21. Dez. 2021Korrekte Technik immer wieder schulen

Inhalationstherapie bei Asthma und COPD

Die Wirksamkeit inhalativer Medikamente gegen Asthma und COPD hängt entscheidend von deren korrekter Anwendung ab. Das klingt banal, ist es aber in der Praxis keineswegs.

Hand mit blauem Asthma-Inhalator mit Spray auf schwarzem Hintergrund.
iStock/etienne voss

Bevor Therapien eskaliert oder wegen fehlenden Erfolgs gewechselt werden, sollte sichergestellt werden, dass das Gerät richtig angewandt wird. Im Idealfall wird bei Folgeverordnungen kontrolliert, ob sich Fehler eingeschlichen haben.

Wie gut sich ein inhalativer Wirkstoff in der Lunge ablagert, hängt vor allem von der Partikelgröße, dem Atemmanöver und der Atemwegsanatomie ab. Große Partikel (5–10 µm) enthalten zwar ggf. mehr Wirkstoff, können aber aufgrund ihrer Trägheit Richtungsänderungen im Bronchialsystem nicht folgen und landen deshalb schon an der Rachenwand oder der Wand zentraler Atemwege, so Dr. Peter Haidl, Fachkrankenhaus Schmallenberg. Das kann z.B. bei inhalativen Steroiden zu lokalen Nebenwirkungen führen. Teilchen unter 1 µm gelangen dagegen ungehindert bis in den Alveolarraum, werden dort aber kaum deponiert, sondern überwiegend wieder abgeatmet.

Den Atem für mindestens fünf Sekunden anhalten

Therapeutisch relevant sind Partikelgrößen zwischen 1 und 5 µm. Sie machen Richtungsänderungen mit und können so auch in kleinere Bronchien vordringen und dort sedimentieren. Damit dies in möglichst hoher Zahl gelingt, sollte der Patient vor der Inhalation maximal ausatmen, dann tief einatmen und den Atem für mindestens 5 Sekunden anhalten.

Dosieraerosole, der Respimat® und Vernebler erfordern einen langsamen und tiefen Atemzug, um die Ablagerung im Oropharynx zu vermindern. Patienten, die Pulverinhalatoren verwenden, müssen dagegen rasch und forciert einatmen, damit der Wirkstoff in inhalierbarer Partikelgröße freigesetzt wird. Schließlich hängt die Lungendeposition auch von der individuellen Atemwegsanatomie ab. Bei Patienten mit engem Hypopharynx (z.B. Schlafapnoiker) ist die Ablagerung in der Lunge reduziert. Sie sollten daher eher Präparate mit kleiner Partikelgröße erhalten, die man langsam inhaliert. Bei zunehmender Obstruktion findet die Ablagerung dagegen mehr zentral im Bronchialsystem statt.

Suspensionsdosieraerosole muss man anders als Lösungsaerosole vor der Anwendung schütteln. Allerdings ist dies nicht der einzige Unterschied (s. Kasten). Ausgelöst wird das Dosieraerosol in den langsamen und tiefen Inspirationsfluss hinein. Mit dieser Koordination haben aber viele Patienten Schwierigkeiten. In diesem Fall kann ein atemzuggetriggertes System verwendet werden, welches allerdings nur für ICS oder LABA/ICS verfügbar ist. Es ist wichtig, dem Patienten bewusst zu machen, dass er die Inhalation fortsetzen muss, wenn er das Klickgeräusch wahrnimmt, das bei Freisetzung der Dosis generiert wird.

Auch Spacer sind eine Option, das Koordinationsproblem zu umgehen. Sie vermindern darüber hinaus die oropharyngeale Deposition im Vergleich zum Dosieraerosol ohne Spacer, da große Partikel im Hohlraumsystem zurückbleiben. Es sollte jedoch immer der Spacer verwendet werden, den der Hersteller des Dosieraerosols empfiehlt. Alternativ wäre bei Kindern oder Älteren ein Vernebler zu überlegen.

Applikationsform ist nicht einfach austauschbar

Achtung: Ein Lösungsaerosol mit Beclometason gibt wegen seiner niedrigeren Partikelgröße im Vergleich zu einem Suspensionsaerosol eine doppelt so hohe Wirkdosis ab. Aus der etikettierten Dosis wird dies nicht ersichtlich, nur aus der Höchstdosis im Beipackzettel. Wird ein Beclometason-Lösungsaerosol durch ein Suspensionsaerosol ausgetauscht, kann die Asthmakontrolle verloren gehen.

Pulver muss sehr rasch inhaliert werden

Eine Sonderstellung nimmt der Respimat® ein, der eine respirable Sprühwolke produziert, die lange im Raum steht (bis 1,5 s). Auch er reduziert Koordinationsprobleme und oropharyngeale Deposition. Verfügbar ist er allerdings nur für bestimmte LAMA, LABA oder deren Kombination, nicht für ICS.

Die Funktionalität der Pulverinhalatoren hängt davon ab, dass der maximale Inspirationsfluss mit dem forcierten Atemzug in den ersten 200 ms nach dem Auslösen erreicht wird. Nur so kann das Pulver desagglomerieren und es entstehen Wirkstoffpartikel < 5 µm.

Am geringsten ist diese Zeitabhängigkeit bei Einzelkapselsystemen. Der Mindestfluss für die verschiedenen Systeme liegt zwischen 30 und 60 l/min. Zu bedenken ist, dass ein Patient diesen Fluss bei stabiler COPD noch erreichen kann, bei einer Exazerbation, wenn die Therapie besonders wichtig wäre, eventuell aber nicht mehr. Insbesondere bezüglich Pulverinhalatoren ist es außerdem wichtig, nicht in das System hinein auszuatmen, damit das Innere trocken bleibt.

Die Schwere der Obstruktion bestimmen

Um ein geeignetes Inhalationssystem auszuwählen, muss folglich die Schwere der Bronchialobstruktion mittels Lungenfunktionstest geprüft und die Stärke des Inspirationsflusses abgeschätzt werden, z.B. mit dem In-Check DIAL G16. Des Weiteren gilt es zu berücksichtigen, ob der Patient Schwierigkeiten mit der Koordination hat, seine mentalen und manuellen Fähigkeiten sowie sein Sehvermögen (z.B. wichtig für Einzelkapselsysteme) ausreichen. Kommen mehrere Alternativen in Betracht, lässt sich mitunter die Therapietreue steigern, wenn der Patient sich aktiv für eine Variante entscheiden darf.

Vor der ersten Anwendung eines Systems muss der Arzt oder ein geschulter Praxismitarbeiter dessen Gebrauch mit dem Patienten mit einem (Placebo-)Inhalator üben. Derzeit bedient bis zu jeder Zweite sein Gerät nicht richtig. Jede Folgeverordnung schließt im Idealfall einen kurzen Check ein, ob sich mit der Zeit keine Fehler eingeschlichen haben. Dieser steht auch an, bevor Therapien eskaliert oder wegen fehlenden Erfolgs gewechselt werden.

Es gilt, die Medikation der Patienten so einfach wie möglich zu gestalten, z.B. durch Fixkombinationen verschiedener Wirkstoffe. Der Medikationsplan sollte schriftlich festgehalten und dem Patienten mitgegeben werden. Das verringert das Risiko für eine Verwechselung von Bedarfs- und Dauermedikation, so Dr. Haidl.

Haidl P. internistische praxis 2021; 64: 317–328

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune