Geschlechtsidentität und Suizidalität

Transgender oder transsexuelle Frau mit Maske und männlichem Gesicht.
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Versuche zur Umwandlung der geschlechtlichen Identität („Gender identity conversion efforts“, GICE: der Versuch, Transgender-Personen davon abzuhalten, als Transgender zu empfinden und ihr bei Geburt zugewiesenes Geschlecht zu akzeptieren) bei Transgender-Personen stehen im Verdacht, psychische Schäden hervorzurufen. Ob tatsächlich eine Assoziation mit der psychischen Gesundheit besteht, wurde nun im Rahmen einer amerikanischen Querschnittsstudie, bei der Transgender-Personen im September 2015 nach möglichen GICE durch weltliche oder religiöse Experten befragt wurden, erforscht.

Die Frage lautete: „Haben Professionals wie Psychologen, weltliche oder religiöse Berater versucht, Sie dazu zu bringen, sich nur noch mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht zu identifizieren, bzw. haben sie – in anderen Worten – versucht, Sie davon abzuhalten, transsexuell zu sein?“ Die Beantwortung dieser Frage wurde zu schwerer psychologischer Belastung (ein Wert von mindestens 13 auf der Kessler Psychological Distress Scale) im Monat vor dem GICE und verschiedenen Parametern der Suizidalität im Jahr davor und während des gesamten Lebens in Beziehung gesetzt.

Die Umfrage wurde von 27.715 Menschen (durchschnittliches Alter 32 Jahre) beantwortet; 11.857 Personen war bei der Geburt das männliche Geschlecht zugewiesen worden. Unter den 19.741 Studienteilnehmern (71%), die jemals mit einem Experten über ihre geschlechtliche Identität gesprochen hatten, berichteten 3.869 über Versuche zur Umwandlung der geschlechtlichen Identität (20%). Im Vergleich zu jenen Personen ohne GICE hatten diejenigen mit Exposition um 56% häufiger unter schwerem psychologischem Stress gelitten. Es bestand auch eine Assoziation zwischen jeglichen GICE und Suizidversuchen über die Lebenszeit (Risikoerhöhung +127%).

Noch ausgeprägter war die Risikoerhöhung für einen Suizid, wenn die GICE bis zum 10. Lebensjahr erfolgt war (mehr als vierfache Risikoerhöhung). Das Ausmaß der Assoziationen war unabhängig davon, ob die Maßnahmen von weltlichen oder religiösen Experten angewandt wurden.

Turban JL et al. JAMA Psychiatry. 2019. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2019.2285

Für die Praxis
Die erhöhte Rate psychischer Probleme nach Versuchen zur Umwandlung der geschlechtlichen Identität ist im Einklang mit den Empfehlungen von Fachgesellschaften, die sich gegen diese Praxis ausgesprochen haben. Eine Ursache-Wirkungs-Beziehung kann aufgrund der retrospektiven Untersuchung allerdings nicht belegt werden. Nicht auszuschließen ist, dass Transgender-Personen, die besonders stark unter Identitätsproblemen leiden, vermehrt eine GICE in Anspruch nehmen.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune