19. Juni 2019

Wir sind die Profis im Ausfüllen

Ich glaube, ich habe eine Sinnkrise. Vielleicht werde ich auch depressiv? Auf jeden Fall kann ich mich in der Früh kaum mehr aus dem Bett wuchten und der Gedanke an meine Ordination zaubert mir kein Lächeln mehr ins Gesicht. Ganz im Gegenteil. Er verursacht mir Kopfschmerzen und das dringende Gefühl, die Bettdecke über den Kopf zu ziehen. Neben mir im Bett schnarcht das Katertier und verbreitet Wärme und Zufriedenheit. Noch ein Stückchen weiter daneben schnarcht der beste aller Ehemänner, dessen Hirn sich auf das selektive Ausblenden des Weckerklingelns spezialisiert hat. Wieso jetzt aus dem Bett springen, den Liebsten wecken und den süßen Pelzkringel stören?

R wie Routine

Dabei liebe ich meinen Job doch. Eigentlich. Meistens. Großteils. Ich bin auch richtig froh und dankbar über mein Team, den Standort und mein Dasein als Allgemeinmedizinerin. Ich mag auch meine Patienten. Eigentlich. Großteils, Die meisten. Und natürlich wird der Job nach acht Jahren Wahlarzt und fast einem Jahrzehnt Kassenarztdasein zur Routine. Natürlich gibt es wenig bahnbrechende Entdeckungen in meinem Praxisleben und auch nicht allzu viele spannende medizinische Ereignisse. Gelegentlich lernt man immer noch sehr liebe und interessante Leute kennen. Aber im Großen und Ganzen ist es relativ viel Routinearbeit. „Einen seltsamen Job hast du“, hatte eines Tages eine Freundin gemeint. „Da arbeitest du mit immer denselben Menschen, bis sie irgendwann umziehen oder sterben.“ Na ja, bei einigen tut mir das sehr leid, bei anderen hoffe ich insgeheim, dass sie möglichst schnell eine Wohnung am anderen Ende der Stadt finden.

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Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune