29. Jän. 201918. Schmerzwochen der ÖSG

Neue Studien bestätigen Wirksamkeit von Capsaicin bei Neuropathien

Gettyimages/THEPALMER

Neuropathische Schmerzen sind oft schwierig zu behandeln. Neue Studien zeigen: Der Wirkstoff Capsaicin kann Betroffenen eine deutliche Erleichterung bringen.

„Trotz verschiedener Leitlinien und medikamentöser Optionen kann Patienten mit neuropathischen Schmerzen oft nur ungenügend geholfen werden“, so ÖSG-Generalsekretär Prim. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar, Leiter der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Klinikum Klagenfurt und Leiter des Zentrums für Interdisziplinäre Schmerztherapie und Palliativmedizin, im Rahmen der diesjährigen 18. Österreichischen Schmerzwochen der ÖSG (Österreichische Schmerzgesellschaft). Neuropathische Schmerzen stellen damit sowohl für Betroffene als auch für Mediziner eine große Belastung und Herausforderung dar.
Mehrere aktuelle Studien zeigen nun, dass Capsaicin, der feurige Inhaltsstoff aus der Chili, neben seinen würzenden Qualitäten auch schmerzlindernde Eigenschaften aufweist. Das Alkaloid aus der Gruppe der TRPV-1-Rezeptor-Agonisten, bringt laut Likar vielfach eine deutliche Erleichterung für die Betroffenen und verursacht dabei kaum Nebenwirkungen.

Verringerung der Schmerzintensität um 40 Prozent dank Schmerzpflaster

Die meisten dieser Forschungsarbeiten befassen sich dabei mit der Wirksamkeit von Capsaicin-Pflastern mit hoher Wirkstoffkonzentration (8%). Eine internationale retrospektive Studie1 untersuchte etwa die Wirksamkeit solcher Pflaster zusätzlich zu oralen Schmerzmitteln bei 43 Patienten, die an Neuralgien infolge einer Gürtelrose, Verletzung bzw. eines chirurgischen Eingriffs litten. Capsaicin zeigte hierbei eine sehr gute Wirksamkeit: Bereits nach ein bis zwei Behandlungswochen verringerte sich die Schmerzintensität um durchschnittlich 40 Prozent. An der behandelten Stelle verringerte sich der Schmerz um 35 Prozent.

Wirksamkeit in Mono- oder Kombinationstherapie

Auch in einer multizentrischen spanischen Beobachtungsstudie2 mit 60 Teilnehmern erwies sich das Capsaicin-Pflaster entweder allein oder in Kombination mit anderen Schmerzmitteln als wirksam. Die Probanden litten an verschiedenen Formen von Nervenschmerzen, hervorgerufen etwa durch Operationsnarben, infolge einer Herpesinfektion oder aufgrund anderer Ursachen.

Zu Behandlungsende war das durchschnittliche Schmerzempfinden von 6,8 Punkten auf 4,1 Punkte abgesunken. Zudem gaben 39 Patienten (65%) an, bereits mit der Erstapplikation des Pflasters eine Schmerzlinderung erreicht zu haben. „Die Betroffenen litten auch erheblich unter mechanischer Allodynie – das heißt, sie empfanden mechanische Reize wie leichtes Drücken oder Dehnen als schmerzhaft, die einem gesunden Menschen nicht wehtun würden. Auf einer Skala von 0 bis 10 lag ihr Schmerzwert bei 7,9. Er konnte durch das Pflaster auf 4,2 reduziert, also fast halbiert werden“, so Likar. Einen ähnlichen Erfolg zeigten die Pflaster bei Hyperalgesie, mit einer Senkung des Schmerzwertes von 7,4 auf 4,4 Punkte. 80 Prozent der Studienteilnehmer waren zufrieden mit ihrem Behandlungserfolg – nur 20 Prozent gaben an, dass sich ihr Zustand kaum verbessert oder gar verschlechtert hatte. „Capsaicin-Pflaster können also bei vielen Arten peripherer Nervenschmerzen helfen und sich als Monotherapie oder in Kombination mit anderen Schmerzmitteln verwenden lassen“, fasst Likar zusammen.

