30. März 2022Portrait: Barbara „Babsi“ Aigner & Klara Sykora

Full Speed mit 7% Sehkraft

Nach Gold im Riesenslalom bei der WM im Februar 2022 holte Barbara Aigner mit Guide Klara Sykora bei den Paralympics Silber im Slalom und Bronze im Riesenslalom. Nun plant das Team bereits das Sommertraining mit dem Fokus auf die Para-Ski WM 2023. Auch abseits des Sports liegt den beiden die Inklusion junger Menschen besonders am Herzen.

GEPA pictures/Patrick Steiner

Wie sehr die beiden die Begeisterung für den Skisport teilen, ist im gemeinsamen ZOOM-Gespräch nicht zu überhören: „Das gehört für uns beide einfach zum Leben, genauso wie Zähneputzen“, sagt Klara Sykora. Als komplexe Sportart erfordere es neben Spritzigkeit eine Menge Kraft und Ausdauer. „Ich lerne unheimlich viel daraus, weiß aber auch genau, wo und wie ich mich noch verbessern möchte“, betont Barbara „Babsi“ Aigner.

Gemeinsam ist den beiden auch ein Ski-ambitioniertes familiäres Umfeld: Aigners Zwillingsbruder Johann fuhr in Peking gleich in allen fünf Disziplinen zu einer Medaille und ihre Schwestern Veronika und Elisabeth kehrten ebenfalls mit zwei Medaillen von den Paralympics heim. Sykoras Vater Thomas errang selbst mehrere Weltcup-Siege sowie eine olympische Bronzemedaille und ist heute als ORF-Kommentator im Skiweltcup bekannt. Zum Skirennsport wurde sie allerdings mehr durch ihren Zwillingsbruder Jakob motiviert, doch „auf meinen Vater bin ich aus vielen Gründen stolz, nicht nur wegen seiner Erfolge – die werden aber nicht vererbt, sondern die muss ich mir selbst erarbeiten“.

Dass Aigner trotz nur sieben Prozent Sehvermögen zum Skirennsport kam, ist ebenso ihren Geschwistern und den Möglichkeiten an der Michaela Dorfmeister Skimittelschule in Lilienfeld zu verdanken. Ihre ersten Guides waren für sie jedoch bald zu langsam. Mit Sykora fährt sie nun seit zwei Jahren – „und jetzt passt es“, meint Aigner.

„Fokus auf unsere Rennen“

In Peking gelang es den beiden hervorragend, den Druck hoher Erwartungen abzuschütteln und sich auf ihr Rennen zu fokussieren. „Ich schirme mich weitmöglich nach außen ab, ich brauche vor dem Rennen einfach meine Ruhe“, gibt Aigner zu. „Wir haben uns immer gesagt: Egal, was passiert, wir geben unser Bestes. Unser Ziel ist es, immer gut und schnell Ski zu fahren – der Erfolg kommt dann von selbst“, ergänzt Sykora.

Voll des Lobes sind die beiden für die medizinische und physiotherapeutische Betreuung während der Paralympics. „Es ist einfach gut zu wissen, dass jemand da ist, der uns im Fall der Fälle schnell wieder fit machen kann“, betont Sykora. Darüber hinaus sind gerade die „Physios“ Teil des Teams und sorgen nicht nur für eine lockere Muskulatur, sondern immer wieder auch für gute Stimmung.

Aigner und Sykora gehen übrigens in der Klasse B2 an den Start und treten damit gegen Läuferinnen an, die ebenfalls nur wenig Sehrest haben.* Aigner ist seit der Geburt ebenso wie ihr Bruder Johannes und ihre Schwester Veronika an Grauem Star erkrankt, zudem ist ihr Sehnerv nicht voll funktionsfähig. Von Sykora erkennt sie im Rennen höchstens Umrisse, bekommt jedoch von ihr für jeden Schwung exakte Kommandos via Headset.

Hart trainieren und zugleich Spaß haben

So wie im Rennen sind die beiden Sportlerinnen auch im Training ein Team, abgesehen davon unterscheidet sich ein Trainingstag nicht von einem anderer ÖSV-Rennläuferinnen. Nach dem Frühstück stellen sie sich „einmal seelisch auf den Tag ein“, dann folgen Aufwärmen am Berg und bis zu sieben Trainingsfahrten. Auf Mittagspause und Regeneration idealerweise mit zwei Stunden Schlaf folgen Kraft-, Ausdauer- oder Koordinationseinheiten sowie Videoanalysen. Im Sommertraining in den kommenden Monaten wollen die beiden jedenfalls „viel schwitzen“ und sich weitere Feinheiten für die kommende Rennsaison erarbeiten.

Im Hinblick auf den „Talent Day“ des ÖPC mit dem Ziel, junge Menschen mit Beeinträchtigungen für den Sport zu gewinnen, rät Aigner: „Egal, welche Sportart – es lohnt sich, sie einfach auszuprobieren, und wer Spaß daran findet, wird gerne weiterarbeiten.“

Behindertenfreundliche Schulausstattung

Für sehbehinderte junge Menschen wünscht sie sich allerdings eine bessere Ausstattung an Schulen: „Ich musste selbst Schule wechseln, weil an meiner alten Schule etwa Stufen oder Glastüren für mich nicht zu erkennen waren“, erzählt Aigner. An der Polytechnischen Schule in Reichenau/Rax fällt es ihr nun wesentlich leichter, sich zu orientieren: Es gibt dort etwa Neonleuchten an den Stufen, deutliche Markierungen in Glastüren oder auch gelb-schwarze Bodenmarkierungen außerhalb der Gebäude. Nach diesem Schuljahr möchte sich Aigner zunächst in der Berufswelt orientieren, später in einem Einzelhandelsunternehmen arbeiten, das ihr die Sportausübung möglich macht. Sykora strebt nach der WM-Saison 2022/23 ein FH-Studium der Physio- und/oder Ergotherapie vor: „Damit möchte ich später auf jeden Fall im Behindertensport weiterarbeiten.“

* B2: Von der Sehkraft von einschließlich 2,6 LogMAR (1/400) bis zu einer Sehkraft von einschließlich 1,5 LogMAR (2/64) und/oder einer Gesichtsfeldeinschränkung mit einem Gesichtsfelddurchmesser von weniger als 10° (Quelle: www.bisp.de)