Das neurologische Spektrum der COVID-19-Erkrankung

SARS-CoV-2 ist ein Virus, das neben dem Respirationstrakt noch zahlreiche andere Organsysteme befallen kann. Häufig betroffen sind auch die Niere, das Herz, der Verdauungstrakt und das Nervensystem. Geschmacks- und Geruchsverlust sind die bekanntesten, aber nicht die einzigen neurologischen Manifestationen.

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Blaue Faser und menschliches 3D-Gehirn mit schwimmenden Coronavirus-covid19-Zellen
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Das SARS-CoV-2-Virus ist bereits der siebente human-pathogene Vertreter aus der Familie der Coronaviren, den wir kennen. Wie schon der Name „severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“ erkennen lässt, ist das schwere akute Atemwegssyndrom die gefährlichste Komplikation der COVID-19-Erkrankung. In den letzten Monaten hat sich jedoch herauskristallisiert, dass das respiratorische System nur einer der Angriffspunkte des RNA-Virus ist. Auf Grund der Vielgestaltigkeit der Erkrankung werden in der Betreuung von COVID-19-Patienten heute nicht nur Pulmologen und Intensivmediziner benötigt, sondern auch Experten aus zahlreichen anderen Fachdisziplinen. Eine der Herausforderungen für Neurologen besteht darin, zu unterscheiden, ob neurologische Symptome direkt virusassoziiert, indirekt virusassoziiert oder nur eine Folge eines längeren Aufenthaltes auf einer Intensivstation sind und nicht ursächlich mit der SARS-CoV-2-Infektion zu tun haben. Auch wenn bei der bisherigen deskriptiven Dokumentation neurologischer Manifestationen von einem mehr oder weniger starken Selektions-Bias auszugehen ist und die Kausalität in vielen Bereichen noch in Frage gestellt werden muss, ist das Wissen innerhalb der letzten Monate doch gewaltig gewachsen. Die erste Publikation zu diesem Thema erschien im April: Chinesische Forscher berichteten damals, dass von ihren 214 Patienten, von denen 40 Prozent schwer krank waren, mehr als ein Drittel auch neurologische Manifestationen hatte. Anfang September gab es bereits über 2000 Publikationen, die sich mit neurologischen Aspekten der COVID-19 Erkrankung beschäftigen.

Pathophysiologie

Charakteristisch für Coronaviren sind oberflächliche Spikeproteine, mit denen sie an Zellen des Wirtsorganismus andocken. SARS-CoV-2 bindet an den ACE2-Rezeptor und kann dann durch die Zellmembran in die Zelle eindringen. Die Haupteintrittspforte für die Viren sind die ubiquitär im Körper vorhandenen Endothelzellen. Ob und in welchem Ausmaß der ACE2-Rezeptor auch im Gehirn exprimiert wird, ist noch nicht ganz klar. Von SARS-CoV-1 ist bekannt, dass das Virus auch neuroinvasiv ist, bei MERS-Coronaviren konnte eine Neuroinvasivität hingegen nicht nachgewiesen werden. „Bei  SARS-CoV-2 gibt es bisher nur einzelne Berichte, die eine Neuroinvasivität belegen“, berichtet Priv.Doz. Dr. Raimund Helbok, Neurologische Intensivmedizin und Neuroinfektiologie, Universitätsklinik für Neurologie, Innsbruck. Eine französische Studie zeigte, dass bei 555 COVID-19-Patienten, die auch lumbalpunktiert worden waren, die Liquoranalyse nur in zwei Fällen ein positives PCR-Resultat ergab. „Bei neurologischer Symptomatik ist daher ein Liquor-Screening sicher nicht indiziert. In Einzelfällen kann eine Lumbalpunktion aber natürlich überlegt werden.“

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