30. Okt. 2019

Die Hausapotheke und der freie Markt

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Der Vorstoß der Bundeswettbewerbsbehörde, den Apothekenmarkt zugunsten von ärztlichen Hausapotheken zu liberalisieren und damit die gesetzliche Mindestentfernung ersatzlos zu streichen, stößt seitens der Ärztekammer auf Zuspruch, Gegenwind gibt es von der Österreichischen Apothekerkammer.

Laut Bundeswettbewerbsbehörde (BWB)-Generaldirektor Theodor Thanner würden künstliche Monopole bei Apotheken die Gesundheitsversorgung stören. Schließlich dürfen praktische Kassenärzte derzeit nur dann eine Hausapotheke betreiben, wenn es im Umkreis von vier bis sechs Straßenkilometern keine öffentliche Apotheke gibt. Eröffnet eine Apotheke in diesem Gebiet, muss der Hausarzt seine Apotheke binnen drei Jahren schließen. Nun fordert die BWB die ersatzlose Streichung dieser gesetzlichen Mindestentfernungen. Diese habe in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass von Kassenärzten im ländlichen Raum betriebene Hausapotheken verschwunden sind. So stellen Hausapotheken laut BWB aus wettbewerblichen Gesichtspunkten ein entscheidendes Instrument dar und könnten insbesondere im ländlichen Raum einen wichtigen Beitrag zu einer möglichst flächendeckenden Gesundheitsversorgung der Bevölkerung leisten.

Apothekerkammer kontert

Die Österreichische Apothekerkammer warnt indes vor negativen Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung und wirft der Bundeswettbewerbsbehörde vor, Ärzte- und Apothekerschaft in einen Wettbewerb zu drängen. Laut Mag. Jürgen Rehak, Präsident des Österreichischen Apothekerverbandes, bringe die Behörde mit diesem Vorstoß ein funktionierendes System in Gefahr, „denn Wettbewerb im Gesundheitswesen führt zu einer Verschlechterung der Versorgung“. In dieselbe Kerbe schlägt Mag. Raimund Podroschko, Präsident des Verbands Angestellter Apotheker, der die Vorgehensweise der Behörde als äußert kontraproduktiv erachtet: So baue die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker auf einem bewährte Vier-Augen-Prinzip auf. „Die Ärzte verschreiben das Medikament, die Apotheker geben es aus, beraten den Patienten und stellen sicher, das keine Fehler passieren. „Diese Sicherheit setzt die Behörde aufs Spiel, wenn sie die beiden Berufsgruppen in eine Konkurrenzsituation drängt“, so Podroschko.

Unverständnis von Ärztekammer

Diese Argumente stoßen wiederum auf wenig Verständnis seitens der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), die sich durch den Vorschlag der Wettbewerbsbehörde bestätigt sieht. Laut Vizepräsident Dr. Johannes Steinhart sei die Argumentation der Apothekerkammer rein betriebswirtschaftlicher Natur und bedeute für die Patientenversorgung genau das Gegenteil. Ärztliche Hausapotheken seien überall sinnvoll, weil Patienten beim niedergelassenen Arzt alles aus einer Hand bekommen und sich oft unnötige Wege ersparen. „Ganz besonders gilt das aber in entlegenen Regionen im ländlichen Raum, wo es nur wenige öffentliche Apotheken gibt. Hier sind ärztliche Hausapotheken die richtige und einfache Lösung für ein zunehmendes Versorgungsproblem. Leider gibt es davon viel zu wenige“, sagt Steinhart.

Laut dem Bericht der Bundeswettbewerbsbehörde habe die Kilometerregelung dazu geführt, dass Hausapotheken im ländlichen Raum verschwunden sind. In den vergangenen zehn Jahren wurden 155 öffentliche Apotheken neu eröffnet, mehr als hundert ärztliche Hausapotheken gingen hingegen verloren. Da sich öffentliche Apotheken vorzugsweise in vergleichsweise dicht besiedelten und deshalb potenziell profitablen Standorten niederlassen, geht diese Entwicklung voll auf Kosten der ländlichen Bevölkerung und dort ganz besonders der älteren und kranken Menschen. „Hier können ärztliche Hausapotheken die Versorgungslücken am besten füllen. Gemeinden mit 100 bis 4500 Bewohnern sind das Haupteinsatzgebiet für Hausapotheken“, so Silvester Hutgrabner, Hausapotheken-Referent der ÖÄK.

Masterplan der Apotheker

Demgegenüber steht seitens der Apothekerkammer ein Vorschlag zur Novellierung des Apothekengesetzes mit Lösungsansätzen zu einer besseren Versorgung in ländlichen Gebieten. Gefordert werden eine Ausweitung und Liberalisierung der Öffnungszeiten, was ein bedarfsgerechtes Offenhalten der Apotheken ermöglicht, weiters die Möglichkeit der Zustellung von Arzneimitteln ans Krankenbett im Sinne einer „mobilen Apotheke“, die unter anderem eine Versorgung von Patienten in Pflegeeinrichtung gewährleistet sowie eine Erleichterung der Eröffnung von Filialapotheken im Einzugsgebiet der öffentlichen Apotheke, um die hiesige Arzneimittelversorgung zu verbessern.

Nichtsdestotrotz fordern Vertreter der Ärztekammer eine Novellierung des Apothekengesetzes. „Die Politik sollte die BWB-Empfehlungen zügig umsetzen. Wir brauchen ein neues, rundum überarbeitetes Apothekengesetz, das den neuen Strukturen gerecht wird. In ländlichen Gebieten bedeutet das ein duales System, ein Neben- und Miteinander von ärztlichen Hausapotheken und öffentlichen Apotheken“, unterstreicht Hutgrabner die Bedeutung eines symbiotischen Zusammenspiels zwischen Arzt und Apotheker.