platz (2021: 2.223 für 240 Plätze = 9,3).

Aus den Erfahrungen der letzten Jahre kommen etwa 80 Prozent der Angemeldeten auch tatsächlich zum Test. Mindestens 75 Prozent der Studienplätze sind Studienwerbenden mit einem Maturazeugnis aus Österreich vorbehalten und mindestens 20 Prozent der Studienplätze EU-Bürger/innen.