18. Feb. 2022Richtig Druck ausüben

Flachstrick, Rundstrick oder doch ein Verband?

Ob Beinvenenthrombose oder Lymphödem – bei einer Kompressionstherapie muss genug Druck gemacht werden. Je nach Phase kommen Verband und Strumpf zum Einsatz. Bei Letzterem zählt sogar, wie dieser gestrickt ist.

Bandagiertes Bein, das sich von einem chirurgischen Eingriff erholt
iStock/OntheRunPhoto

Einfach gestrickt? Von wegen: Bei medizinischen Kompressionsstrümpfen muss genau auf die Maschen geschaut werden.

Die Kompressionstherapie muss phasengerecht erfolgen, betonte Prof. Dr. Markus Stücker, Venenzentrum der Dermatologie und Gefäßchirurgie, Katholisches Klinikum Bochum. Initial – und nur dann – dienen Verbände zur Entstauung, die idealerweise über Nacht angelegt bleiben, aber täglich gewechselt werden.

Was man für einen guten Druckverband braucht, lässt sich am Akronym PLaCE ablesen:

  • P = "Pressure": der Druck, den der Verband auf die Extremität ausübt
  • La = "Layers": Überlappung der Materialien, sowohl verschiedener übereinander als auch einzelner Komponenten daraus
  • C = "Components": Art der Materialien, aus denen sich die einzelnen Bestandteile zusammensetzen
  • E = "Elasticity": Elastizität, mit der das Material hohen Druck auf unbewegte Extremitäten erzeugen kann

Zum Entstauen eignen sich sowohl mehrlagig angelegte Kompressionsbinden als auch Mehrkomponentensysteme, die sich vor allem beim Ulcus cruris bewährt haben. Als besonders „anlegerfreundlich“ gelten medizinische adaptive Kompressionssysteme. Sie können vom Patienten selbst angewendet werden, schaffen einen hohen Arbeits- bei niedrigem Ruhedruck und sind weniger fehleranfällig als Bandagierungen. Durch Nachjustieren der Klettverschlüsse gibt es außerdem keinen Druckverlust.

Leitliniengerechte Kompression bei Thrombosen

Die Kompression bei einer tiefen Beinvenenthrombose sollte gemäß der Leitlinien sofort mit Diagnosestellung beginnen und danach noch mindestens über sechs Monate andauern. Ob und wie lange sie über diesen Zeitraum hinaus weitergeführt wird, orientiert sich an den möglichen Zeichen (subjektiv und objektiv) eines postthrombotischen Syndroms wie Hautveränderungen, Schweregefühl, Schmerzen oder Ödem.

Flachstrick macht weniger Schnürfurchen

Für die langfristige Erhaltung der Entstauung nutzt man Kompressionsstrümpfe oder Ulkusstrumpfsysteme. Kompressionsstrümpfe haben zudem einen Platz in der Prävention. Bei medizinischen Kompressionsstrümpfen stellt sich oft die Frage: Flach- oder Rundstrick? In den Leitlinien wird empfohlen, sie anhand von Befunden, nicht von Diagnosen zu beantworten, erklärte Stücker.

Flachstrick hat zwei wichtige Eigenschaften, die man im Kopf haben sollte: Die Maschen lassen sich auf- und abnehmen, das erlaubt eine individuelle Anpassung auch an außergewöhnliche Beinumfänge. Außerdem hat dieser Strick eine hohe Biegesteifigkeit, dadurch rutscht er schwerer in Falten hinein, verursacht also weniger Schnürfurchen. Damit eignet er sich sowohl für Extremitäten mit relativ großen Umfangsänderungen bzw. konischer Form als auch bei Erkrankungen mit tiefen Gewebsfalten (z.B. ausgeprägtes Lip-/Lymphödem).

Um die Adhärenz zur Therapie zu steigern, empfiehlt es sich, immer die niedrigste wirksame Kompressionsklasse zu verwenden. Bei eingeschränkter Beweglichkeit und Problemen mit der Handhabung, z.B. durch altersbedingte Kraftminderung, sollte man geeignete An- und Ausziehhilfen verschreiben.

Kontraindikationen gegen eine Kompressionstherapie gibt es nur wenige. Als die zwei wichtigsten nannte Stücker die dekompensierte Herzinsuffizienz (NYHA III oder IV) und die fortgeschrittene PAVK mit einem dieser Kriterien:

  • ABPI < 0,5
  • Knöchelarteriendruck < 60 mmHg
  • Zehendruck < 30 mmHg
  • transkutaner Sauerstoffpartialdruck < 20 mmHg am Fußrücken

In der Leitlinie werden darüber hinaus noch die septische Phlebitis und die Phlegmasia coerula dolens aufgeführt.

4. Nürnberger Wundkongress

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune