Eine boshafte Türschildreform

Dank klientelpolitischer Gesetzgebung gleicht unser Gesundheitssystem einem Verschiebebahnhof, der für jede Schiene ein eigenes Stellwerk samt pragmatisiertem, machtbewusstem Fahrdienstleiter hat – eine einzigartige Kompetenzzersplitterung. Besonders zersplittert ist die ambulante Akut-Versorgung. Um die zu reformieren, muss man tief in die Systemarchitektur eingreifen. Und nichts weniger hat die neue Regierung angekündigt. Als überfallsartig eine „Ausgabenbremse“ durchgepeitscht wurde, mit der massiv in die Budgethoheit der Selbstverwaltung eingegriffen wurde, schien klar, die Reform wird kommen. Und ebenso klar war der politische Aufruhr, mit all seinen Polemiken. Nun wurde die Reform vorgestellt – mit großen Worten: Ein „wahrlich historischer Tag“ und die „größte Strukturreform der Zweiten Republik“. Die 21 Sozialversicherungen werden zu fünf zusammengelegt, die Verwaltung verschlankt und die Leistungskataloge innerhalb der nun für die Krankenversorgung zuständigen drei österreichweiten Krankenkassen harmonisiert.

Doch die Details sprechen eine andere Sprache. Kernstück ist die Fusion der neun GKKs zu einer ÖGK. Doch jedes Bundesland behält eine völlig autonome Landesstelle, die weiter mit den regionalen Ärztekammern eigene Honorarkataloge verhandelt und das dafür nötige Budget von der Zentrale kriegen muss. Das ist keine Fusion, sondern eine Aufblähung von neun auf zehn „Kassen“. Und weil auch sonst kaum strukturell eingegriffen wurde, bleibt wohl alles, wie es ist! Doch warum dann der Aufruhr? Das liegt an den politischen Boshaftigkeiten. Die Zahl der Funktionäre und hohen Verwaltungsposten wird reduziert. Das alleine ist schon ein Angriff auf das austarierte Gefüge der gewerkschaftlichen „Erbpachten“. Doch richtig böse wird es, wenn man das neu eingeführte Ausbildungsprofil für Funktionäre betrachtet. Entweder haben diese studiert oder müssen SV-interne Fort- und Ausbildungen abgeschlossen haben. Wer das nicht hat, darf kein Funktionär mehr sein – und das trifft eine ganze Reihe vor allem roter Obmänner und ihre Stellvertreter. Spätestens hier wird’s persönlich.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune