23. Sep. 2020Erst übersensibel, dann vernarbt

Die exogen allergische Alveolitis nicht auf die leichte Schulter nehmen

Die durch Inhalation von Umweltantigenen ausgelöste exogen allergische Alveolitis verläuft sehr unterschiedlich und kann im schlimmsten Fall zu einer zunehmenden Lungenfibrose mit respiratorischem Versagen und Tod führen. Umso wichtiger ist es, prognostische Faktoren zu kennen, mit denen sich der Verlauf vorhersagen und möglicherweise beeinflussen lässt.

Schwarm von Mücken, die über Fluss und Wald fliegen, beleuchtet mit weichen Sonnenstrahlen bei Sonnenuntergang
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Grundsätzlich werden zwei Formen der exogen allergischen Alveolitis, auch Hypersensitivitätspneumonitis (HP) genannt, unterschieden: Bei der akuten Form kommt es nach Antigenexposition zu akuten entzündlichen Infiltraten, die sich bei strikter Antigenvermeidung und ggf. Kortikosteroidgabe wieder zurückbilden. Bei der chronisch fibrotischen Variante entwickeln sich die Symptome dagegen schleichend über mehrere Monate und man findet die Vernarbungen im hochauflösenden CT oder in der Histopathologie. Auch diese Form ist anfangs reversibel, eine einmal entstandene Fibrose bleibt aber und kann fortschreiten.
Die chronische HP stellt häufig eine diagnostische Herausforderung dar, da sich in bis zu zwei Dritteln der Fälle keine auslösenden Antigene finden lassen. Das erschwert die Abgrenzung gegenüber anderen Formen der Lungenfibrose.
Bei manchen Patienten verläuft die chronische HP ähnlich wie die prognostisch ungünstige idiopathische Lungenfibrose. Laut einer amerikanischen Analyse sind nach sieben Jahren nur noch 58 % der Kranken mit fibrotischer HP am Leben. Prädiktive Faktoren zu identifizieren, hat daher große Bedeutung. Dr. Andrew W. Creamer vom Bris­tol Interstitial Lung Disease Service am Southmead Hospital und seine Kollegin haben die Literatur danach durchforstet

Demographische Faktoren
Ein höheres Alter scheint mit einer erhöhten Mortalität der HP assoziiert zu sein, wobei aber nicht nach einer HP-spezifischen Mortalität differenziert wurde. Frauen erkranken etwas häufiger als Männer, die wiederum in einigen Studien eine höhere Mortalität aufweisen.

Antigen-Exposition
Lässt sich das auslösende Antigen nicht identifizieren und damit auch nicht vermeiden, verschlechtert sich die Prognose wohl deutlich. Die Art des Antigens spielt offensichtlich keine entscheidende Rolle – möglicherweise aber die Höhe und Dauer der Antigenexposition. Hierzu ist die Studienlage aber nicht einheitlich.

Rauchen
In einigen Kohortenstudien wurde eine Assoziation zwischen Rauchen und einer erhöhten HP-Mortalität gefunden – in anderen bestätigte sich das nicht. Es fällt auch schwer auseinanderzuhalten, welchen Einfluss das Rauchen selbst auf die Sterblichkeit hat. Nach historischen Daten tritt die akute HP häufiger bei Nichtrauchern auf, von einer Fibrose scheinen jedoch Raucher nach einer retrospektiven japanischen Studie häufiger betroffen zu sein.

Komorbiditäten/Lungenfunktion
Wie bei anderen Lungenfibrosen auch, kann sich bei chronischer HP als Komplikation eine pulmonale Hypertonie entwickeln. In einer retrospektiven Studie mit 120 Patienten war dies bei 19 % der Fall, die Mortalität lag dann deutlich höher. Ein Emphysem konnte man in einer anderen Studie bei etwa 30 % der Teilnehmer nachweisen, das blieb aber ohne Einfluss auf die Sterblichkeit.
Die HP ist immunologisch vermittelt, etwa 15 % der Patienten haben zusätzlich weitere Autoimmunerkrankungen, was die Überlebenswahrscheinlichkeit zu vermindern scheint.
Die Lungenfunktion bei Diagnose hat große prognostische Bedeutung: Niedrige forcierte exspiratorische Vitalkapazität, totale Lungenkapazität und Kohlenmonoxid-Diffusionskapazität gehen mit einer erhöhten Mortalität einher.

Bildgebung
Eine positive Assoziation besteht auch zwischen dem Nachweis einer Fibrose in der Bildgebung oder His­topathologie mit einer vermehrten Sterblichkeit – insbesondere, wenn sich ein diffuser fibrotischer Lungenumbau mit Zystenbildung (honeycomb fibrosis) zeigt.

Histopathologie
Eine gewöhnliche interstitielle Pneumonie (usual interstitial pneumonia, UIP) gilt als Marker für eine ungünstige Prognose – ebenso wie eine nicht-spezifische interstitielle Pneumonie (NSIP) und bronchio­lozentrische Fibrosemuster. Da Lungenbiopsien mit einer signifikanten Sterblichkeit von 2,4 % verbunden sind, erscheinen diese Parameter als eher ungeeignet für die Routine.

Genetik
Bei manchen Patienten mit HP fanden sich genetische Veränderungen, die man von der IPF kennt. Dies kann dann mit einer stärkeren Fibrose und schlechteren Prognose korrelieren. Es lässt sich aber nicht ganz ausschließen, dass in den zugrunde liegenden Untersuchungen teilweise falsche Klassifikationen der beiden Erkrankungen vorlagen.

Sonstiges
Akute Exazerbationen scheinen wie bei IPF den Verlauf ungünstig zu beeinflussen. Biomarker wurden bisher noch nicht in prospektiven Studien validiert. Für die kürzlich als diagnostisches Kriterium genannte Lymphozytose in der Bronchiallavage bestätigte sich die Korrelation mit der Krankheitsprogression nicht.


Creamer AW et al. Eur Respir Rev 2020; 29: 190167; doi: 10.1183/16000617.0167-2019