31. Mai 2021Medizin mit Evidenz

Schmerzmittel und Impfung

Das EbM-Ärzteinformationszentrum beantwortet Fragen aus dem Spitalsalltag in Form von Rapid Reviews. Die Serie „Medizin mit Evidenz“ bringt die Ergebnisse dieser Reviews auf den Punkt und lässt Experten zu Wort kommen.

iStock/marina_ua

Grippeartige Symptome nach der Impfung gegen COVID-19 sind weit verbreitet, die weiße Pille als Draufgabe soll Linderung verschaffen. Die amerikanische Gesundheitsbehörde warnt jedoch davor, im Zusammenhang mit Impfungen prophylaktisch Schmerzmittel einzunehmen – wegen der ungewissen Auswirkungen auf die Immunantwort.

Der Arzneimittelhersteller AstraZeneca zeigte hierzu kürzlich in einer Studie zu seinem Vektor-Impfstoff, dass eine prophylaktische Paracetamol-Gabe keinen Einfluss auf die Immunogenität hat, genaue Daten dazu wurden jedoch nicht veröffentlicht. Die europäische Arzneimittelagentur stellte aufgrund dieser Daten fest, dass eine Beeinflussung der Impfstoff-Wirkung durch Paracetamol unwahrscheinlich sei.

Doch nicht nur Impfstoffe gegen COVID-19 können Schmerzen an der Injektionsstelle, Fieber, Lymphknotenschwellungen, Glieder- und Kopfschmerzen verursachen. Auch die Influenza-Impfung kann derartige Beschwerden auslösen.

Paracetamol und Influenza-Impfung

Wir fanden zwei randomisiert kontrollierte Studien, die bei Erwachsenen untersuchten, ob die Gabe von Paracetamol vor und nach einer Influenza-Impfung eine Auswirkung auf den Antikörperspiegel hat. Keine der beiden Studien untersuchte, ob sich die Einnahme von Paracetamol auf die Rate von Influenza-Infektionen unter den geimpften auswirkt.1,2

Die erste Studie1 untersuchte 262 Mitarbeiter einer Klinik, die jeweils bei der Impfung sowie vier, acht und zwölf Stunden danach entweder Placebo oder Paracetamol (Dosis 325mg oder 650mg) erhielten. Gemessen wurden der HAI (Hämagglutinationsinhibitions)-AK-Spiegel gegen verschiedene Influenza-Viren, z.B. gegen den Virustyp A/Shanghai/16/89. Nach zwei Wochen hatten ca. 50 bis 60 Prozent der Teilnehmenden einen protektiven Antikörper-Spiegel von mindestens 40IU/ml. Der Antikörperspiegel war in allen Gruppen ähnlich: In der Gruppe mit Paracetamol 325mg war der Spiegel um 2–4IU/ml höher als bei Placebo, während die Werte in der Gruppe mit Paracetamol 650mg um 1IU/ml niedriger waren. Auch der zweite RCT2 mit 60 geriatrischen Personen zeigte einen ähnlich hohen Anteil an Personen mit protektivem AK-Spiegel, unabhängig davon, ob Paracetamol eingenommen wurde oder nicht: Etwa 80 Prozent in beiden Gruppen hatten drei Wochen nach der Impfung einen protektiven Antikörperspiegel, ohne statistisch signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen (79% vs. 77%; RR 1,04; 95% KI: 0,80–1,36).

Da die größere der beiden Studien1 bezüglich des Unterschieds zwischen Placebo und Paracetamol 325mg bzw. 650mg gering unterschiedliche Ergebnisse ergab, ist davon auszugehen, dass künftige Studien mit mehr Teilnehmern zu genaueren Ergebnissen führen.

▶ Vertrauen in das Ergebnis: niedrig

Kommentar aus der Klinik

Prof. Dr. Herwig Kollaritsch ist Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie und Facharzt für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin. Er ist Mitglied des nationalen Impfgremiums (NIG) am Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz und zahlreicher nationaler und internationaler Fachgesellschaften.

Prof. Dr. Herwig Kollaritsch
privat

Im Umgang mit Schmerzmitteln bei der COVID-19-Impfung rät er von nicht steroidalen Entzündungshemmern (NSAR) wie Ibuprofen oder Diclofenac eher ab. Paracetamol betrachtet er hingegen als unproblematisch: „Paracetamol ist ein Analgetikum, das Schmerzen lindert und fiebersenkende Eigenschaften hat. Im Unterschied zu den NSAR wirkt Paracetamol kaum entzündungshemmend. Die Studienergebnisse des Rapid Reviews weisen darauf hin, dass Paracetamol vor oder nach einer Influenza-Impfung, keinen Einfluss auf die Höhe des Antikörperspiegels hat. Auch in einer Studie von AstraZeneca, in der ein Teil der Probanden bei der Impfung mit ChAdOx1 prophylaktisch Paracetamol verabreicht bekam, ist laut Studienautoren kein Einfluss auf die Immunogenität zu beobachten. Auch in zahlreichen Empfehlungen nationaler Impfkommissionen findet sich schon seit Jahren der Hinweis, dass eine Paracetamolgabe bei Verabreichung reaktogener Impfstoffe (z.B. Meningokokken B, Pneumokokken) bereits für Kinder zulässig und hinsichtlich der Immunantwort unproblematisch ist.

Es ist daher davon auszugehen, dass die Wirkung der COVID-19-Impfung durch Paracetamol nicht beeinträchtigt wird. Das NIG empfiehlt daher, Paracetamol prophylaktisch parallel mit der Impfung einzunehmen und danach bei Bedarf sechsstündlich für ein bis zwei Tage.“

Referenzen:
  1. Aoki FY et al.: Effects of acetaminophen on adverse effects of influenza vaccination in health care workers. Cmaj. 993; 149(10):1425–30
  2. Gross PA et al.: Vaccine immune response and side effects with the use of acetaminophen with influenza vaccine. Clin Diagn Lab Immunol 1994; 1(2):134–8

Kontakt

Rapid-Review Autorin: Dr. Anna Glechner
Cochrane Österreich
Department für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation
Donau-Universität Krems
E-Mail: office@ebminfo.at

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum innere