9. Aug. 2019

Mundkeime setzen der Leber zu

Bakterien und Viren um den Zahn. Medizinisches Konzept der Zahnhygiene. 3D-Illustration
(c) Gettyimages/Bet_Noire

Die Fettleber und ihre Folgen gehen häufig mit einem veränderten Mikrobiom einher. Fehlende Magensäure treibt das Geschehen weiter an, weil es zusätzlich zur „Oralisierung“ der Darmflora kommt. (Medical Tribune 27–28/19)

Dass Medikamente das Mikrobiom verändern, weiß jeder, der schon einmal über längere Zeit Antibiotika schlucken musste. Auch Substanzen wie Antihypertensiva und Antidepressiva beeinflussen das Mikrobiom, wie eine vor Kurzem in Nature publizierte Arbeit nahelegt. „Den größten Einfluss haben jedoch Protonenpumpenhemmer“, erklärte Assoz.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Vanessa Stadlbauer-Köllner im MT-Gespräch. Die Gastroenterologin von der Med Uni Graz hat sich angeschaut, wie Protonenpumpenhemmer (PPI) das Mikrobiom bei Leberzirrhose-Patienten verändern. Diese bekämen sehr oft PPI, so Stadlbauer-Köllner, leider häufig ohne klare Indikation.

Die Ergebnisse seien „erschreckend“ gewesen: Das ohnehin bereits durch die Leberzirrhose geschädigte Darm-Mikrobiom hatte sich durch PPI weiter verändert – nämlich im Sinne einer „Oralisierung“. Sprich, es wurden Keime im Stuhl gefunden, die normalerweise in der Mundhöhle vorkommen und die durch die fehlende Magensäure ungehindert in untere Darmabschnitte gelangt waren. Diese Keime waren mit Inflammation, bakterieller Translokation, verschiedenen Komplikationen und nicht zuletzt mit einer erhöhten Mortalität assoziiert. „Das heißt, unsere Zirrhose-Patienten, die einen PPI bekommen, haben – wenn sie diese Mikrobiomveränderung aufweisen – auf die Dauer von drei Jahren gesehen ein fast vierfach höheres Risiko zu versterben!“

Schnellere Progression der Zirrhose

Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine Forschergruppe aus San Diego im Tierexperiment: Mäuse, denen man durch Gabe eines PPI oder genetische Manipulation die Magensäure entfernt und danach eine Leberschädigung mit Alkohol zugefügt hatte, verzeichneten eine schnellere Progression der Leberschädigung als Mäuse, die eine normale Magensäureproduktion aufwiesen. Die logische Folge wäre, den PPI abzusetzen, sofern er nicht indiziert ist. Allerdings brauchen etliche Patienten unbedingt einen PPI, etwa weil sie ein rezidivierendes Ulkus oder eine Refluxerkrankung haben. Bei diesen läge der Versuch nahe, das veränderte Mikrobiom mit einem Probiotikum ins Gleichgewicht zu bringen.

Genau das hat die Arbeitsgruppe von Stadlbauer-Köllner in einer Pilotstudie mit Patienten mit und ohne Leberzirrhose gemacht. Die Ergebnisse sind noch nicht publiziert, aber so viel lässt sich jetzt schon sagen: Die gastrointestinalen Beschwerden haben sich signifikant gebessert, ebenso bestimmte Leberwerte. „Leider hat sich beim Mikrobiom selbst nicht viel getan“, so Stadlbauer-Köllner. Dafür habe sich die Darm-Permeabilität bei jenen Patienten verbessert, bei denen zuvor der entsprechende Marker – Zonulin – erhöht war.

Mikrobiom verändert Ansprechen auf Therapien

Medikamente wirken sich also offensichtlich auf das Mikrobiom und damit auf den Verlauf verschiedener Erkrankungen aus. Umgekehrt hat das Mikrobiom auch großen Einfluss darauf, wie gut Medikamente wirken. Ein Beispiel ist das orale Antidiabetikum Metformin, das – i.v. verabreicht – kaum eine Wirkung zeigt und bei etwa einem Fünftel der Patienten verstärkt gastrointestinale Nebenwirkungen aufweist. Ein weiteres Beispiel sind die neuen Immuntherapien gegen Krebs, auf die ein kleinerer Teil der Patienten ausgezeichnet anspricht, der Rest nicht. Mittlerweile wisse man, dass das Ansprechen mit der Mikrobiomzusammensetzung korreliert, so Stadlbauer-Köllner. Deshalb gebe es, zumindest im Tierexperiment, bereits Versuche, das Ansprechen mittels Stuhltransplantation von Respondern zu verbessern. Darüber hinaus werde in klinischen Studien untersucht, wie sich die Beeinflussung des Mikrobioms z.B. durch Probiotika auf das Ansprechen auswirke.

GLU

Patienten gesucht

Für eine klinische Studie mit probiotischer Intervention sucht die Med Uni Graz Patienten mit leichter Demenz (MMS zwischen 21 und 26).
Weitere Informationen: gestudien@medunigraz.at, Tel.: 0316/385-78014

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune