Der Ärztemangel reitet wieder

Frau OMR Dr. Helga Azem (69), hohe Ärztekammerfunktionärin sowie Inhaberin eines riesigen Augenzentrums mit allen Kassen und eigenem Optikergeschäft in Wien, schlägt Alarm: Nächstes Jahr, nach zehnjähriger Übergangsfrist, tritt ein Gesetz in Kraft, das Ärzten ab 70 den Kassenvertrag wegnimmt. Zehn Prozent werden zwangspensioniert, Patienten bleiben unversorgt zurück. Besonders in Wien wird dann der Fachärztemangel dramatisch. Will die Politik keine Versorgungskrise erleben, muss die altersbedingte Zwangspensionierung fallen. Faktisch ist das alles nicht. Ja, Kassenärzte sind alt. Stellen sind seit Jahrzehnten mit den gleichen Ärzten besetzt, und es steht ein Generationswechsel bevor. Aber sind deswegen alle Ärzte alt? Mitnichten; die Zahl der Kassenärzte ist gering, nicht einmal jeder fünfte Arzt hat einen Kassenvertrag, die anderen Ärzte sind jung. Im OECD-Vergleich gehören unsere Ärzte zu den jüngsten. Das ist auch völlig verständlich, sind wir doch das einzige Land Europas, das seit Jahrzehnten einen kontinuierlichen Anstieg der aktiven Ärzte verzeichnet. Daher ist bei uns weniger als ein Drittel aller Ärzte über 55, in Deutschland ist es fast die Hälfte. Aber ja, es steht ein Generationswechsel an, und der ist vor allem in Wien ein Thema. Hier gibt es eine enorme Kassen-Facharztdichte; 30 Prozent über dem Österreichschnitt, und wenn wir mit der schwächsten Region, dem Mühlviertel, vergleichen, fast doppelt so hoch. Einen objektiv nachvollziehbaren Fachärztemangel wird es in Wien nicht geben. Aber vielleicht liegt da der Grund für die Aufregung. Mit der Kassenreform wird transparent, wie teuer diese Wiener Überversorgung ist. Dazu wird die WGKK kein Geld mehr aus einem Ausgleichsfonds erhalten – die anderen werden Wien, das die höchsten Einnahmen pro Versicherten hat (wider anderslautende Meldungen), nicht mehr durchfüttern. Der Weiterverkaufswert von Kassenfacharztordinationen in Wien wird sinken. Ob es vielleicht daran liegt, dass sich aktuell kaum wer findet, der bereit ist, hohe Ablösen zu zahlen?

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Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune