Was Sehstörungen ankündigen

Der Fall. „Mir tut mein Auge weh, und nachdem ich seit gestern nur noch verschwommen sehe, wollte ich das mal anschauen lassen“, schildert Frau G. (35 J., Lehrerin) ihre Beschwerden. Bei der weiteren Anamnese erfahren Sie, dass Frau G. vor ca. einem Dreivierteljahr für kurze Zeit Gefühlsstörungen im rechten Bein hatte. Anfangs war es nur der Zeh, dann das gesamte Bein bis zum Rumpf. Sie konnte dann nicht mehr sicher gehen und war sehr müde und abgeschlagen. Die Beschwerden vergingen nach einigen Tagen von selbst, sodass sie keinen Arzt kontaktierte. Vor kurzem konnte sie plötzlich ihre eigene Schrift nicht mehr lesen, so krakelig war diese, aber auch das verschwand von selbst. Ansonsten war Frau G. immer gesund, ist recht sportlich und nimmt außer der Pille keine Medikation. Klinisch finden sich keine Auffälligkeiten. Wie gehen Sie weiter vor? Was klären Sie ab, und was sagen Sie Ihrer Patientin? (ärztemagazin 8–9/19)

„Hauptregel: Überschreite deine körperlichen und seelischen Grenzen nicht“

OÄ Dr. Ingrid Fuchs
Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie MS-Zentrum Wien 
NACH ERHEBUNG
der Anamnese und genauer neurologischer Statuserhebung (ohne Auffälligkeiten) werde ich mit der Patientin das vorliegende Symptom „verschwommen Sehen“ besprechen. Eine rasche neurologische Abklärung (MRT Schädel, VEP, Augenarzt; Blutabnahme incl. Virusstatus und Borrelien) ist indiziert. Es könnte sich um eine chronisch entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems handeln. Eine MS verläuft typischerweise schubförmig, wobei der 1. und/oder 2. Schub von alleine vollständig remittieren. Es vergehen bis zu zehn Jahre bis zum nächsten Ereignis. Der Bewegungsschmerz der Augen und das Nebelsehen sprechen für einen möglichen Entzündungsschub. Wie steht so bezeichnend im Lehrbuch: Der Augenarzt sieht nichts, der Patient sieht nichts.

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