19. März 2019

Die Hausärzte und PHC

PHC ist nicht einfach die Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen rund um einen akut erkrankten Patienten. Es ist ein Versorgungskonzept, das Leistungen der Prävention, Kuration, Rehabilitation, Pflege und Palliation umfasst, um gesundheitliche Probleme zeitgerecht und wohnortnah zu adressieren. Ein Beispiel: Wenn ein adipöser Mann in die Ordi kommt, um eine Krankschreibung zu erhalten, dann sollte dieser Besuch wahrgenommen werden, um opportunistisch nach einem metabolischen Syndrom zu suchen – also Hüftumfang messen und Blutwerte kontrollieren.

Das braucht Überzeugungsarbeit und damit Zeit und Vertrauen. Liegt das Syndrom vor, muss über das Diabetesrisiko aufgeklärt und nach einer Sozialanamnese mit dem sozialen Umfeld Kontakt aufgenommen werden, damit der Patient in einer „Selbsthilfe-Gruppe“, etwa einer Nordic-Walking-Gruppe der Gemeinde, der Pfarre oder der Freiwilligen Feuerwehr, unterkommt. Dazu braucht es wieder Zeit, aber auch ein Netzwerk von Informanten, die nicht nur wissen, was regional angeboten wird, sondern auch Organisations- und Motivationsarbeiten übernehmen. Das alles beginnt mit dem Besuch eines Patienten, der sich eigentlich nur krankschreiben lassen wollte. Absurd? Nein, es nennt sich PHC. Damit das funktioniert, muss aber das „System“ Rollen verteilen, Berufsgruppen koordinieren, Anreize setzen, Patientenströme lenken, schlicht: es muss wissen, was es will. Bei uns weiß das niemand!

Daher sind Hausärzte tendenziell nur rund um die Kuration tätig, die kassenärztliche Kernaufgabe. Doch diese wird wegen hoher Fachärztedichte (in Ordinationen und Spitälern) und „fehlgeleiteter“ Ansprüche der Patienten zunehmend unwichtiger. Nicht wenige leiden täglich unter der frustranen Situation, dass sie die Rolle des Primärversorgers für immer weniger Beschwerden von Patienten zugesprochen bekommen. Überspitzt: „Ich wusste nicht, dass ich mit dem Schnupfen meines Kindes auch zu Ihnen kommen kann“, „Ich brauche eine Überweisung zum Gynäkologen für ein Pillenrezept“, „Der Physiotherapeut hat mich zum Orthopäden geschickt“ (… alles Praxis-Beispiele). Zeit, etwas zu ändern?

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune