30. Sep. 202053. Jahrestagung der ÖGGH

Wenn das Schlucken zur Qual wird

Patienten mit Schluckstörungen sind unzweifelhaft Teil des internistischen Spitalsalltags. Hinter den Symptomen verbirgt sich ein ganzes Spektrum möglicher Ursachen. Wie eine Dysphagie idealerweise abgeklärt und behandelt wird, war mehrfach Thema bei der diesjährigen virtuellen Jahrestagung der ÖGGH.

Störungen des Schluckakts können sich ganz unterschiedlich manifestieren: Manche Patienten klagen nur über ein Druck- oder Globusgefühl im Hals, andere über Schmerzen beim Schlucken (Odynophagie), Husten während des Essens, Regurgitationen oder wiederholte Aspirationen. Im schlimmsten Fall kann der Patient gar keine Nahrung oder Flüssigkeit mehr zu sich nehmen. Ein die Diagnose erschwerender Umstand ist, dass Dysphagien in den Zuständigkeitsbereich mehrerer medizinischer Disziplinen fallen.

Wichtig ist daher, die breite Palette möglicher Ursachen von Schluckbeschwerden im Auge zu haben:

  • neurologische Erkrankungen (Multiple Sklerose, Morbus Parkinson, Schlaganfall, Demenz, …)
  • oropharyngeale Erkrankungen (Sjögren-Syndrom, Tonsillitis, Pharyngitis, zahnärztliche oder kieferorthopädische Probleme, Tumoren, …)
  • Erkrankungen der Schilddrüse (große Struma, Thyreoiditis)
  • Erkrankungen des Ösophagus (hyper- oder hypokontraktile Motilitätsstörungen, Ösophagitis, Zenker-Divertikel, benigne und maligne Stenosen, …)

Ob ein Patient mit Dysphagie am ehesten bei einem Neurologen, Logopäden, HNO-Facharzt, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen, Endokrinologen oder Gastroenterologen an der richtigen Adresse ist, lässt sich in den meisten Fällen bereits aus seinem Beschwerdebild und der Anamnese abschätzen.

Anamnese und Klinik

Zunächst gilt es, den Ursprung der Schluckstörung einzugrenzen: Berichtet der Patient über Beschwerden im Bereich der Mundhöhle, des Halses oder im Thorax? Ein wichtiger Anhaltspunkt ist auch, ob die Symptomatik plötzlich aufgetreten ist oder sich schleichend entwickelt hat, eventuell auch in Zusammenhang mit anderen Erkrankungen. Ist nur das Schlucken fester Speisen erschwert oder gilt dies auch für Flüssigkeiten? Stehen die Schmerzen im Vordergrund oder eher ein Globusgefühl? Kommt es zu einem häufigen Verschlucken, zu Regurgitationen oder Sodbrennen?

Die klinische Untersuchung umfasst in erster Linie die Inspektion der Mundhöhle und die Palpation der Halsregion (sind Lymphknoten oder eine Struma tastbar?). Eine einfache Untersuchung, die in jeder Ordination durchgeführt werden kann, ist auch die grobe Überprüfung des Schluckaktes. „Lassen Sie den Patienten einen Schluck Wasser trinken“, rät OA Dr. Markus Mader, Abteilung für Innere Medizin 2, Universitätsklinikum St. Pölten.

Zur Abschätzung des Schweregrads der Symptome sowie zur Protokollierung des Therapieerfolgs wurde der sogenannte Eckardt-Score entwickelt, bei dem der Patient null (= keine Beschwerden) bis zwölf (= maximale Beschwerden) Punkte erreichen kann (siehe Tabelle).

Apparative Diagnostik

Insbesondere für die Abklärung ösophagealer Dysphagien gibt es eine Reihe apparativer Verfahren. In der Regel der erste und oft schon diagnosesichernde Schritt ist hier die Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD). Dabei lassen sich unter anderem entzündliche Veränderungen erkennen, mechanische Probleme verifizieren, Biopsien entnehmen oder bei Malignitätsverdacht suspekte Areale mit Essigsäure oder Lugolscher Lösung färben.

Bei Verdacht auf eine funktionelle Störung können pathologische Druckverhältnisse in der Speiseröhre, wie sie bei einer Achalasie und anderen Motilitätsstörungen vorliegen, mittels High-Resolution-Manometrie abgeklärt werden. Je nachdem, ob die Peristaltik zu stark oder zu schwach ist, wo die Störung sitzt und wie hoch ihr Krankheitswert ist, werden nach der Chicago-Klassifikation 3.0 verschiedene Gruppen von Motilitätsstörungen unterschieden. Bekannte Beispiele sind die Achalasien vom Typ I (hypomotile Form: keine Peristaltikwelle, die schluckinduzierte Öffnung des unteren Ösophagussphinkters fehlt), Typ II (simultane Kontraktion des gesamte Ösophagus, auch hier bleibt der untere Ösophagussphinkter geschlossen) und Typ III (spastische Form: massive spastische Druckerhöhungen im unteren Ösophagus, Sphinkter bleibt zu) oder der Jackhammer-Ösophagus (mehrgipfelige spastische Kontraktionen im unteren Ösophagus, der untere Ösophagusshinkter öffnet aber).

Wenn ein Verdacht auf eine gastroösophageale Refluxkrankheit vorliegt, kommt die pH-Metrie mit Impedanzmessung zum Einsatz. „Bei dieser Untersuchungsmethode wird mithilfe einer nasoösophagealen Sonde über einen Zeitraum von 24 oder 48 Stunden der saure und mittels Impedanz auch der nicht-saure Reflex gemessen“, erläutert Mader. Eine für die Patienten angenehmere Alternative zur Sonde ist das BravoTM pH-Monitoring, ein Testsystem, bei dem endoskopisch eine Messkapsel im Ösophagus platziert wird, die den Körper nach ein paar Tagen wieder via naturalis verlässt. Nachteil dieser Methode ist aber, dass damit nur der saure Reflux erfasst wird. Komplettiert wird das apparative diagnostische Repertoire durch bildgebende Verfahren (CT, MRT, Videokinematographie des Schluckaktes).

Endoskopische Therapie

Ergibt die diagnostische Abklärung, dass den Schluckbeschwerden eine Ösophagusstenose zugrunde liegt, so stehen mehrere endoskopische Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Zunächst gilt es, zu differenzieren, ob eine strukturelle oder eine funktionelle Stenose vorliegt. Strukturelle Stenosen sind typischerweise Folgen einer chronischen Entzündung bzw. Vernarbung der Speiseröhre mit konsekutiver Verengung des Lumens oder einer tumorösen Raumforderung, können also benigne oder maligne sein. Im Unterschied dazu sind funktionelle Stenosen auf Motilitätsstörungen des Ösophagus zurückzuführen. Für die Wahl der geeignetsten Therapie ist aber nicht nur die zugrunde liegende Erkrankung entscheidend, sondern auch die Morphologie der Stenose (einfach oder komplex) und die individuelle Untersucherexpertise.

Bougie oder Ballon?

„Bei benignen, strukturellen Ösophagusstenosen ist die Therapie der Wahl die Dilatation“, erklärt OÄ Dr. Teresa Fritz, 4. Interne Abteilung, Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern. Dafür stehen mit der Bougie und dem Ballon zwei verschiedene Devices zur Verfügung. „Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden ist, dass mit dem Ballon unter endoskopischer Sicht gearbeitet werden kann und eine lokale radiäre Kraft ausgeübt wird, während bei der Bougie keine endoskopische Kontrolle möglich ist und die Kraft auch axial und über eine längere Strecke wirkt.“ Die Dehnsonde hat dafür den Vorteil, dass man beim Arbeiten mit ihr den Widerstand des aufzudehnenden Gewebes spürt.

Ist nun die Bougie besser oder der Ballon? In einer Metaanalyse mit über 400 Patienten zeigte sich, dass Bougieren und Ballondilatation bei symptomatischen Ösophagusstenosen benigner Ätiologie gleichwertige Therapiemethoden sind. Wichtig ist nur, nach dem Motto „Start low and go slow“ vorzugehen: Der Diameter sollte pro Sitzung in maximal drei Stufen aufdilatiert werden. Kleine Schleimhautläsionen und Einblutungen sind Begleiterscheinungen einer erfolgreichen Therapie, tiefe Schleimhautrisse müssen jedoch vermieden werden! Die Behandlungsintervalle liegen in Studien meist zwischen ein und vier Wochen, eindeutige Empfehlungen oder einen Konsens darüber gibt es aber nicht. Angestrebt werden sollte ein Diameter von mindestens 15–16 mm, der gewährleistet, dass zumindest die Einnahme einer modifizierten Diät möglich ist. Noch besser sind 17–18 mm, weil sich dadurch die Zeit bis zur Rekurrenz einer Striktur signifikant verlängert.

Die Dehnung mittels Bougie oder Ballon ist bei benignen Stenosen eine sehr effektive Therapie: Weniger als zehn Prozent der Stenosen sind refraktär. Ist die Dilatation nicht erfolgreich, kann eine endoskopische Steroidinjektion in Kombination mit einer Dilatation oder eine Inzisionstherapie versucht werden. Wenn auch das nicht fruchtet, besteht noch die Möglichkeit, einen Stent zu implantieren. Meist werden hierfür voll gecoverte Metallstents verwendet. „Der klinische Therapieerfolg der Stenttherapie bei refraktären benignen Ösophagusstrikturen ist mit rund 40 Prozent allerdings nicht sehr hoch“, räumt Fritz ein. „Dem gegenüber stehen eine Stentmigrationsrate von fast 30 Prozent und eine relativ hohe Komplikationsrate.“ Besser sind die Ergebnisse, wenn der Stent fixiert wird.

Stenting bei malignen Stenosen

In mehr als der Hälfte aller malignen Ösophagusstenosen ist das Karzinom bei der Erstdiagnose bereits so weit fortgeschritten, dass die Dysphagie nicht mehr kurativ behandelt werden kann. Hier dient das Stenting als palliative Methode, um Symptome zu lindern oder die Nahrungsaufnahme zu verbessern. Obwohl die Nebenwirkungs- und Komplikationsrate von Metallstents bei malignen Indikationen noch höher ist als bei benignen Ösophagusstenosen, sind Stents immer noch eine bessere Option als alleinige Tumordebulking-Therapien. Ist eine neoadjuvante Chemotherapie oder Operation geplant, sollte kein Stent gelegt werden, weil sich in Studien ein negativer Effekt auf das onkologische Outcome zeigte.

Therapie der Achalasie

Für die Behandlung der Achalasie stehen drei Standardtherapiemethoden zur Verfügung, die prinzipiell für alle drei Typen einsetzbar sind: Neben der Ballondilatation sind das die perorale endoskopische Myotomie (= POEM) und die laparoskopische Myotomie nach Heller. Die zunehmend an Bedeutung gewinnende POEM ist hinsichtlich des klinischen Erfolgs der Ballondilatation überlegen und gleichwertig mit der Hellerschen Myotomie. Ein Nachteil der POEM sind allerdings höhere Refluxraten. Eine weitere Behandlungsoption für Motilitätsstörungen ist die endoskopische Botox-Injektion. „Diese Therapie sollte aber unfitten Patienten vorbehalten bleiben, weil sie nur zu einer kurzzeitigen Symptomlinderung führt und die Verbesserung maximal sechs Monate anhält“, so Fritz.

Eckardt-Score

Symptome
bei jeder Mahlzeit
täglich
gelegentlich/wöchentlich
keine
Dysphagie
3
2
1
0
Regurgitationen
3
2
1
0
Brustschmerzen
3
2
1
0
Gewichtsverlust
(in kg)
>10
5–10
<5
kein
3
2
1
0

Vorträge „Wenn das Schlucken zur Qual wird …“ und „Schluckstörung: Endoskopische Therapie“ im Rahmen der 53. Jahrestagung der der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH), Onlinekongress, 18.6.2020

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum innere