Erfolgreich auch als Nachbehandlung

Eine skandinavische Studie3 testete die Wirksamkeit, Sicherheit und Akzeptanz von 8-prozentigem Capsaicin-Pflaster in der klinischen Praxis. Patienten aus Dänemark, Norwegen und Schweden mit bestätigter oder hochwahrscheinlicher Diagnose einer peripheren Neuropathie wurden dabei eingeschlossen. Bei 382 von ihnen war das Schmerzpflaster Teil der Erstbehandlung. 181 Patienten erhielten das Schmerzpflaster im Rahmen ihrer Nachbehandlung.

Bei 28 Prozent der erstbehandelten bzw. 31 Prozent der wiederbehandelten Patienten verringerten sich die Schmerzen in den Wochen zwei bis acht der Studiendauer um mindestens 30 Prozent. Bereits ab der ersten Woche und über die gesamte Studiendauer hinweg verbesserten sich die Lebensqualität und der allgemeine Gesundheitszustand. Die meisten Nebenwirkungen wie Hautrötungen, Brennen oder Jucken ließen innerhalb einer Woche nach. 57 Prozent der behandelten und 71 Prozent der wiederbehandelten Patienten wären bereit gewesen, sich weiterhin mit dem Pflaster behandeln zu lassen.

Überlegenheit von Capsaicin zu Pregabalin

Eine italienische Studie 4 belegte, dass die Capsaicin-Pflaster sogar oral verabreichtem Pregabalin überlegen sind. Diese Studie wurde bei Patienten durchgeführt, die unter sehr schweren Ausprägungen von Neuropathie mit dynamischer mechanischer Allodynie litten, also „Patienten, denen es wehtut, wenn man ihnen nur mit einem Pinsel über die Haut streicht“, wie es Likar beschreibt. In der randomisierten achtwöchigen Open-Label-Studie wurden insgesamt 488 Patienten untersucht; 253 von ihnen erhielten das Schmerzpflaster, 235 Pregabalin. Nach der acht Wochen dauernden Behandlung war die Schmerzintensität bei den Patienten mit Capsaicin im Vergleich zu Pregabalin signifikant verringert [-0,63 (95% KI: -0,04 bis -0,23; p=0,002)]. Zudem konnte die Allodynie bei 24,1 Prozent der Patienten aus der Pflastergruppe gänzlich beseitigt werden, bei der Kontrollgruppe waren es nur 12,3 Prozent (24,1% vs. 12,3%; p=0,001).

Fazit

Capsaicin verringerte in den aktuellen Studien die Schmerzintensität, das Schmerzempfinden sowie Hyperalgesie. Sowohl in der Erstbehandlung als auch in Folgebehandlungen verbesserten sich zudem Lebensqualität und allgemeiner Gesundheitszustand. Bei dynamischer mechanischer Allodynie war das Capsaicin-Pflaster sogar oralen Schmerzmitteln überlegen.
Ein entscheidender Vorteil dieser topischen therapeutischen Option liegt außerdem darin, dass sie im Gegensatz zu anderen Optionen kaum systemische Nebenwirkungen hat.

Quellen:

Österreichische Schmerzwochen der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG)

  1. Tenreiro Pinto J et al.: Efficacy Analysis of Capsaicin 8% Patch in Neuropathic Peripheral Pain Treatment. Pharmacology 2018; 101(5–6): 290–297
  2. Galvez R et al.: Repeated treatment with capsaicin 8% patch in localized peripheral neuropathic pain. Presented at the World Congress on Pain 2018; September 12–16, 2018, Boston, MA. Poster 64478
  3. Hansson et al.: Pain-relieving effectiveness, quality of life and tolerability of repeated capsaicin 8% patch treatment of peripheral neuropathic pain in Scandinavian clinical practice. European Journal of Pain, 1. Februar 2018
  4. Cruccu et al.: Superiority of capsaicin 8% patch versus oral pregabalin on dynamic mechanical allodynia in patients with peripheral neuropathic pain. European Journal of Pain, 1. Dezember 2017